Der Wolf ist zurück
31.08.2018 / Landwirtschaft & Lebensmittelproduktion, Lebensraum & Nachhaltigkeit
Von den einen enthusiastisch gefeiert, von den anderen mit großer Skepsis bis Angst betrachtet: Die Rückkehr des Wolfes in heimische Gefilde. Das zurzeit vielleicht am emotionalsten geführte Match zwischen Natur- und Umweltschützern auf der einen und Bauern und Jägern auf der anderen Seite. Jedenfalls gehen die Wogen hoch und die Diskussionskultur runter. Wir haben einen nahen Verwandten aus dem Tierreich dazu befragt, Herrn Reineke Fuchs…
Wenn ein Fuchs über den Wolf schreibt…
dann ist natürlich zunächst Vorsicht angebracht. Die eingefleischte Feindschaft zwischen unsereinem und Gevatter Isegrimm ist ja nachgerade fabelhaft. Und zugegeben: Nicht nur einmal haben meinesgleichen mit List und Tücke dem schwerfälligen Wolf böse mitgespielt. Die Geschichten vom eingefrorenen Wolfsschwanz und steckengebliebenen Wolfswanst kennt jedes Kind. Was kann also herauskommen, wenn ich jetzt als erfolgreicher Kulturfolger über die Rückkehr meines wilden Verwandten in zivilisierte Gegenden räsoniere? Wohl kaum etwas Gutes…
Und um das Folgende zu spoilern: Ja, da wird nicht viel Gutes rauskommen. Ich, der Fuchs kann nicht viel Gutes darin erkennen, in der von so manchem Naturschützer wärmstens begrüßten Rückkehr des Wolfes. Mir persönlich und meinen Artgenossen kann es ja im Grunde egal sein. Ich jage in ganz anderen Revieren und ich jage ganz anderes. Mäuse und ähnliches Kleingetier vor allem. Die paar Hasen, die nicht schnell genug waren, fallen kaum ins Gewicht. Und wenn ich schon mal ausnahmsweise in Hühnerställen räubere, dann hat mich der Besitzer selbst durch seine Unachtsamkeit dazu eingeladen. Dass ich mich, wie das Lied es immer noch haben will, auch an Gänsen vergehe, ist übrigens längst als üble Nachrede entlarvt. Haben doch Versuche gezeigt, dass der Ringkampf Fuchs gegen Gans mit technischem KO zugunsten der letzteren ausgeht. Kurz: ich weiß mich so annähernd zu benehmen und die Krone der Schöpfung nimmt nicht weiter Anstoß an mir, obwohl er mich natürlich ob meiner Fruchtbarkeit und meiner erfolgreichen Nachzuchtarbeit doch auch bejagt und – so fair bin ich – wohl auch bejagen muss. Wir Füchse wissen das und haben damit umzugehen gelernt. Natürlich bedauern wir jeden Bruder, jede Schwester, die der Flinte zum Opfer fällt, aber wir sorgen uns nicht um unsere prosperierende und so erfolgreich neben König Mensch koexistierende Familie. Ich habe mich also mit dem Menschen arrangiert, mich an den Säumen seines Königreichs und teils auch mittendrin, in Städten zum Beispiel, wo ich nächstens herumschnüre, fest etabliert. Und genau diese Meisterleistung traue ich meinem Gevatter Isegrim nicht zu.
Oh, oft schon habe ich das gesehen, wie die Schafe, wie die Kälber da rumliegen, angeknabbert. Kein schönes Bild.
Gewiss, er ist natürlich ein ganz anderes Kaliber, der Wolf.
