Betreuung und Tiergesundheit
Will eine Bäuerin oder ein Bauer gesunde Kühe, muss sie/er wissen, wie es ihnen geht. Die Beobachtung der Kühe ist entscheidend, um frühzeitig gesundheitliche Probleme und das Brunstverhalten erkennen zu können.
Mensch-Tier-Beziehung und Management
Gesetzliche Bestimmungen bezüglich der Haltungsform zielen auf einen optimalen Kompromiss zwischen Wirtschaftlichkeit und Tierwohl. Das Wohl der Tiere liegt letztlich in der Verantwortung der Landwirtin oder des Landwirts. Nicht alle Bereiche, die sich auf das Tierwohl auswirken, können gesetzlich geregelt werden. Praktikerinnen und Praktiker sowie Expertinnen und Experten fassen diese Bereiche im Begriff “Management” zusammen. Einen wesentlichen Teil davon macht heute wie früher die Mensch-Tier-Beziehung aus. Der größte, hellste und luftigste Laufstall nützt dem Tier nichts, wenn Besitzerin respektive Besitzer Krankheiten nicht rechtzeitig erkennt oder einen groben Umgang mit den Tieren pflegt.
Alle Bäuerinnen und Bauern, bei denen wir gefilmt haben, kennen ihre Tiere beim Namen. Sie betonen, dass die Beziehung zum einzelnen Tier und zur Herde entscheidend ist, unabhängig von der Haltungsform. “Geht es der Kuh nicht gut, geht es dem Bauern auch nicht gut”, sagt Andreas Lindner. Er ist konventioneller Bauer in Tirol und hält seine Kühe im Laufstall mit Weidegang. “Ich muss meiner Kuh in die Augen schauen. Da kann ich schon sehr viel erkennen. Kühe sind wie Menschen. Jede hat ihren eigenen Charakter”, ergänzt er und betont, dass ihm ein “persönlicher Bezug” zu jeder Kuh wichtig ist.
Auch der steirische Bio-Bauer Erich Rust hat einen Laufstall mit Weidegang. Er betont, wie wichtig es ist, dass sich der Bauer um seine Kühe kümmert: “In kleineren Betrieben, die auf ihre Tiere schauen, auch wenn sie angebunden sind, geht es denen auch gut. Besser als man hat einen Lauftstall und kümmert sich nicht darum.”
Anton Haimberger aus Niederösterreich hält seine 80 Milchkühe ganzjährig im Laufstall. Auch er kenne jede Kuh beim Namen. Kühe gern zu haben, sei für ihn eine Grundvoraussetzung, um Milchbäuerin/Milchbauer zu werden: “Man ist sicher ein schlechter Milcherzeuger, wenn man sagt, ich mag Kühe eigentlich nicht, aber ich mache es halt.” Haimberger verwendet ein neues Computersystem, das jede Kuh mit einem Halsband auf verschiedene Parameter wie Wiederkauverhalten und Bewegungsfreudigkeit überwacht. Er betont, dass die Technik nur ein Hilfsmittel ist. “Mit dem System sehen wir zum Beispiel, was in der Nacht im Stall passiert”. Haimberger ergänzt, seine Ehefrau und er würden die Kühe vor allem selbst beobachten und dabei mit eigenen Augen sehen, wie es ihnen geht.
Laut Tierhaltungsspezialistin Susanne Waiblinger ist es sehr wichtig, dass die Bäuerin oder der Bauer jede einzelne Kuh kennt. Ob die Bäuerin oder der Bauer seine Kuh mit einer Nummer oder einem Namen versehe, sei nicht entscheidend: “Grundsätzlich soll er seine Tiere und ihr Verhalten kennen, um möglichst schnell festzustellen, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Er soll sich Zeit nehmen, die Tiere zu beobachten und mit ihnen Kontakt zu haben. Und dann wird er ihnen auch Namen geben.”
Für jedes Rind müssen laut Tiergesundheitsdienst-Bestimmungen sämtliche medizinischen Behandlungen aufgezeichnet werden und über fünf Jahre rückverfolgbar sein. Detailliert vorgeschrieben ist die medizinische Behandlung im Tierarzneimittelkontrollgesetz und in der Rückstandskontrollverordnung. Behandeln dürfen die Tierärztin oder der Tierarzt und Personen, welche im Zuge des sogenannten Tiergesundheitsdienstes geschult wurden und regelmäßig an Fortbildungen teilnehmen.
