Es gibt noch ehrliche Tiroler: Tirol-Milch, weil’s wahr ist
14.03.2017 / Landwirtschaft & Lebensmittelproduktion
„Tiroler Gröstl“ im TirolBerg bei der Schi-WM – mit deutscher Herkunft? „Tiroler Berglamm“ im Tiroler Vorzeigesupermarkt – aus Neuseeland? Was ist los im heiligen Land? Als Tiroler erinnert mich das ein bisschen an die berühmte Szene aus dem berüchtigten vierten Teil der Piefke-Saga, wo Sattmanns endgültig drauf kommen, was alles unter der Tiroler Tünche versteckt wird. Im wunderschönen Wald spazierend, bemerken die ohnehin leidgeprüften deutschen Tirol-Fans urplötzlich fauligen Müll und Ratten unter dem nur für Touristen ausgerollten Tirol-Teppich. Das hat damals in den 90ern für ernsthafte Verstörung gesorgt und der Autor Felix Mitterer wurde der übelsten Nestbeschmutzung und der hysterischen Übertreibung beschuldigt. Aber hatte er so Unrecht? Tirol als Label verkauft sich gut. Der Anreiz zum Etikettenschwindel scheint immer wieder mal stärker als das Bekenntnis zum markigen Leitspruch „Bei meiner Ehr!“.
Zustände wie in der Piefke-Saga? Lug und Trug unter Tiroler Tünche?
Tirol Milch: Wir sind Tirol, weil's wahr ist! Ist's wahr?
Bergbauern und ihre Milchkühe und die Heumännchen und die Almen und die Sennerinnen und der gute Käse, und und und – alles immer noch bemühte und beliebte Marketingsujets. Der mit Abstand größte Milchverarbeitungsbetrieb im Land, den rund 3000 Tiroler Familienbetriebe beliefern, heißt daher nicht von ungefähr „Tirol Milch“. „Wir sind Tirol, weil’s wahr ist.“ Plaketten mit diesem Slogan prangen für jeden sichtbar auf Tausenden Tiroler Bauernhäusern. Dabei wurde die Tirol Milch im Jahr 2010 nach gehörigen wirtschaftlichen Turbulenzen in die Berglandmilchgruppe eingegliedert, dem größten österreichischen Molkereiverband mit Sitz in Wels. Und seither wollen Gerüchte im fernen Westen nicht verstummen, wonach in Tirol Milch-Produkten auch Milch aus anderen Bundesländern verarbeitet wird. Ein No-Go für den gestandenen Tiroler!
Auch so mancher Milchbauer, welcher nicht (mehr) an die Tirol Milch liefert, befeuert diese Gerüchte indem er sie öffentlich schürt. So geschehen unlängst im Rahmen eines Vortrags, den unser Obmann Hannes Royer in Kitzbühel gehalten hat. Dieser lud unter dem provokanten Titel "Regional, saisonal, alles egal?" zur anschließenden Diskussion ein. In diese brachte sich ein anwesender Milchbauer mit dem Statement ein, dass die Tirol Milch systematisch Etikettenschwindel betreibe und man sich nur bei anderen Tiroler Milchverarbeitern, welche er namentlich anführte, sicher sein könne, dass auch Tirol drin sei. Ich war einigermaßen verblüfft über die direkt geäußerte Bezichtigung. Als Tiroler interessiert mich die Sache natürlich und jetzt wollte ich es genau wissen.
In Tirol Milch-Produkten auch Milch aus anderen Bundesländern?
Was ist dran an diesen Verdächtigungen?
„Nichts!“ Versichert mir Tirol Milch Obmann Stefan Lindner im Gespräch: „Wo Tirol Milch drauf steht ist auch 100 Prozent Tiroler Milch drinnen, egal ob in der Trinkmilch, im Joghurt, Topfen oder in unseren vielen Käsespezialitäten. Alles andere wäre unseren Milchbauern genauso wie unseren Kunden gegenüber absolut unverantwortlich.“ Die Übernahme durch die Berglandmilch damals vor sieben Jahren sei richtig gewesen, wenngleich innerhalb der Genossen nicht unumstritten meint Lindner, der neben seiner Obmannfunktion zusammen mit seinem Bruder einen Milchviehbetrieb im Tiroler Unterland führt. (Zur Erklärung: Die Tirol Milch, wie auch die Berglandmilch sind wie übrigens die meisten österreichischen Molkereien genossenschaftlich strukturiert. Das heißt die Milchbauern sind de facto Besitzer ihrer jeweiligen Verarbeitungsunternehmen)
Tirol Milch Obmann und Milchbauer Stefan Lindner mit seinem "Mitarbeiternachwuchs"
Dem Tiroler „Nationalstolz“ habe das zwar nicht geschmeckt, aber die unternehmerische Notwendigkeit der damaligen Entscheidung werde mittlerweile von niemandem mehr bestritten, so Lindner weiter. Andernfalls wäre das Milchbauernsterben im Gebirgsland noch wesentlich schneller von statten gegangen. So aber habe man am Markt bestehen können.
Jetzt habe ich von einem oberösterreichischen Milchbauern, welchen ich im Zuge unserer Dreharbeiten zum Weg der Milch in Österreich interviewte, erfahren, dass dessen Milch zu bestimmten Zeiten nach Tirol zur weiteren Verarbeitung gefahren wird. Darauf angesprochen erwidert Lindner: „Natürlich kam es durch die Zusammenlegung auch zu Umstrukturierungen in den Produktionsstandorten und -abläufen. Das ist selbstverständlich und völlig branchenüblich. So erklärt sich der Umstand, dass am Tiroler Standort in Wörgl auch Milch aus anderen Bundesländern verarbeitet wird. Ganz normale Kapazitätsauslastung.“ Die daraus hergestellten Produkte tragen aber nicht das Tirol Milch Label und gehen in den Export. Insgesamt beträgt die Exportquote an die 50 Prozent, womit man im österreichischen Schnitt liegt.
Persönliche Nachbetrachtung
Ich habe neun Sommer auf Tiroler Almen verlebt. Die besten Sommer meines Lebens. Mit Tiroler Kühen und Jungtieren von Tiroler Bauern. Ich habe mich und sehr viel harte, aber schöne Arbeit, Hektoliter von Schweiß in eine mehrhundertjährige Tradition eingebracht. Ich habe die Bauern kennen und schätzen gelernt (die meisten von ihnen zumindest) und ich weiß, wie sehr sie oft ebenfalls an dieser schönen Tradition hängen und gleichzeitig wissen, dass sie massiv bedroht ist.
Ich hege keine Vorliebe für irgendeines der Tiroler Milchverarbeitungsunternehmen. Es gibt neben der Tirol Milch noch andere, kleinere. Soweit ich das beurteilen kann, arbeiten alle recht erfolgreich und sind dabei, ihre jeweilige Nische gut auszugestalten und abzusichern. Ich weiß aber auch, dass es wie insgesamt im Milchbusiness einen harten Wettbewerb gibt. Ich kann nur hoffen, dass bei aller Konkurrenz, das gemeinsame Ziel, eine große Tradition weiter zu schreiben, nicht auf der Strecke bleibt.