Mit Mäusen nicht leicht satt zu kriegen. Und er hat die Möglichkeiten sich auch in größeres zu verbeißen. Und das tut er halt auch. Dort, wo er dabei dem Menschen nicht ins Gehege kommt, macht er das sehr erfolgreich. Dort spielt er die von Naturschützern jetzt immer wieder bemühte Rolle als wichtiges Glied im natürlichen Haushalt, als Gehilfe der Selektion, dem kranke und schwache Individuen zum Opfer fallen und der auch Aas nicht verschmäht. „Dort“ sage ich, dort ist er bestens aufgehoben. Dort, in den abgelegen Wäldern und weitläufigen Naturreservaten fällt seinen unwissenden menschlichen Sympathisanten auch nicht auf, dass seine Art zu jagen etwas recht „inhumanes“ hat, wenn ich das so sagen darf. Dass er Tiere zu Tode hetzt, dass er sich mitunter nicht lange damit abgibt, seine Beute mit Kehlbiss zu töten, sondern sie bei lebendigem Leibe anknabbert. Und wie das „hier“ aussieht, hier in den zivilisierten, vom Menschen und seinen Nutztieren bewohnten Gefilden, wenn ein Wolf, wenn Wölfe diese vermeintlich paradiesischen Jagdgründe durchziehen, das habe ich gesehen. Oh, oft schon habe ich das gesehen, wie die Schafe, wie die Kälber da rumliegen, angeknabbert. Kein schönes Bild. Ich muss gestehn, ich kenne das ein bisschen von mir selbst. Wenn es mir schon mal gelingt, in einen schlecht gesicherten Hühnerstall einzubrechen, dann Gnade Gott den Hühnern – das ist ein göttliches Gemetzel, da krieg ich mich nicht recht ein. Und schließlich will ich ja auch keine Zeugen übrig lassen. Ähnlich wird das bei meinem Verwandten sein: Dieser Blutrausch, wenn die Schafe sich vor einem aufpflanzen, wie im Selbstbedienungsladen, dann Gnade ihnen Gott. Kein schönes Bild wie gesagt. Und kein seltenes mehr, wie es die Wolfsliebhaber allerorten dennoch behaupten.
Ich weiß schon, die eingeschworene Fangemeinde von Canis lupus...
...macht dafür den Menschen verantwortlich, indem nämlich, wie sie sagt, die Halter dieser Weidetiere ihre Tiere nur besser gegen die Wölfe schützen müssten. Mit ausgebildeten Hütehunden beispielsweise oder indem sie selber wieder vermehrt Hirten stellen, die ihre Schafe und Rinder auf der Alm oder in den ausgedehnten Heiden, wo es noch Wanderschäfer gibt, rund um die Uhr bewachen. Da muss ich kein schlauer Fuchs sein, um zu erkennen, dass das nicht hinhauen wird. Nicht bei uns. Viel zu wenige Menschen, die die Früchte der modernen industriellen Arbeitsteilung genießen, werden sich dafür bereitfinden. Was ich jetzt schon beobachte, ist das genaue Gegenteil: Die wenigen Idealisten, die sich noch auf Almen und Heidegegenden dem Hirtenberuf verschrieben haben, drohen wegen dem Wolf die Flinte ins Korn zu werfen. Und die Sache mit den Hütehunden hat gleich mehrere Haken. So schön sie anzusehen sind und so elegant diese Lösung klingt, sie ist zum einen teuer: So ein Hund kostet schon mal ausgebildet 2500 Euro und er frisst auch nicht gerade wenig und will dann auch das ganze Jahr über beschäftigt und gefüttert sein und nicht nur die drei, vier Monate Almzeit. Außerdem sind solche Hunde allem gegenüber, was sich ihrer Herde nähert ziemlich aggressiv. Ich hab da so meine schlechten Erfahrungen, obwohl Weidetiere ja überhaupt nicht in mein Beuteschema passen. Aber das weiß der Hirtenhund nicht und entsprechend reagiert er, wenn ich oder ein anderer harmloser Kanide oder auch dessen Herrchen oder Frauchen seiner Herde zu nahe kommt. Da steckt also überall großes Konfliktpotential, so glaub ich sagen meine Menschenfreunde dazu, und „Zielkonflikte“ – du siehst ich bin eben wirklich ein gebildeter Fuchs – sind vorprogrammiert. Und zwar solche der eher unlösbaren Art, wenn du mich fragst. Aber, wie ich schon eingangs erwähnte: Wenn ein Fuchs über den Wolf schreibt, ist Vorsicht geboten.
Die wenigen Idealisten, die sich noch auf Almen und Heidegegenden dem Hirtenberuf verschrieben haben, drohen wegen dem Wolf die Flinte ins Korn zu werfen.
Fairerweise möchte ich wie folgt mein Räsonnement schließen: Sollte Gevatter Isegrim es lernen, ähnlich wie ich es gelernt habe, ein Gentleman-Agreement mit dem Menschen einzugehen, mit dem beide gut leben können, dann freut es mich aufrichtig. Vielleicht geht es ja auch. Ganz sicher wird es dazu notwendig sein allzu frechen Wölfen, die dieses Zukunftszenario jetzt schon durch ihr gieriges, räuberisches, in den geschützten Menschenbereich einbrechendes Verhalten unterlaufen – ich glaube der Mensch nennt sie „Problemwölfe“ ;-) – einen vor den Latz zu knallen. Aber das werden die lieben Wolfsliebhaber zu verhindern wissen und so wird genau deren Wolfsliebe in weiterer Folge zum Sargnagel dieser andernfalls möglichen Koexistenz. Wetten?