Eingriffe wie die Kastration und Enthornung sind erlaubt und in Österreich gesetzlich genau definiert, der Einsatz bestimmter Mittel ist gänzlich verboten. Dazu gehören Gummiringe, Ätzstifte und Ätzsalben. Gummiringe werden in anderen Ländern beim Kastrieren eingesetzt, Ätzstifte und -salben bei der Enthornung. Laut dem Handbuch für Rinderhaltung verursachen diese Methoden “erwiesenermaßen besonders hohe Schmerzen”. Kastrieren, also die männlichen Kälber unfruchtbar machen, dürfen nur eine Tierärztin respektive ein Tierarzt oder eine gewerbliche Viehschneiderin/Viehschneider. Sie müssen das Kalb vor dem Eingriff wirksam betäuben.
Enthornung
Rinder kommen von Natur aus mit einer Hornanlage auf die Welt. Die Hörner bilden sich erst nach und nach aus. Im Erwachsenenalter haben sowohl Stiere als auch Kühe Hörner. In der Landwirtschaft können Hörner ein Risiko für Mensch und Tier sein. Daher entfernen in den meisten Fällen Tierärztin/Tierarzt oder Landwirtin/Landwirt die Hornanlagen. Einige Expertinnen und Experten weisen darauf hin, dass die Hörner eine Bedeutung im Sozialverhalten von Rindern hätten. Seit einigen Jahren arbeiten Zuchtverbände an einer Züchtung auf hornlose Tiere. Es gibt schon Rassen ohne Hörner, diese sind aber keine gängigen Milchkuhrassen.
In Österreich ist die Enthornung erlaubt und üblich - durch die Tierärztin/den Tierarzt oder eine sachkundige Person. Seit Oktober 2017 ist eine Betäubung verpflichtend, vorher durften Kälber bis zum 14. Lebenstag ohne Betäubung enthornt werden. Auch Bio-Betriebe dürfen ihre Kälber enthornen.
Bedeutung der Hörner für die Kuh
Tierhaltungsspezialistin Susanne Waiblinger meint, die Hörner seien für die Kühe wichtig. Zum einen seien sie ein “Imponierorgan” und “Halteorgan bei Rangordnungskämpfen”. Dabei würden sich die Kühe Kopf an Kopf gegenseitig anschieben. Ohne Hörner würden sie eher abrutschen. Eine Verletzungsgefahr durch Hörner sieht sie generell auch. Susanne Waiblinger ergänzt, dass es sehr vom Management abhänge, wie groß das Risiko von Hörnern sei. “Es gibt sehr wohl auch Laufställe mit behornten Tieren, wo es kaum zu Verletzungen kommt.” Nicht nur der Platz alleine sei entscheidend, auch enge Gänge und Sackgassen im Stall, nicht genug Futter für alle und ein unruhiges Verhalten des Bauers wären laut Susanne Waiblinger vermeidbare Risikofaktoren.
Züchtung auf Hornlos
Kühe so zu züchten, dass ihnen gleich keine Hörner wachsen, strebt die Rinderzüchtung in Österreich seit einigen Jahren an. Lukas Kalcher von der Zentralen Arbeitsgemeinschaft Österreichischer Rinderzüchter sagt, es gebe enorme Fortschritte in der Züchtung: “Wir sind auf einem sehr guten Weg.” Der Wunsch nach hornlosen Kühen sei in der Branche vorhanden. Eine Züchtung nur mit Fokus auf “Hornlos” würde in allen anderen Bereichen negative Auswirkungen haben, zum Beispiel auf Milchleistung und "Fitness" der Kuh.
Haltungsformen
Milchkühe können an ihrem Standplatz angebunden sein, im Stall herumgehen, sich in einem befestigen Außenbereich des Stalles aufhalten oder auf einer Weide grasen. Häufig wechseln Kühe zwischen Stall und Auslauf. In der Rinderhaltung sind nach österreichischem Gesetz an mindestens 90 Tagen im Jahr geeignete Bewegungsmöglichkeiten, Auslauf oder Weidegang verpflichtend. Eine Ausnahme ermöglicht die Ganzjahresanbindehaltung, wenn bestimmte Gründe zutreffen.
Die österreichische Bio-Richtlinie schreibt vor, dass Rinder an mindestens 120 Tagen im Jahr Auslauf ins Freie haben müssen. Grundsätzlich sieht die EU vor, dass die Rinder bei geeigneter Witterung auf die Weide dürfen, wenn es die Gegebenheiten am Betrieb erlauben. Ist nur ein Laufstall vorhanden, würde auch ein befestigter Auslauf unter Umständen der Verordnung genügen. Die Anbindehaltung ist in Österreich auch bei Bio erlaubt. Dann müssen die Kühe aber regelmäßig Zugang zu Weideland und mindestens zweimal pro Woche Zugang zu Freigelände haben. Außerdem muss eine bestimmte Punktezahl des Tiergerechtigkeitsindexes erreicht werden. Bio-Bäuerinnen und -Bauern mit mehr als 35 Milchkühen dürfen diese keinesfalls in Anbindehaltung halten.
