Schottische Impressionen Vol. 2: Schottland-Israel-Österreich – die lange Reise eines Lebensmittels

01.07.2019 / Landwirtschaft & Lebensmittelproduktion

Das Schöne an internationalen Pressereisen ist neben den hausgemachten Eindrücken, die das jeweiligen Land zu bieten hat – und Schottland war hier entgegen seinem Ruf so gar nicht geizig – , vor allem auch die Möglichkeit sich mit internationalen Kollegen auszutauschen, in einer ungezwungenen, angenehmen Atmosphäre. So kam ich doch tatsächlich im fernen Schottland mit einer israelischen Landwirtschaftsinsiderin erster Ordnung ins Gespräch. Was die österreichische Lebensmittelwelt und Landwirtschaft mit Israel verbindet und wie das auch noch ausgerechnet mit Schottland zusammenhängt, ja geradezu von hier seinen Ausgang nimmt, fand ich doch ziemlich spannend…

Techno-Landwirtschafts-Hochburg Israel

Wie geht das eigentlich, frage ich Smadar Moisa, Stellvertretende Direktorin der Abteilung für Außenbeziehungen im israelischen Landwirtschaftsministerium, dass wir in Österreich Frühkartoffeln und eine ganze Reihe anderer Gemüse und auch Obst aus Israel regelmäßig in unseren Regalen finden? Wo das „heilige Land“ nicht viel größer sei als Niederösterreich, gut die Hälfte davon Wüste und dabei zugleich mehr Einwohner ernähren muss als ganz Österreich?

Der erste Teil von Smadars Antwort, war mir so ungefähr bereits bekannt. Israel gilt als weltführend im modernen hocheffizienten Gemüseanbau. Hier wurde die Tröpfchenbewässerung zur Perfektion gebracht. Sodass sogar in der praktisch niederschlagslosen Negev-Wüste Gemüse angebaut wird. Das scheint an ein Wunder zu grenzen. Als würde der biblische Gott seinem auserwählten Volk noch heutigen Tages mitten in der Wüste Manna vom Himmel regnen lassen. Auf seinen schon im Alten Testament nicht immer wohlwollenden Gott freilich verlässt sich das moderne Israel nicht. Die Negevwüste blüht nur deshalb, weil das unter ihr liegende Brackwasser aus über 1000 m Tiefe in die Höhe gepumpt wird. Riesige Entsalzungsanlagen decken 70 Prozent des gesamten nationalen Wasserverbrauchs und 86 Prozent des Abwassers aus Haushalten geht wieder retour in die Landwirtschaft. Soweit so beeindruckend. Das kleine Land setzt auf bahnbrechende technische Innovationen in praktisch allen Bereichen. 

 

Israel kultiviert Land auch unter widrigsten Bedingungen 

 

So holt es beispielsweise aus seinen 120.000 Milchkühen mit durchschnittlich fast 12.000 Liter Jahresleistung „mehr heraus“ als irgendwo sonst in der Welt. Die durchschnittliche heimische Milchkuh liegt mit ca. 7000 Liter vergleichsweise weit zurück. Und das in einem Land, wo außer in den nördlichen Regionen praktisch kein Gras wächst! Nur an den südlichen Abhängen des Libanongebirges, verrät mir Smadar, kannst du in Israel weidende Kühe beobachten. Deren Fleisch sei eine derart rare und teure Delikatesse, dass es ausschließlich in Spezialgeschäften der großen Städte Jerusalem, Tel Aviv und Haifa angeboten wird. Rindfleisch stehe im Vergleich zum Hühnerfleisch insgesamt selten am Speiseplan israelischer Haushalte und müsse als eines der wenigen landwirtschaftlichen Güter importiert werden. Ganz anders in Schottland. Entsprechend begeistert zeigt sich Smadar die ganze Reise über von den allgegenwärtig grasenden Schafen und Rindviechern, von diesem schottischen Überfluss an Grün. 

Die israelische Kuh ist mit fast 12t Milch durchschnittlicher Jahresleistung weltweit an der Spitze. Österreichs Schnitt: ca. 7t

Weniger begeistert sei sie – und damit komme ich zum zweiten, mir bis dato unbekannten Teil ihrer Antwort auf meine anfangs gestellte Frage – über den massenhaften Export von israelischem Obst- und Gemüse. Ich wollte ja wissen, wie es zugeht, dass wir in Österreich israelische Frühkartoffeln kaufen können in der Zeit, wo die heimischen Lagerkartoffeln knapp werden und Heurige noch nicht am Markt sind. Ein Umstand übrigens, der auch bei den hiesigen Kartoffelbauen immer wieder und gerade aktuell zu heftigen Unmutsäußerungen Anlass gibt.

