Außen pfui, innen hui - Müssen Äpfel makellos schön sein?

07.04.2016 / Essen & bewusster Konsum

Wie erkenne ich äußerlich die Qualität von Äpfeln? Und erkenne ich innovative Bio-Verpackungen überhaupt? Wie unser gelerntes Kaufverhalten unsere Kaufentscheidung beeinflusst. Und oft nicht zum Besten! Eine Art unfreiwilliger „Selbstversuch“ aus dem Land schafft Leben Arbeitsalltag.

Beim Thema Pflanzenschutz denk' ich mir immer wieder, was ist da wirklich notwendig, weil erntesichernd und was dient „nur“ der Produktkosmetik: also dem „schönen“, dem „makellosen“ Äußeren, das uns Konsumenten scheinbar so wichtig ist. „99 Prozent nehmen den schöneren Apfel. Das haben wir so gelernt.“... behauptet zumindest der Sprecher einer deutschen Supermarktkette – den ganzen Beitrag dazu findest du hier:

Da fällt mir dieser Apfel ein, den ich tags zuvor gekauft habe. In einem Vierer Bio-Pack. Sorte Topaz. Ich wollt schon zu einer anderen Packung greifen, weil die vier Äpfel nicht makellos aussahen. Alle hatten sie kleine „Macken“. Das wär mir noch egal gewesen. Aber einer hatte einen satten großen grauen Fleck. Ich dachte mir sofort, das ist eine Druckstelle. Der ist faul. Und jetzt wollt ich‘s wissen und drückte drauf. Tadellos fest. Na dann, gekauft.

 

Kleinere Macken, "verdächtige" Flecken - Bio Äpfel aus dem Supermarkt

 

Jetzt zeig' ich den meinen Kolleginnen und frag' sie, ob der bei ihnen eine Chance gehabt hätte. Eher nein, die Antwort. Wir wundern uns alle ein wenig, wie es dieser Apfel überhaupt ins Regal geschafft hat. Normalerweise landen solche „Mängelexemplare“ bestenfalls in der Saftpresse. Eine Kollegin meint, na weil eben Bio. Dem Bio Kunden sei das nicht so wichtig, das Äußere. Dafür die Gewissheit, dass da nicht künstlich nachgeholfen wird. Das sei ja quasi der Beweis dafür, dass man sich das erspart habe. Möglich. Obwohl: auch Bio-Ware kommt in aller Regel nur bei makellosem Äußeren in den Handel. Deshalb ist der Anteil an „Ausschuss“ bei Bio noch höher. Weil dort eben nicht chemisch-synthetische Mittel eingesetzt werden gegen rein optische Mängel verursachende „Schädlinge“ bzw. „Krankheiten“. Wenn Supermärkte solche Waren schon mal ins Sortiment nehmen, dann unter besonderer Kennzeichnung und eventuell verbunden mit Preisnachlass.

 

99 Prozent nehmen den schöneren Apfel. Das haben wir so gelernt.

 

Unser Kaufverhalten ist „gelernt“. Wir lernen nur sehr schwer um

Aber selbst gesonderte Kennzeichnung und Preisnachlass haben im Moment der Kaufentscheidung keine Chance gegen unser „gelerntes Kaufverhalten“. Das ist auf „makellos“ dermaßen konditioniert, dass wir alles andere links liegen lassen. Und deshalb muss der Bauer auch „liegen lassen“. Nämlich auf seinen Äckern und Obstgärten. Und zwar satte 20 bis 40 Prozent seiner qualitativ und geschmacklich tadellosen mit großem Aufwand produzierten Obst- und Gemüseernte! Da ist doch was faul dran und nicht an meinem Apfel mit dem Fleck, der die Druckprobe bestanden hat. Und erst recht dann die Geschmacksprobe. Der schmeckt nämlich super saftig und schön säuerlich, wie ich es liebe.

Während ich mich herzhaft in meinen Mängel-Apfel verbeiße, geht unser Gespräch weiter und wir kommen zum Thema Verpackung. Kollegin Raphaela, unsere „Nachhaltigkeitsexpertin“ zu mir: „Na bei deinen Bio-Äpfeln fällt wenigstens kein Müll an. Alles recyclebar oder überhaupt Kompost. Das find ich super!“ Darauf ich: „Naja bis auf die Plastikhülle halt…“  Da muss sie lachen, unsere Nachhaltigkeitsexpertin, und klärt mich darüber auf, dass die „Plastikhülle“ gar nicht böses Plastik ist, sondern ein komposttierbares Zelluloseprodukt, also praktisch aus Holz. Drauf ich: „Das weiß aber kein Schwein, da wette ich. Ich jedenfalls hab keine Sekunde lang gezögert und das Plastik ‚brav‘ in den Plastikmüll getan“. „Na du bist gut …“ meint die Kollegin „steht ja groß drauf“. Drauf ich: „Weil das wer liest! Das schaut astrein aus wie Plastik und landet deshalb zu 99 Prozent sicher dort, oder überhaupt im Restmüll bei den Mülltrennungsmuffeln“. Sie schüttelt nur mitleidig und milde den Kopf, unsere Nachhaltigkeitsexpertin, während ich mir denk: siehst du, Junge, wie schwer gewohntes Verhalten doch abzuändern ist:

  • Da „erkennst“ du scheinbar beim ersten Hinsehen schon eine Druckstelle und willst den Apfel schon ungeprüft liegen lassen – Fehler Nr. 1, wie sich heraus stellt. Und das nur, weil dein Auge Ungewohntes sofort ablehnt...
  • Und die Verpackung drüber „erkennst“ du sofort als Plastik. Nur weil dein Auge „Gewohntes“ optisch sofort zuordnet. Fehler Nr. 2, der nur durch die Intervention deiner Kollegin „augenfällig“ wird…

 

Trotz Aufdruck schwer als Kompost erkennbar. Sieht aus wie Plastik = Plastik – so der Trugschluss

 

 

Und noch ein Beispiel von dysfunktionaler Gewohnheit. BIO Verpackung bleibt unerkannt, weil optisch wie Plastik

 

Jetzt mal ehrlich:

  • Hättest du solche Äpfel gekauft?
  • Wusstest du, dass es kompostierbares „Plastik“ gibt?
  • Falls nicht: Hättest du die Folie als biologisch abbaubar „erkannt“?
  • Wo entsorgst du letztlich die kompostierbare Folie?