Beschaffenheit des Stalles
Im Handbuch und der Checkliste “Selbstevaluierung Tierschutz” für die Rinderhaltung sind die Mindestanforderungen aus dem Tierschutzgesetz und der Tierhaltungsverordnung aufgelistet. Die Bäuerin oder der Bauer kann anhand dieser Checkliste prüfen, ob er sich in der Rinderhaltung an all diese Punkte hält. Und sie/er wird seinerseits anhand derselben Checkliste im Falle einer amtstierärztlichen Kontrolle überprüft.
Licht, Luft und kein Lärm
Ähnlich wie wir Menschen mögen Rinder Frischluft, keine dunklen Gebäude, keine Zugluft und keinen Lärm. Nach der Tierhaltungsverordnung müssen sie mindestens acht Stunden einer Lichtstärke von 40 Lux ausgesetzt sein. Das entspricht etwa einer Wohnzimmerbeleuchtung. Der Luftwechsel muss “dauernd und ausreichend sein”. “Schädliche Zugluft” muss vermieden werden. Die Lärmbelastung ist “so gering wie möglich zu halten”.
Böden
Die Beschaffenheit des Stallbodens ist so geregelt, dass sich die Rinder möglichst wohl fühlen, sich nicht verletzen und dass sie gesund bleiben. Spaltenböden gibt es, damit die Ausscheidungen der Rinder durch die Spalten fallen und gleich gesammelt werden.
Folgende Vorschriften gelten für den Stallboden.
- Der Boden muss rutschfest und sicher sein. Nasse und schmutzige Böden sowie technische Mängel wie scharfe Kanten können zu Verletzungen führen.
- Die planbefestigte Liegefläche muss sauber, trocken und mit ausreichend Einstreu oder weichem Bodenbelag bedeckt sein.
- Die Haltung von Kälbern mit einem Gewicht von unter 150 kg auf Betonspaltenböden ist nicht erlaubt.
- Die Spaltenbreite ist auf den halben Zentimeter genau definiert.
Für die einzelnen Vorschriften gibt das Handbuch Hinweise, wie sie die Bäuerin oder der Bauer selbst überprüft. So lautet etwa eine Rechtsnorm: “Die Böden müssen rutschfest sein.” Um das zu überprüfen, schlägt das Handbuch der Bäuerin und dem Bauern zwei Möglichkeiten vor. Sie respektive er solle die Tiere beobachten, etwa ob sie am Boden ausrutschen, vorsichtig gehen und nicht auf drei Beinen stehen, wenn sie sich selbst belecken. Der zweite Vorschlag zum Überprüfen der Rutschfestigkeit ist die “Gummistiefelprobe”. Diese funktioniere “durch körpergewichtsbelastetes Drehen des Absatzes auf der zu prüfenden Fläche.” Dabei “sollte ein erheblicher Widerstand zu spüren sein.” Die Rechtsnorm sei erfüllt, wenn die Rinder nicht “in erhöhtem Ausmaß ausrutschen können”.
Tränke und Fütterung
Die Landwirtin oder der Landwirt muss seine Rinder ausreichend mit Wasser und Nahrung versorgen. Vorgeschrieben ist auch, dass die Qualität von Wasser und Futter stimmt. Die Rinder “müssen entsprechend ihrem Bedarf Zugang zu einer ausreichenden Menge Wasser von geeigneter Qualität haben”. Üblich ist in Österreich, den Kühen Trinkwasser zu geben. Das Futter muss nach “Art, Beschaffenheit, Qualität und Menge” den jeweiligen Tieren angepasst sein.
Die Ernährung der Kälber ist extra definiert. Sie müssen ausreichend Milch bekommen und zusätzlich auch ihren Wasserbedarf decken können. Es ist vorgeschrieben, dass Kälber in den ersten Lebensstunden Biestmilch bekommen. Das ist jene Milch, die die Mutterkuh gleich nach der Geburt gibt und welche etwa hundertmal mehr Antikörper als durchschnittliche Kuhmilch enthält. Gefüttert werden muss ein Kalb mindestens zweimal täglich.
Die Zusammenstellungen der Futterrationen sehen in der Praxis sehr unterschiedlich aus. Sie sind aber mit entscheidend für das Wohl der Tiere. Kühe sind evolutionäre Wiederkäuer, mit einem entsprechenden Verdauungsapparat, der auf Gras in frischer oder konservierter Form spezialisiert ist. Wieviel milchleistungssteigerndes Kraftfutter zusätzlich zum Grundfutter für das Tierwohl zuträglich ist, darüber gehen die Ansichten unter den Bäuerinnen und Bauern sowie Expertinnen und Experten auseinander. Wir haben zu diesem Streitpunkt im Kapitel über Futtermittel einige Statements zusammengestellt.