Veganer Weihnachtsschmaus? Tacheles in der Rauhnacht II

21.12.2018

Letzte Weihnachten hab ich‘s schon wieder gemacht. Wieder bin ich in der Rauhnacht klammen Herzens in den Kuhstall geschlichen, um mir anzuhören, was unsere Tiere so über uns Menschen denken. Ich habe hier vor zwei Jahren schon mal einen tiefgründigen Kuh-Dialog, den ich in der Weihnacht belauschte, gepostet. Letztes Jahr wollte ich wieder vor allem meinen Lieblingstieren beim Philosophieren zuhören. Bis zu den Kühen bin ich diesmal aber gar nicht gekommen…

Bei meinem vorletzten Rauhnacht-Stallbesuch wäre ich im stockdunklen Stall beinah über den Hofkater gestolpert. Diesmal passe ich besser auf. Aber wieder ist es der Kater, dem ich als erstes über den Weg laufe, besser gesagt, seine knurrige Stimme ist es, die mir vor allen anderen ans Ohr dringt. Was sich da vor meinen ungläubigen Augen und Ohren abspielt, kann ich dir unmöglich vorenthalten.

Hofkater (hörbar genervt):

Aus Maus! Wir ändern das nicht! Mein Vater und Großvater und deren Väter und Urväter haben es so gehalten zu Weihnachten und jetzt willst du kleines Kätzchen diese Jahrhunderte alte Tradition in Frage stellen? Nein, es gibt Maus, wie jedes Jahr und davor als Appetithappen eine Blau- Tannen- oder Haubenmeise, falls deine Mutter oder ich Jagdglück haben.

Kätzchen:

Aber Papa, du hörst mir nicht zu! Es ist unrecht Fleisch zu essen, das habe ich in der Schule gehört. Da war so ein Typ und der hat den kleinen Menschenkindern dort erklärt warum: Erstens wollen alle Tiere leben und sie zu töten ist daher ein Eingriff in deren Grundrechte. Zweitens leiden die Tiere beim Töten – also da können wir Katzen mit unserer grausam-spielerischen Art zu töten, ja wohl schwerlich dagegen argumentieren! Und drittens heizt der hohe Fleischkonsum das Weltklima an, hat der in der Schule gesagt, und gefährdet so die Zukunft von uns allen. Du bist ja alt, dir kann es egal sein, aber ich hab schließlich noch mein ganzes Leben vor mir.

Hofkater (nahe am Verzweifeln):

„Eingriff in deren Grundrechte?“ Hör ich recht? Was für ein hanebüchener Blödsinn. Menschenzeugs. Ist ja famos, was soll ich da noch sagen? Denk mal, wenn wir das nach unten durchdeklinieren, wo endet denn das Grundrecht auf Leben? Beim Fadenwurm, bei der Wanze, beim Plankton? Was sollen denn die ganzen Tierkollegen und wir, die wir schließlich als reine Karnivoren über Jahrmillionen uns in der Evolution gehalten und ausdifferenziert haben, essen, wenn plötzlich alles, was kreucht und fleucht ein Grundrecht auf Leben haben soll? Unglaublich, was für ein Schmarrn. Und die Sache mit dem Töten und dem Leiden: Was glaubst denn, wie du kleines Katzenscheißerchen das Jagen und Töten gelernt hättest, wenn wir es dir nicht spielerisch beigebracht und dir stattdessen immer eine schonend getötete Maus vorgelegt hätten? Dieses spielerische Töten ist also notwendig – auch wenn ich schon zugeben muss, dass es auch ein bisschen Spaß macht. Spaß ist in unsere Katzen-DNA nun mal irgendwie eingeschrieben, deshalb halten wir uns schließlich ja auch die Menschen. Nämlich zum Spaß. Nur dass die blöd genug sind zu glauben, sie würden uns halten, aber das ist eine andere Geschichte.

Kätzchen:

Nur weil wir das immer schon so gemacht haben, heißt das ja nicht, dass wir es nicht ändern können. Ich habe von meiner Freundin, der Susi, die sich ihre Menschen in einer kleinen Wohnung hält, gehört, dass die dort auf vegane Ernährung umgestiegen sind. Und jetzt bekommt auch Susi nur noch veganes Futter. Das geht. Und dafür muss kein Tier mehr sterben und leiden!