Eine heiße Kartoffel also wortwörtlich. Auch für Smadar, wie ich schnell bemerke, deren Gesichtsausdruck sich merklich verdüstert, bevor sie wie ein Rohrspatz zu schimpfen beginnt. Dass wir in Europa hochqualitatives Gemüse aus Israel kaufen können, geht auf ihre Kosten sagt sie. Sie werde dafür mit Schrott abgespeist, wolle sie nicht extra tief in die Tasche greifen. Die Exportorientierung macht erstklassige Produkte im Land fast unerschwinglich (Ähnliches hört man von Israels Nachbarn Ägypten, dessen Frühkartoffel ebenfalls immer häufiger in österreichischen Supermärkten zu finden sind und gleichzeitig für den ägyptischen Konsumenten immer teurer werden). Das mache sie regelmäßig richtig sauer. Da bin ich baff. Jetzt sei sie aber doch im Landwirtschaftsministerium gerade für Außenbeziehungen zuständig, stichle ich ein bisschen, wer sei denn dafür verantwortlich? Das wisse sie natürlich ganz genau, wer und was dahinter stehe, aber sie werde den Teufel tun, sich hier im Ausland das Maul zu verbrennen. Und Ende der Debatte…

Dass wir in Europa hochqualitatives Gemüse aus Israel kaufen können, geht auf ihre Kosten sagt sie. Sie werde dafür mit Schrott abgespeist, wolle sie nicht extra tief in die Tasche greifen.

Und nimmt in Schottland seinen Ausgang

Das oben skizzierte Gespräch mit Smadar Moisa hat bereits am ersten Tag unserer gemeinsamen Pressereise beim Eröffnungsdinner stattgefunden. Da hatte ich noch keine Ahnung, dass schon am nächsten Tag das Kartoffelthema erneut in den Fokus meiner Überlegungen gerät. Schon auf der ersten Farm, die wir nach dem typisch schottischen Frühstück mit Black Pudding (Blutwurst) und Co. besuchen, kann ich die Spur des israelischen Frühkartoffels, der in Österreich gekauft und dadurch dem heimischen unliebsame Konkurrenz verursacht, gleichsam an seinem Ursprung aufnehmen. Die Farm von Mike und Ali Martin ruht auf drei Produktionssäulen. Neben Sommergerste für des Schotten liebstes Gesöff (nein, nicht Bier!) und Rindermast, setzen die Martins auf Saatkartoffeln. Saatkartoffeln für den britischen aber auch ganz wichtig für den Anbau in Ägypten und Israel, wie Ali vor uns Journalisten ausführt. Die schottische Saatkartoffel, hier im hohen Norden kultiviert, sei sehr gesund und widerstandsfähig und bringe daher optimale Voraussetzungen für den Anbau in extremeren Gefilden mit.

 

Ali Martin erklärt uns, wo seine Saatkartoffeln überallhin exportiert werden

 

Aha, hier also stehe ich am Anfang eines wahrlich weiten Weges, den so manche Kartoffel im Wettlauf um die ersten Startplätze in der neuen Saison und damit um wesentlich höhere Preise antritt. Das war mir nun wirklich neu. Die israelische Frühkartoffel in heimischen Regalen hat nicht nur die gut 3500 km von Haifa über Genua oder was weiß ich welche Mittelmeerhäfen bis in die heimischen Läger hinter sich, sondern zuvor schon den noch wesentlich längeren Transport von Aberdeen oder Dundee nach Israel. Aber, so läuft das eben beim globalisierten Lebensmittel. Irgendwer innerhalb dieser langen Wertschöpfungskette macht ganz sicher seinen Gewinn. Solange der heimische Konsument diese Kartoffeln nachfragt, solange der Handel sie in Vorkontrakten auf das zu erwartende Geschäft hin, einlistet, wird das so bleiben. Ich wäre jedenfalls für eine transparente Kennzeichnung und gegen die latente Verschleierung der Herkunft, wie sie zu Recht von der Landwirtschaftskammer kritisiert wird.

Sollten wir Konsumenten irgendwann hier im größeren Stil nicht mehr mitspielen, würde sich neben unseren Kartoffelbauern sicher auch meine Freundin Smadar Moisa freuen, die sich dann in Israel wieder Top-Qualität leisten kann. Mike und Ali Martin freilich müssten dann ihr lukratives Exportgeschäft überdenken. Ob es je soweit kommen wird? 

Die israelische Frühkartoffel in heimischen Regalen hat nicht nur die gut 3500 km von Haifa hinter sich, sondern zuvor schon den noch wesentlich längeren Transport von Aberdeen oder Dundee nach Israel.