15 Euro für ein ganzes Mastschwein
07.05.2019 / Landwirtschaft & Lebensmittelproduktion, Essen & bewusster Konsum
Ja, du hast schon richtig gelesen. 15 Euro. Die blieben in Österreich im Jahresschnitt 2018 einem Schweinemäster nach Abzug der Kosten für Futter und zugekauftem Ferkel übrig beim Verkauf eines Schweines mit knapp 100 Kilo Schlachtgewicht. 15 Euro für ein ganzes Schwein!
Warum das so (wenig) ist, ist sehr kompliziert, unterliegt vielen Einflussfaktoren und hat mit den vielzitierten „Gesetzen des globalen Marktes“ zu tun. Alles enorm wichtig, schwer zu verstehen und verständlich zu machen. Ich habe das andernorts schon mal ansatzweise versucht.
Heute aber interessiert mich die Frage, was diese Summe wohl für den Wert bedeuten mag, den ein Mäster seiner eigenen Arbeit noch beimessen kann. Außerdem interessiert mich die Frage, wie diese Summe mit dem unter einen Hut gebracht werden kann, welchen Wert wir Konsumenten darauf legen, dass Schweine so gemästet und aufgezogen werden, wie wir das gerne hätten:
- nämlich in artgerechter Haltung,
- bei Tierwohl und -gesundheit auf höchstem Niveau,
- inklusive Ringelschwänzchen und
- Kastration nur unter vollständiger Betäubung,
- selbstredend keine Vollspaltenböden, dafür viel Stroh und
- freie Abferkelung statt Kastenständen für die Sau und
- natürlich alles in kleinen, überschaubaren Einheiten – halt keine „Massentierhaltung“!
- Ach ja – und Auslauf wär schön, noch schöner direkt Weidehaltung…
Wie gehen nun diese mickrigen 15 Euro pro Mastschwein mit alldem zusammen, was zwar schön, aber eben auch schön teuer wäre in der Praxis? Die Antwort kann sich jeder selber zusammen reimen. Die liegt meiner Meinung nach auf der Hand.
Wie geht es wohl einem Schweinemäster,...
... sagen wir einem Jungbauern, der vor ein paar Jahren den Hof von seinen Eltern übernommen hat und auch den dazugehörigen Schweinestall (mitsamt den Schulden, die der letzte Umbau hinterlassen hat), beim Anblick seiner Schweine, wenn er sich deren marktmäßigen „Wert“ vergegenwärtigt? 15 Euro für ein ganzes Schwein! Muss das nicht frustrierend sein? Und für uns Schnitzelesser desillusionierend? Fällt da nicht das Idyll des Bauern, der ein paar Handvoll Schweine hält und davon leben kann, in sich zusammen? Ist hier nicht eine gewisse Masse an gehaltenen Tieren und Sparen-Müssen bei kostenintensiven Produktionsfaktoren eine logische Konsequenz? Und vom anderen Ende her gedacht ein Hauptgrund dafür, dass wir derart günstiges Schweinefleisch im Regal vorfinden?
Frage ich nach der Schuld, dem oder den Schuldigen an dieser Situation? Nein, das tue ich nicht! Weil ich weiß, dass das nichts bringt außer moralischer Entrüstung im Sich-selbst-aus-dem Schneider-Fühlen auf der einen („kritischer“ Konsument) und Sich-zu-Unrecht-auf-der-Anklagebank-sitzen-Fühlen auf der anderen Seite (kritisierter Bauer).
Was soll er denn tun, der Schweinemäster,...
... angesichts dieser Fakten? Er kann aufhören, klar. Das tun auch viele. Dafür werden andere größer. Vor allem im Ausland. Was aber, wenn er weitermachen will? Wenn er am Hof hängt und an den Schweinen, auch wenn ihm das viele nicht abkaufen wollen, dass er nämlich an den Schweinen hängt, wo er sie doch nur zu einem Zweck hält. Aber das ist eine andere Geschichte. Oder er hofft auf bessere Zeiten, oder wie die Branche sich ausdrückt: darauf, dass der Schweinezyklus sich dreht und der Markt wieder mehr abwirft. So wie momentan gerade, wo Millionen und Abermillionen von notgeschlachteten und verworfenen Schweinen im fernen China, den Schweinefleischpreis in die Höhe treiben. Bei der nächsten Abrechnung bekommt er mehr, der Bauer, für sein Schwein. Jetzt einmal. Wegen China und der Afrikanischen Schweinepest, die dort wütet und weltweit für einen Anstieg des Schweinepreises sorgt. Die (die Schweinepest) er, der Schweinebauer hierzulande, aber gleichzeitig fürchtet, wie der Teufel das Weihwasser. Weil sie in Tschechien und Ungarn vor der eigenen Haustür sozusagen lauert und vor ein paar Monaten auch den Sprung nach Belgien geschafft hat. Aber auch das ist eine andere Geschichte…
Und wir Schnitzelesser?
Was sollen wir denn tun, angesichts dieser mickrigen 15 Euro? Aufhören Schnitzel zu essen und fortan vegetarisch oder gar vegan leben? Das tun ja einige. Wobei zumeist wohl nicht wegen der 15 Euro, die den meisten Konsumenten ja nicht bekannt sind. Wie auch immer: Fleischverzicht ist eine Möglichkeit sich selbst über den eigenen Konsum sozusagen aus der ganzen Debatte herauszunehmen. Man kann dann sagen: Ich esse kein (billiges) Fleisch und bin also nicht mitverantwortlich dafür, dass der Bauer so wenig für sein Schwein bekommt. Ok, mag eine gewisse Logik haben. Dem Schweinbauern direkt helfen tut es nicht. Aber das ist auch nicht die Absicht der (meisten) Vegetarier und Veganer, deren Solidarität ohnehin eher dem Schwein als dessen Halter gilt.
Was aber, wenn wir Schnitzelesser weiterhin Schnitzel essen wollen – und die allermeisten wollen das? Dann haben wir zumindest die Gelegenheit uns über die Produktionsbedingungen in den unterschiedlichen Haltungsformen detailliert zu informieren - Land schafft Leben sei Dank:
Und wenn uns dann zum Beispiel die Freilandhaltung besser gefällt, dann können wir uns nächstens ein „Sonnenschwein-Schnitzel“ oder ähnliches leisten, wofür ein Norbert Hackl sicherlich mehr als nur 15 Euro pro Sau bekommt. Oder ein Bio-Schweinsschnitzel, oder eines aus den "Tierwohl+"-Programmen, die in letzter Zeit dabei sind, sich zu etablieren.
Oder wir bleiben, wie weit über 90 Prozent der Konsumenten, beim konventionellen Schwein. Dann aber, bitteschön, nicht gleichzeitig auf Facebook oder wo auch immer dem Bauern vorwerfen, dass er betäubungslos kastriert, seine Schweine auf Vollspaltenböden hält, kein Stroh einstreut usw. usw. usw. Weil dieser Bauer „verdiente“ 2018 gerade mal 15 Euro. Pro Schwein…