Hofkater (sichtlich um seine Fassung ringend):

Soso. Dafür muss also kein Tier mehr sterben und leiden. Jetzt beantwortest du mir mal ein paar Fragen. Sind die Mäuse, die hier so im Stall herum laufen Tiere?

Kätzchen:

Ja sicher, aber…

Hofkater:

Nächste Frage: Sind auch deren Verwandte, die Wühlmäuse und Feldhamster Tiere?

Kätzchen:    

Was fragst du so offensichtliche Sachen, ich…

Hofkater (im väterlich belehrenden Tonfall jetzt):

Das nennt man Mäeutik, mein Kätzchen, „Hebammenkunst“. Ist eine philosophische Fragetechnik, die verirrten Geistern durch geschickte Fragstellungen hilft, wieder auf den rechten Erkenntnisweg zu kommen, sodass diese das Gefühl haben, sie selbst hätten die Gedanken „geboren“. Hat angeblich ein gewisser Sokrates erfunden. In Wahrheit war es dessen Kater Gatakles, aber das weiß fast niemand. Also weiter gefragt: Wenn Veganer nichts Tierisches essen, wovon ernähren die sich stattdessen?

Kätzchen:

Na, Pflanzen klarerweise…

Hofkater:

Richtig, Pflanzen. Sie, die Veganer essen also Pflanzen im Wesentlichen. Und deshalb vermeiden sie Tierleid, weil Pflanzen ja schließlich keine Tiere sind, nicht wahr? Das ist die Logik…

Kätzchen:

Ja, das liegt doch auf der Hand…

Hofkater:

Dann wollen wir doch dieser Logik ein bisschen auf den Zahn fühlen und fragen einfach weiter: Hast du schon mal zugeschaut, wie unser Bauer seine Mais- oder Weizenernte einfährt oder wie er den Acker pflügt, um überhaupt erst mal irgendeine Kultur anzubauen?

 

 

Es ist unrecht Fleisch zu essen, das habe ich in der Schule gehört.

Kätzchen:

Nein, das hat mir Mama ja verboten, sie meint, das wäre viel zu gefährlich, wenn ich da unter die Räder komme…

Hofkater:

Siehst du, und dein Mama hat wie immer recht damit! Da kannst du leicht unter die Räder kommen, untergepflügt oder von den Erntemaschinen aufgespießt werden. Und vom sogenannten Pflanzenschutz, egal ob biologisch oder chemisch, fang ich besser gar nicht an. Jetzt gehen wir nochmal zurück zu den Wühlmäusen, Maulwürfen und Feldhamstern und nehmen noch die Feldlerchen und die lieben Rehlein und die lieben Häschen und all das wild lebende Hühnervogelvieh dazu, das sich zumindest zeitweise ausgerechnet auf den Äckern unseres Bauern eingemietet hat. Was glaubst du nun, wie es denen ergeht, wenn der Bauer zur Pflanzenproduktion notwenige Überfahrten vornimmt oder seine Spritze auspackt? Denkst du, die leiden nicht, wenn ihre Wohnungen zerstört, ihre Nester samt ihrer Brut überfahren, oder sie selbst aufgespießt, abgemäht werden zu Millionen und Abermillionen? Und da rede ich noch gar nicht von den Würmern und all dem Kleingetier, das dabei drauf geht, wenn Menschen sich daran machen Pflanzen anzubauen, zu kultivieren und zu ernten, um dann daraus vegane Nahrung zu machen. Wenn alle Tiere Tiere sind, was du mir ja schon zugegeben hast, egal ob wild lebend oder von Menschen gehalten, dann kann es keine tierleidfreie Ernährung geben. Auch im veganen Katzenfutter von deiner Susi-Freundin steckt Tierleid.

Kätzchen:

Das lässt sich nunmal nicht vermeiden. Aber ich muss ja nicht das Ausmaß an Leiden durch direkten Fleischkonsum vergrößern, oder?

