Pestizide: gesellschaftlicher Aufreger oder Notwendigkeit?

13.01.2022

Aus der konventionellen und Bio-Landwirtschaft sind Pflanzenschutzmittel nicht wegzudenken. Land schafft Leben fordert eine faktenbasierte Diskussion über die Vor- und Nachteile von Pestiziden.

 

Der gestern von Global 2000 und der deutschen Heinrich-Böll-Stiftung veröffentlichte „Pestizidatlas“ für Österreich wirft mit Pflanzenschutzmitteln (Syn.: Pestizide) ein wichtiges Thema auf. Die Mittel zur Bekämpfung von konkurrierenden Pflanzen und Schadorganismen wie Kartoffelkäfern oder Schimmelpilzen stellen uns als Gesellschaft vor einen Zielkonflikt: Einerseits bedeuten sie – bei Ausbringung im Freien – naturgemäß immer einen Eingriff in die Umwelt, andererseits sind sie zur Aufrechterhaltung einer hohen Selbstversorgung mit gesunden Lebensmitteln unverzichtbar für Landwirtinnen und Landwirte. Dies zeigt auch der hohe Anteil an Pestiziden, die auch in der Bio-Landwirtschaft zugelassen sind. 

 

„Genau wie bei Medikamenten muss auch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln mit Bedacht erfolgen, gemäß der Leitlinie 'So viel wie nötig, so wenig wie möglich'. Ihren Einsatz aber generell zu verteufeln oder falsche Angaben darüber zu verbreiten, ist unwissenschaftlich und erschwert wichtige Diskussionen um ein nachhaltigeres und klimafittes Ernährungssystem“, kommentiert Hannes Royer, selbst Bio-Bauer und Obmann von Land schafft Leben, die erneut aufgeflammte Debatte rund um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.

 

Einsatz von konventionellen Pflanzenschutzmitteln seit einem halben Jahrzehnt rückläufig

Im Pestizidatlas wird die angebliche Zunahme bei der Absatzmenge der chemisch-synthetischen Insektizide in Österreich zwischen 2011 und 2020 angeprangert. Allerdings zeigen die Daten der Grünen Berichte, dass es bei den in dieser Gruppe relevanten Stoffklassen[1] im angesprochenen Zeitraum vielmehr zu einer deutlichen Abnahme um 53 Prozent von 88 Tonnen auf 41 Tonnen gekommen ist. Wahr ist außerdem, dass diese Gesamtmenge aller chemisch-synthetische Pestizid-Wirkstoffe zusammengerechnet im Jahr 2020 zum fünften Mal in Folge gegenüber dem Jahr zuvor abgenommen hat.

 

CO2-Gas in geschlossenen Räumen, nicht auf Äckern

Kritisiert wird außerdem die angeblich stark gewachsene Menge an Wirkstoffen, die österreichweit auf Feldern ausgebracht wird. Aus den jährlichen Statistiken ist zwar formal abzulesen, dass größere Mengen an Pestiziden verkauft werden. Allerdings wird ein sehr großer Teil davon nie in die Umwelt ausgebracht.

Es handelt sich dabei um CO2-Gas, das erst im Jahr 2016 als sogenanntes inertes bzw. reaktionsträges Gas offiziell zugelassen wurde. Dieses wird als Insektizid zur Abtötung von Vorratsschädlingen auch in der Bio-Landwirtschaft eingesetzt. Zudem kommt es in geschlossenen Räumen zum Einsatz und eben nicht auf Äckern oder Feldern.

CO2-Gas taucht seit 2016 also in den Statistiken auf, weshalb sich seitdem ein Anstieg in den Statistiken ablesen lässt.

 

Einsatz wissenschaftlich geprüft

Fakt ist, dass die Gesamtmenge der verkauften Wirkstoffe (ohne CO2) seit Anfang der 90er Jahre relativ konstant bleibt, während die Untergruppe der synthetischen Wirkstoffe einen rückläufigen Trend aufweist. Zudem garantieren die wissenschaftlichen Institutionen der EU und Österreichs, dass der Einsatz der Mittel bei ordnungsgemäßer Anwendung keine negativen gesundheitlichen Folgen verursacht und die Auswirkungen auf die Umwelt so gering wie möglich gehalten werden.

Spannend ist ebenso, dass im Jahr 2020 beachtliche 43 Prozent der verkauften Pestizidwirkstoffmenge (ohne CO2) auf bio-konforme Mittel entfielen. Auch diese werden eingesetzt – von Bio- wie von konventionellen Betrieben – , um Organismen abzutöten und haben damit per se eine Umweltwirkung. Darüber wird in der gesellschaftlichen Debatte über Pestizide nur selten bis gar nicht öffentlich diskutiert.

 

„Zum Erhalt unserer kleinstrukturierten Landwirtschaft und unseres Lebensraumes sowie für eine gute Selbstversorgung brauchen wir in Österreich die Bio-Landwirtschaft genauso wie die konventionelle“, ist sich Hannes Royer sicher. „Statt beide Seiten gegeneinander auszuspielen und ein Produktionssystem besser als das andere darzustellen, müssen wir ehrliche und wissenschaftsbasierte Diskussionen über die Zukunft unserer Landwirtschaft führen.“

 

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Quellen:

[1] Siehe Grüner Bericht 2021 u. Grüner Bericht 2013, Stoffklassen: Pyrethroide, Carbamate u. Oximcarbamate, Organophosphate, Neonicotinoide

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