Hauptsache g’sund?

24.08.2018 / Ernährung & Gesundheit

Ernährungsexperten konzentrieren sich beim Thema „Essen“ oft ausschließlich auf gesundheitliche Aspekte und lieben das Analysieren von Kalorien und Vitaminen. Ich komme auch aus dieser Schiene und habe eine Weile benötigt, um über den Tellerrand hinauszublicken. Ja, Essen soll uns selbstverständlich gesund und leistungsfähig halten – aber Essen ist so viel mehr: Essen soll Genuss sein, Essen ist Teil einer Kultur, Essen hat einen Einfluss auf unsere Umwelt und auf die globale Wirtschaft. Und die Kombination aus all diesen Aspekten hat sogar einen Namen: Ernährungsökologie oder – was mir wesentlich besser gefällt – nachhaltige Ernährung. Klingt ziemlich schwierig, alle diese Aspekte im Einkaufswagerl zu berücksichtigen. Kann das überhaupt gehen? 

Ja, ich kann pflanzliche Lebensmittel bevorzugen.

Kein Mensch braucht tierische Lebensmittel in seiner Ernährung um gesund zu bleiben. Dennoch bin ich keine Vegetarierin oder Veganerin - ich esse ich gerne Fleisch und es schmeckt mir. Aber es ist etwas Besonderes für mich und landet eben nur ganz selten auf meinem Teller. Und wenn, dann gebe ich gerne mehr Geld dafür aus, damit die Qualität passt. Pflanzliche Lebensmittel halten mich länger satt, bei wenigen Kalorien und die Auswahl an Rezepten, die sich daraus zaubern lässt, ist unendlich. Das Gesundheitsargument bekommt in diesem Punkt wahrscheinlich noch die höchste Gewichtung, denn pflanzlichen Lebensmitteln den Vortritt zu lassen, ist definitiv vorteilhafter für unsere körperliche und geistige Fitness.

Und nach Möglichkeit kann ich zu BIO greifen.

Warum? Der Vitamin- und Nährstoffgehalt ist nicht der Grund – der ist bei biologisch und konventionell produzierten Lebensmitteln ähnlich. Ich meine den natürlichen Kreislauf, die Biodiversität, die Bodenfruchtbarkeit. Ich meine die Tierhaltungsbedingungen. Und ich meine den Verzicht auf den Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden. Ein Griff zu Bio bedeutet zudem weniger Zusatzstoffe. Künstliche Farbstoffe, Süßstoffe, Stabilisatoren und Geschmacksverstärker dürfen gar nicht eingesetzt werden. Meinem Gewissen schmeckt das besser. Kann ein BIO-Produkt ohne Zusatzstoffe nicht hergestellt bzw. haltbar gemacht werden, erlaubt die EU-Bioverordnung zumindest nur rund 50 der insgesamt 300 für die konventionelle Lebensmittelproduktion zugelassenen Zusatzstoffe.

 

Warum Bio? Meinem Gewissen schmeckt das besser.

Ich kann nach Regionalem und Saisonalem Ausschau halten.

Auch hier ist der Gesundheitsaspekt für mich untergeordnet. Obst und Gemüse aus der Region und Saison schmecken sicherlich oft intensiver, da sie in der Regel reif geerntet werden und durch kurze Transportwege Nährstoffe weitgehend erhalten bleiben. Aber viel wichtiger: Der Griff zu heimischen Lebensmitteln stärkt und sichert die Struktur der bäuerlichen Landwirtschaft und eine Transparenz sowie Bewusstseinsbildung für uns alle ist einfacher zu gestalten. Und wenn man saisonal isst, kommt ganz von allein Abwechslung und Vielfalt in den Speiseplan.

 

Der Griff zu heimischen Lebensmitteln stärkt und sichert die Struktur der bäuerlichen Landwirtschaft

Ich kann den Kochlöffel schwingen.

Und das geht eben nur mit frischen Lebensmitteln, also Lebensmitteln mit einem geringen Verarbeitungsgrad. Dadurch bestimmt man selber, wie viel Zucker, Salz oder Fett in seinem Essen stecken soll und wo die Zutaten herkommen. Dadurch verzichtet man auf fragwürdige Zusatzstoffe. Dadurch erfährt man Wertschätzung gegenüber den Ausgangprodukten, da man sich automatisch mit den Lebensmitteln beschäftigt und dadurch schärft man seine Geschmackssinne. Dadurch spart man in der Regel viel an Verpackungsmüll ein. Und normalerweise auch an Geld. Und geschickt eingefädelt geht frisches Kochen blitzschnell.

Ich kann Exotischem eine faire Chance geben.

Ich mag Bananen in meinem Müsli, ich trinke liebend gerne eine Tasse Kaffee und der Duft einer Mandarine katapultiert mich unmittelbar in Weihnachtsstimmung. Ich integriere solche Lebensmittel, die in unseren Breiten einfach nicht kultiviert werden, bewusst – vollständig darauf verzichten mag ich nicht. Muss ich auch nicht. Ich muss aber an dieser Stelle auf das Fairtrade-Siegel vertrauen.

Fairtrade bedeutet bessere Umweltschutzauflagen im Erzeugerland und es bedeutet bessere Entlohnung für die Erzeuger. Fairtrade bedeutet humanere Lebens- und Arbeitsbedingungen in Entwicklungsländern, es bedeutet einen Widerstand gegen Kinderarbeit.

 

Wenn man pflanzliche, ökologische, regionale und saisonale Produkte bevorzugt, selbst den Kochlöffel schwingt und frische, wenig verarbeitete Lebensmittel wählt, dann werden die Mahlzeiten von ganz allein gesünder und geschmackvoller.

Und ich kann versuchen, bewusst zu genießen. 

Ich esse – wie die meisten von uns – täglich rund dreimal. Aufs Leben gerechnet verbringen wir durchschnittlich 5 Jahre nur mit Essen, da ist das Einkaufen und Kochen gar nicht eingerechnet. 5 Jahre, die ich damit verbringen möchte, Lebensmittel in den verschiedensten Facetten und Geschmäckern kennen zu lernen. 5 Jahre, die ich genießen möchte und nicht damit verschwenden werde, Kalorien zu zählen, Zucker durch Süßstoff zu ersetzen oder fettreduziertes, geschmackloses Joghurt zu essen.

Denn wenn man – zusammengefasst – pflanzliche, ökologische, regionale und saisonale Produkte bevorzugt, selbst den Kochlöffel schwingt und frische, wenig verarbeitete Lebensmittel wählt, dann muss man das gar nicht. Denn dann werden die Mahlzeiten von ganz allein gesünder und geschmackvoller.

Und wer nun glaubt, dass man für den Lebensmitteleinkauf viel mehr Zeit einplanen muss, um das alles unter einen Hut zu bringen, der irrt – einmal verinnerlicht begrenzt sich das Lebensmittelangebot im Supermarkt auf eine angenehme Art und Weise ohnehin auf ein viel kleineres. Und um zur Frage am Beginn zurück zu kommen: Hauptsache g‘sund? Die Antwort erübrigt sich damit wohl …