Hofkater:

Du bist heut wirklich sehr renitent und offenbar von emotionalen Argumenten nicht abzubringen durch Logik. Wir halten fest: Es gibt keine tierleidfreie Ernährung, stimmt das?

Kätzchen:

Ja, soweit stimme ich dir zu.

Hofkater:

Es liefe also auf das jeweilige Ausmaß hinaus, nicht wahr und auf die Vermeidbarkeit? Wie würdest du nun das Ausmaß an Tierleid beziffern bzw. verteilen, sagen wir zwischen einer Maus, die dir oder mir in die Fänge gerät und einer Feldmaus, die mitsamt Family unter den Pflug kommt? Siehst du an diesem Beispiel nicht, dass die Behauptung, vegane Ernährung verringere das Tierleid, eine ist, die den Wahrheitsbeweis schuldig bleibt? Dass die stillschweigend gemachte Unterscheidung zwischen wildlebenden Tieren und solchen, die der Mensch sich zum Zweck der Erzeugung von Lebensmitteln hält, eine willkürliche ist? Die statt auf Logik auf Emotionen setzt? Ob du deine Maus frisst, von mir aus kille sie so schnell und schonend wie möglich, oder ob sie draußen draufgeht durch die menschliche Kulturarbeit, was glaubst, wie egal das der Maus ist? Und was für die Maus gilt, das gilt im Grunde für jedes Getier. Nur weil wir all das Tierleid in der „freien Natur“ und vor allem in der kultivierten Natur nicht zu Gesicht bekommen, heißt das nicht, dass es nicht da ist und zwar unvermeidlich. Leben lebt auf Kosten von anderem Leben und da muss ich noch gar nicht den ebenfalls von der Wissenschaft längst zweifelsfreie festgestellten „Lebenswillen“ von Pflanzen ins Spiel bringen. Fressen und gefressen werden, so schaut es aus. Und wir Katzen leben zusammen mit der selbsternannten Krone der Schöpfung, die sich dank ihrer Technik ganz ganz oben in dieser Nahrungskette der Fresser angesiedelt hat. Und deshalb, mein Kätzchen, gibt es auch heuer wieder, wie jedes Jahr, Maus zu Weihnachten!

Kätzchen:

Du hast mich da mit deinen angeblich logischen Fangstricken in eine Falle gelockt. Von wegen Hebammenkunst! Da muss ich noch mal drüber nachdenken. Und außerdem hast noch kein Wort zum Thema Fleischkonsum und Klima gesagt, was ja vielleicht überhaupt das schwerwiegendste Argument gegen Fleischkonsum ist.

Hofkater (endgültig mit den Nerven am Ende in einem finalen Stoßseufzer zunächst in seinen Schnurrbart):

Und dafür schickt man sie in die Schule, diese neunmalklugen Ableger.

(Und dann laut zu seiner Tochter):

Weißt was, nachdem dir dort eh nur Flausen in den Kopf gesetzt werden, darfst jetzt eine Zeit lang Schule schwänzen. Ich hab gehört, dass sich das momentan bei kleinen Mädchen und Kätzchen eh bestens mit Klimaretten verträgt…  

Und da kann ich nicht mehr länger an mich halten und muss endgültig laut losbrüllen, angesichts dieser letzten hochaktuellen Anspielung des Katers auf die neue Klimarettungsheldin Greta, der Schulschwänzerin aus dem reichen Schweden. Von meinem Lachanfall aufgeschreckt, stieben die beiden Katzen wie von der Tarantel gestochen davon.

Ich muss zugeben, mich hat diese vor meinen Augen sich abspielende Katzenlogik nicht wenig in Erstaunen gesetzt. Ich habe ja selbst eine vegetarische Tochter und derlei Diskussionen sind mir nicht fremd. Mal schauen, ob ich die Katersyllogismen zukünftig in mein argumentatives Arsenal aufnehmen kann.

Wie auch immer, auch bei mir wird es zu Weihnachten Fleisch geben am Festtisch und selbstverständlich eine vegetarische Alternative für mein Kä… äh Mädchen.

 

Was immer auch bei dir aufgetischt wird, ich wünsche Dir ein schönes, besinnliches und heiteres Weihnachtsfest, lieber Leser und einen guten Rutsch ins neue Jahr! 

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