Apfelsaft „Made in Austria“?

25.10.2018 / Landwirtschaft & Lebensmittelproduktion, Essen & bewusster Konsum, Lebensraum & Nachhaltigkeit

Neben Orangensaft ist uns der aus Äpfeln gewonnene Durstlöscher der liebste. Heimische Produzenten loben ihre Produkte gerne mit dem Label „Hergestellt in Österreich“ aus. Bei weitem nicht immer heißt das auch schon, dass heimische Äpfel dafür verwendet werden. Besonders heuer überschwemmen billigste Industrieäpfel den europäischen Markt und heimische Bauern bleiben auf den ihren sitzen. Weshalb sich die Freude über satte Ernten nach den beiden Katastrophenjahren 16 und 17 bei vielen Bauern in Grenzen hält. Jammern aber, sagen alte Branchenfüchse, ist in dieser Situation kontraproduktiv. Zumal ein Teil des Problems hausgemacht sei… 

Normalerweise freuen sich Bauern über gute Ernten. Vor allem dann, wenn sie auf Durststrecken folgen. 200.000 Tonnen. Das ist die heurige Rekordernte, die aus Österreichs Apfelanbaugebieten gemeldet wird. 90 Prozent davon fallen auf die Steiermark. Klingt viel. Relativiert sich allerdings schnell, wenn man die 4,5 Millionen Tonnen dagegen hält, die alleine Polen 2018 auf den europäischen Markt wirft. Das ist das 22-fache der heimischen Ernte. Und in diesen Zahlen steckt sozusagen der Wurm im heurigen Apfel(jahr). Wobei man etwas genauer hinschauen muss. Weil eigentlich versteckt sich der Wurm in diesen Zahlen. Es braucht schon gute Kenner der heimischen Branche und der internationalen Marktsituation, um aus diesen Zahlen den wahren Wurm herauszuziehen. Zufällig kenne ich da ein paar. Und bei denen hab ich nachgefragt.

Auf einen heimischen Apfel kommen 22 polnische am internationalen Markt

Apfel ist nicht gleich Apfel. Klingt banal, ist aber für das weitere Verständnis entscheidend. Grob gesagt, teilt sich die Apfelernte eines professionellen Anbauers in Tafelobst und Industrieware. Ersteres landet im heimischen Supermarkt oder Diskonter oder im Export und erzielt ja nach Saison, Marktsituation und Produktqualität einen relativ „guten“ Preis.

Industrie- oder Pressobst...

 

...und zum Unterschied makelloses Tafelobst

 

Industrie- oder Pressobst, also Ware, die kein Mensch im Supermarkt kaufen würde, weil sie vor allem die optischen Qualitätsansprüche nicht erfüllt, wird einer anderen Bestimmung zugeführt und entweder direkt zu Saft gepresst bzw. weit häufiger zunächst zu Konzentrat eingedampft. Dieses Konzentrat nun ist ein global gehandelter „Rohstoff“. Auf sogenannten Spotmärkten treffen sich Herkünfte aus der ganzen Welt und matchen sich den Preis aus. Da beim Saft zumeist die Herkunft des Rohstoffs für die Vermarktung keine Rolle spielt, bedient sich die Industrie natürlich beim Billigstbieter. Auch hierzulande. Und da setzt die Kritik der heimischen Apfelwirtschaft an: Sie fordert zumindest ein Verbot von irreführender Kennzeichnung a la „Hergestellt in Österreich“ und bestenfalls eine Herkunftsangabe des Rohstoffes. Damit soll erreicht werden, was beim Tafelobst weit eher bereits der Fall ist: Der heimische Konsument soll auf die Herkunft Österreich sensibilisiert und im besten Fall eingeschworen werden. Was sich Apfelbauern indirekt davon erhoffen – nämlich einen deutlich höheren Preis für ihr Industrieobst –  liegt zwar auf der Hand, hat aber den logischen Haken, dass irgendwer dieses Plus würde bezahlen müssen. Klar, dass die Industrie wenig Interesse daran zeigt. Und ob der heimische Konsument seine „Loyalität“ mit den Apfelbauern beim Kauf von Apfelsaft sich etwas kosten lassen würde, muss jedenfalls in Frage gestellt werden. 

Aus Pressobst wird Konzentrat wird Apfelsaft...

