"Und gib uns unser täglich Fleisch..." Teil 3: Huhn im Aufwind, Pute im Sturzflug?

06.06.2016 / Lebensraum & Nachhaltigkeit, Landwirtschaft & Lebensmittelproduktion, Essen & bewusster Konsum

Österreichisches Geflügel kann ich guten Gewissens grosso modo als „das gesündeste“ innerhalb der EU bezeichnen, von Nicht EU-Produzenten, wie der Ukraine ganz zu schweigen. Das sollte gerade im Zusammenhang mit den viel diskutierten multiresistenten Keimen ein Kaufargument pro heimischem Geflügel sein. Das soll aber nicht heißen, dass es keine Probleme gäbe...

 

Die etwas zwiegespaltene Situation für die österreichischen Geflügelbauern hat damit zu tun, dass sie auch in der konventionellen Mast ihren Tieren nicht gar so triste Lebensbedingungen zumuten, wie der Rest der EU. Österreich hat EU-weit die mit Abstand strengsten Auflagen. Besonders hinsichtlich der Besatzdichte (wie viele Hühner, Puten etc. pro m² gehalten werden dürfen). Diese aber ist ein entscheidender Faktor in Sachen Tierwohl, Stress- und Krankheitsprävention! 

 

Wer macht sich schon die Mühe, am Etikett genau hinzusehen, wo das Tier gemästet und geschlachtet wurde?

 

Im Supermarktregal liegt dann freilich ausländisches Geflügel neben österreichischem. Das deutsche Huhn gackert jetzt so wenig wie seine Kollegin aus Österreich. Die ungarische Pute schaut im ganzen Stück, viel häufiger aber fein säuberlich filetiert, steril verpackt, ihrer Nachbarin zum Verwechseln ähnlich. Wer macht sich schon die Mühe, jetzt am Etikett genau hinzusehen, wo das Tier gemästet und geschlachtet wurde? Während jeder sofort den Preisunterschied bemerkt. Und da rede ich jetzt noch gar nicht von BIO! Und hier im Regal – ganz anders als zu Lebzeiten –  haben alle denselben Platz. Aber eben nicht denselben Preis. Weshalb das österreichische Geflügel oftmals schwerer zu verkaufen, weil teurer, ist. 

 

Zur Situation des heimischen Masthuhns

Hier sehe es laut Brancheninsidern im Großen und Ganzen recht gut aus. Der österreichische Lebensmittel-Einzelhandel sei ein verlässlicher Partner. Natürlich habe auch hier der österreichische Bauer mit den strengsten Richtlinien im europäischen Vergleich erhebliche Mehrkosten. Dies wird hierzulande zugunsten des Tierwohls in Kauf genommen. Tierwohl wiederum mache sich letztlich auch für den Konsumenten bezahlt. Weil Hühner mit „mehr Platz, mehr Licht, mehr Luft“ weniger zu haltungsbedingten Krankheiten neigten, was wiederum den Medikamenteneinsatz minimiere. Dem gegenüber stehen etwas höhere Preise für den Endkonsumenten. Aber Handel und Konsumenten würden diesen Weg bislang mitgehen. Was ein relativ hoher und stabiler Selbstversorgungsgrad von ca. 80 Prozent auch mit objektiven Zahlen unterstreicht.

„Rote Liste der gefährdeten Tierarten: Österreichische Pute“ - ist sie vom Aussterben bedroht?

Die inländische Putenproduktion ist ganz besonders unter Druck. Wie wir von Land schafft Leben im von uns veranstalteten Arbeitsgruppentag „Geflügel“ von Branchenvertretern bestätigt bekommen haben, geht der Selbstversorgungsgrad rapide zurück und läge bereits bei einem Wert von nur noch ca. 35 Prozent! Einige Stimmen meinten gar, wir steuerten hier schnurstracks auf Schweizer Verhältnisse zu, sprich: einer traurigen Selbstversorgung von nur noch wenigen Prozentpunkten. Andere wiederum sahen durchaus Hoffnungsschimmer am Horizont und knüpften diese an ein Bekenntnis zu mehr Transparenz und einen Schulterschluss mit den Spitzenvertretern des Handels. Die „Putensituation“ bleibt extrem „spannend“… 

 

Heimische Puten - hier Bio Rasse Kelly Bronze - haben wesentlich mehr Platz als ihre ausländischen Artgenossen

Österreichisches Geflügel in der heimischen Gastronomie? Fehlanzeige!

Da musst du schon zum Kebabladen! Während der Lebensmitteleinzelhandel im Großen und Ganzen – vor allem beim Huhn – sich zu österreichischer Ware „bekennt“, fehlt dieses Bekenntnis im ganz großen Maßstab in der Gastronomie bzw. den diesen beliefernden Großhandel – übrigens auch in den Großküchen des Landes (Krankenhäuser, Mensen etc.). Weil der Gastwirt nicht kennzeichnen muss, wo das Herz unter seinen Putenbruststreifen geschlagen hat, greift er zum Billigangebot aus dem Ausland. Der einheimische wie der ausländische Gast wird es schon nicht so genau wissen wollen.

 

Frag doch nächstens beim Wirten deines Vertrauens, wo er es her hat, sein „Steirisches Backhendl“?

 

So finden etwa große Mengen österreichischer Hühnerkeulen, die weder österreichische Privat- noch Großabnehmer zu schätzen wüssten (obwohl sie meiner Meinung nach weit schmackhafter, weil weniger trocken, sind als die langweilige Brust) im Umweg über Kebabläden doch noch in heimische Mägen. So viel zum Österreichbewusstsein unserer Vorzeigebranche! Frag doch nächstens beim Wirten deines Vertrauens, wo er es her hat, sein „Steirisches Backhendl“? Er wird dir antworten: „na selbstverständlich aus Österreich!“ – und meint dabei den österreichischen Großhändler. Dumm nur, dass der – sehr wahrscheinlich – gar kein österreichisches Geflügel führt. Das ist ihm nämlich im Einkauf zu teuer!

 

> Teil 1: Billigprodukt Fleisch?

> Teil 2: Schwein gehabt?