Das Land, wo Milch und Honig fließen – ein paar Gedanken zum Weltmilchtag
01.06.2019 / Landwirtschaft & Lebensmittelproduktion, Essen & bewusster Konsum
Das Land, wo Milch und Honig fließen gilt der Bibel als Synonym für das von Gott seinem Volk verheißene Land. Das Land, wo kein Hunger herrscht sondern Überfluss, das gelobte Land. Das Land Kanaan, nach dem die der Sklaverei in Ägypten entflohenen Israeliten dürsten auf ihrem langen Weg durch die Wüste. Hier und heute in unserem Supermarktschlaraffenland mit unserer Alles-überall-und-jederzeit-Mentalität ist diese Metapher vielleicht gar nicht mehr verständlich?
Milch fließt in Österreich im Überfluss, an Honig mangelt es nicht – auch wenn wir den zur Hälfte importieren. Milch exportieren wir dafür – und nicht zu knapp. Milch und Honig fließen also in unserem Land, in es hinein und aus ihm hinaus. Fühlen wir uns deshalb im „gelobten Land“, im „Land der Verheißung“? Sind wir Gott dankbar dafür? Den Bauern, den Kühen, den Honigbienen?
Seien wir ehrlich: Im Land, wo Milch und Honig fließen, ist man niemandem so wirklich dankbar dafür. Eher im Gegenteil! Die „Milchindustrie“, die „Milchlobby“, die „Massentierhaltung“ von „Turbokühen“, wenn es nach Veganern geht auch jene von Honigbienen, stehen immer wieder in der Kritik. Berechtigte Kritik zum Teil, gewiss: immer noch zu einseitige Zucht auf Hochleistung, damit verbunden immer noch rückgängige Nutzungsdauer sowie teils hinterfragbare Fütterungs- und Haltungsbedingungen, das von den Tierschutzorganisationen immer wieder thematisierte Problem „wohin mit den männlichen Kälbern?“ - um nur die bekanntesten Kritikpunkte zu nennen. Da sind alle Beteiligten gefordert und ich weiß, dass es hierfür ein Problembewusstsein und auch bereits Anstrengungen in der Branche gibt die Probleme anzugehen. Die Mühlen der Veränderung lang etablierter Praktiken mahlen freilich auch hier wie überall sonst eher langsam und sie mahlen, wenn sie es tun, oft genug gegen den mächtigen Strom ökonomischer Überlegungen. Ihr Wasser müssen sie sich schon von woanders herleiten.
Seien wir ehrlich: Im Land, wo Milch und Honig fließen, ist man niemandem so wirklich dankbar dafür.
Apropos „woanders“: Liegt nicht das Ur-Problem, die Mutter aller Probleme, die wir mit der Milch haben und die die Milchbranche (als Teil der ganzen Lebensmittelbranche) mit uns kritischen Konsumenten hat woanders? Nämlich darin, dass uns die Bedeutung so gar nicht mehr fühlbar ist, die im zitierten Bibelwort einer reichlich fließenden Milch zukommt? Dass es nämlich an sich gut sei, dass Milch ausreichend fließt, dass es ein Segen sei, ein Zeichen dafür, dass es Gott (für Atheisten als Vorschlag: die von Menschenhand kultivierte Natur) gut mit uns meint.
Milch, Butter, Käse, Joghurt, Topfen usw. usw. all diese Milchprodukte und dass sie uns das ganze Jahr über, in Top-Qualität und zu an sich unfassbar günstigen Preisen zur Verfügung stehen, erzeugt in uns keine Dankbarkeit, erzeugt nicht das Gefühl in einem „gelobten Land“ zu wohnen. Selbstverständlich ist das alles. Keines Gedankens würdig. Höchstens eines des kritischen Überdrusses, der aus dem Überfluss heraus geboren, diese Segnungen in Bausch und Bogen in Frage stellt. Dann wird aus dem gelobten Land, wo Milch und Honig fließen schnell ein Land und eine Landwirtschaft, wo Tiere gequält werden und aus der reichlich fließenden Milch wird kein Segenszuspruch eines gütigen Gottes sondern fast schon so etwas wie Gift…
Dass es nämlich an sich gut sei, dass Milch ausreichend fließt, dass es ein Segen sei...
Für mich ist und bleibt Milch (und Butter und Käse usw.) eines der wunderbarsten, nahrhaftesten und wohlschmeckendsten Geschenke Gottes/der Natur an uns. Wer sich von dieser Seite her und gleichsam in Rückbesinnung auf das Bibelwort der Milch nähert, dem wird die Milch wertvoll. Und alle Fragen an die Milch, wie sie gewonnen wird, wo sie herkommt, wer sie wie wozu weiterverarbeitet usw. gewinnen an Bedeutung. Und damit gewinnt der Bauer, der Kühe melkt, an Bedeutung, die Kuh selbst, dieses so großartige und großzügige Geschöpf wird erkannt als das, was sie ist - wertvoll. Und jene kritischen Fragen, die sich an die Milch knüpfen, bekommen für den, der sich von dieser Seite her annähert, einen ganz anderen Spin. Einen, der sich nach oben dreht nämlich anstatt wie so häufig heute und scheinbar unaufhaltsam nach unten. Davon bin ich zu tiefst überzeugt.
Für mich ist und bleibt Milch (und Butter und Käse usw.) eines der wunderbarsten, nahrhaftesten und wohlschmeckendsten Geschenke Gottes/der Natur an uns.