 

Industrieäpfel erzielen also aufgrund der globalen Austauschbarkeit in aller Regel nur einen Bruchteil jenes Kilopreises, der für makellose Äpfel bezahlt wird. Praktisch alle Äpfel aus sogenannten Streuobstwiesen fallen unter die Rubrik Industrieware. Solche Streuobstwiesen zieren die Betriebe von vielen Bauernhöfen, deren Haupterzeugnisse nicht die Äpfel sind. Diese Bauern sind daher auch nicht unbedingt auf das Zubrot aus der Apfelsaftproduktion angewiesen. Anders die Situation beim „reinen“ Apfelbauern. Er lebt vom Apfel und für ihn ist daher entscheidend, wieviel von seiner Ernte er in welchem Preissegment versilbern kann. Je höher nun der Anteil von Industrieware an der Gesamternte, desto weniger wird dieser Teil für das Gesamtbudget erwirtschaften können. Vor allem dann, wenn der Markt übersättigt ist, wie es heuer der Fall ist. Und genau an diesem Punkt setzt die Kritik aus den eigenen Reihen an. Die steirischen Apfelbauern müssen sich die Frage gefallen lassen, dieser sehr vorhersehbaren Situation nicht früh genug strategisch entgegengewirkt zu haben. Indem sie es nämlich verabsäumt haben, dass einfach weniger Industrieobst in ihren Kulturen heranwächst. Durch konsequente Ausrichtung auf Qualität anstatt auf maximalen Ertrag. In unzweideutigen Worten bringt es einer der alten Hasen im Geschäft im Telefonat mit mir zum Ausdruck: „Pressobst hat in der professionellen Anlage nichts verloren“. Er nimmt auch das Wort „Gier“ in den Mund. 

Wer sein Geschäftsmodell zu sehr auf Export (die Hälfte der steirischen Ware muss exportiert werden!) und den Wettkampf mit polnischen Industrieäpfeln aufbaut, der bekomme jetzt einfach die Rechnung präsentiert. Polen und andere Apfelproduzenten können vor allem wegen den deutlich geringeren Personalkosten wesentlich billiger produzieren. Und Polen setzt ganz bewusst auf Masse. Zwei Drittel der polnischen Ware sind Industrieobst. All das war natürlich auch den heimischen Produzenten bekannt. Und trotzdem habe man dem jetzt sich abzeichnenden Supergau nicht vorgebeugt. Wer dergestalt konsequent Grundgesetze der Betriebswirtschaft missachte, indem er darauf hoffe, dass Missernten anderswo plötzlich Märkte frei machen, der brauche sich jetzt auch nicht beklagen und die Schuld bei anderen suchen. Und so sitzen viele auf ihrer auf Verdacht hin produzierten Industrieware, die keiner abnehmen will bzw. kann, weil die Pressen bereits am Anschlag arbeiten. Damit lässt sich nicht nur nix verdienen, sondern es entstehen Lagerkapazitätsprobleme und damit verbundene Kosten. So, die wenig gnädige, scharfe Analyse der (nicht nur momentanen) heimischen Apfelmisere. 

Wer jammert, dem musst was wegnehmen!

Und weil das noch nicht genug ist, lege ich noch eine kritische Stimme aus den eigenen Reihen oben drauf. Diese meint, sich in dieser zum Teil selbstverschuldeten Situation hinzustellen und lauthals via Medien zu verbreiten, dass die Preissituation miserabel ist, sei schlichtweg strategisch katastrophal. Bekannt zu geben, dass auch der Preis für Tafelobst auf Talfahrt ist – wie ein Marktbericht im September verlautete – setze dem Fass der Unklugheit sozusagen die Krone auf. Soweit ein anderer Insider im Gespräch mit mir, der schon viele Jahre im Geschäft ist und ein intimer Kenner auch der internationalen Branche. Er meinte dann noch treffend – die ersten Einkäufer hätten auf diese (Froh)Botschaft bereits reagiert. Was nützt es den Apfelbauern, wenn sie via Medien auf die Mitleidsdrüse bei den Zeitungslesern drücken und vielleicht beim Österreicher tatsächlich Mitleid auslösen? Beim Einkäufer lösen sie das Gegenteil aus. Dieser habe nämlich die alte „Bauernregel“ verinnerlicht: „Wer jammert, dem musst was wegnehmen!“