„Bauer Unser“ – eine Empfehlung fürs Kino
11.11.2016 / Landwirtschaft & Lebensmittelproduktion, Essen & bewusster Konsum
Eine Doku über den Ist-Zustand der heimischen Landwirtschaft kommt ab heute in die heimischen Kinos, nachdem sie schon im Vorfeld einigen Staub aufgewirbelt hat. Ich hab mir den Film im Rahmen einer Preview angeschaut und empfehle ihn ausdrücklich! Das heißt nicht, dass ich mit allem einverstanden wäre, was der Film so an aus- und unausgesprochenen Botschaften verbreitet. Als Diskussionsbasis, gespickt mit provozierenden und verstörenden Statements, hat er aber zweifellos seine Meriten.
Wenn ein Bauernsohn, der längst erfolgreich Filme macht, in seinem Metier ein Portrait der bäuerlichen Landwirtschaft zeichnet, was kommt dabei heraus? Robert Schabus ist auf einem Kärntner Bauernhof aufgewachsen. Die Affinität zu dieser seiner Herkunft ist spürbar. Im Anschluss an die Preview meinte der Regisseur, seine Intention sie es gewesen, die Bedeutung des Bauern, die weit über die Lebensmittelproduktion hinaus gehe, zu würdigen. Nicht in geschönten Bildern und Statements, sondern in der prekären, gefährdeten Situation, in der sich so viele bäuerliche Betriebe gegenwärtig befänden. Auch habe er die "dunklen" Hintergründe dieser Situation ein wenig ausleuchten wollen. Ersteres ist ihm meines Erachtens sehr gut, letzteres mit Einschränkungen gelungen.
Was sind die Stärken des Films?
- Eine stille, oft traurig eingefärbte Liebe zur bäuerlichen Landwirtschaft. Diese prägt und trägt den ganzen Film und das ist gut so, ist vielleicht überhaupt das Beste an ihm.
- Die Bilder, die ungeschönt die Ist-Situation in modern geführten heimischen Bauernhöfen zeigen und diese mit den dazugehörigen Statements von Bauern (leider nur eine Bäuerin!) verbinden.
- Das Ausmaß an Entfremdung zur heutigen Landwirtschaft und den vor und nachgelagerten Bereichen der Lebensmittelproduktion bzw. -industrie, welches diese Bilder wahrscheinlich dem durchschnittlichen Konsumenten drastisch vor Augen führen.
- Die vielen Fragen, die er dadurch aufwirft. Diese könnten als Ausgangspunkt für eine intensivere Beschäftigung und für einen Dialog mit dem „Bäuerlichen“ dienen.
- Die Erwähnung der Heterogenität innerhalb der heimischen bäuerlichen Landschaft. Das Aufzeigen des darin liegenden positiven Potentials an Hand (mindestens) zweier Beispiele.
- Wohltuend empfinde ich den Verzicht auf eine allwissende Voice-Over, die die Aussagen der Protagonisten kommentiert, wie es üblicherweise in Dokus passiert, und der damit verbundene unausgesprochene Aufruf ans Denkorgan des Zusehers: „Mach dir selbst dein Bild!“.
Was sind die Schwächen des Films?
- Dass er zwar so tut, als hätte er keine Tendenz, diese aber schon durch die Auswahl der Protagonisten unvermeidlich in den Film gerutscht ist.
- Beispielsweise sind alle drei EU-Parlamentarier, die sich wortgewaltig mit Statements im Film wieder finden, Grüne und zwar einschlägig bekannte grüne „Aktionisten“. Damit sei die Relevanz ihrer Aussagen und die darin ausgedrückte fundamentale Kritik am gegenwärtigen System noch nicht kleingeredet. Was mir aber fehlt, sind kritische Stimmen zur Kritik der Grünen und zu ihren nach meinem Dafürhalten simplifizierenden Lösungsansätzen und Ausstiegsszenarien.
- Andererseits kommen die Vertreter „des Systems“ in ihren Wortmeldungen durch die Bank schlecht weg. Allen voran EU-Agrar-Kommissar Phil Hogan, der völlig konträr zur düsteren Grundstimmung des Films der europäischen Landwirtschaft eine blühende Zukunft verheißt. Oder auch Österreichs Landwirtschaftsminister Rupprechter, der sich mit der lapidaren Aussage zitiert findet, dass die Landwirtschaft am Markt angekommen und dies da und dort schmerzhaft sei… Mit derlei Aussagen stehen sie im Umfeld des ganzen Films mehr als dumm da. Ob sie das verdient haben oder nicht, lasse ich dahin gestellt. Es ist nach meinem Dafürhalten jedenfalls gewollt und deshalb tendenziös geschnitten.
- Damit gerät der an sich sehr gut gemachte Film in die gefährliche Nähe üblicher Schwarz-Weiß-Malerei und Simplifizierungen von hochkomplexen Sachverhalten. Etwas, was der begrüßenswerten Absicht des Regisseurs, genau dies zu vermeiden, zuwider läuft. Das ist auch deshalb Schade, weil der Applaus, den der Film dadurch beim unwissenden Publikum zweifellos haben wird, konterkariert wird durch ein verstörendes Gefühl das – vermutlich! – die allermeisten Bauern und Brancheninsider haben werden. Und das obwohl ganz augenscheinlich großes Wohlwollen vonseiten des Regisseurs dem Bauernstand gegenüber in dieses filmische Portrait mit eingeflossen ist.
„Mach dir selbst dein Bild!“ das wäre meines Erachtens die wichtigste Botschaft von „Bauer Unser“. Ich hoffe sie wird gehört. Ich möchte zum Ende trotz meiner geäußerten Vorbehalte noch einmal den Besuch dieses Filmes empfehlen. Sein positives Potential überwiegt nach meinen Eindrücken doch ganz eindeutig. „Bauer Unser“ – eine Empfehlung!