Unheilbar krank: Kann Essen alles ändern?

07.11.2024 / Ernährung & Gesundheit

Jürgen Sutterlüty ist Geschäftsführer der Sutterlüty-Supermärkte und beschäftigt sich tagtäglich mit Lebensmitteln. Doch durch einen Schicksalsschlag bekommt diese Tatsache eine ganz neue Bedeutung: Mithilfe einer Ernährungsumstellung konnte er trotz vermeintlich hoffnungsloser Diagnose seine Gesundheit zurückerlangen. Wie Lebensmittel und Wohlbefinden zusammenhängen, erzählt er in der 200. Podcast-Episode. Hier ein kleiner Einblick.

 

Land schafft Leben: Dass du heute bei uns zu Gast sein kannst, ist nicht ganz selbstverständlich. Obwohl du immer schon bewusst gegessen hast und sehr sportlich warst, hast du dich plötzlich in der Rolle eines schwerkranken Mannes wiedergefunden. Was ist passiert?

Jürgen Sutterlüty: 2021 habe ich mir beim Sport zwei Brustwirbel gebrochen – zweimal, mit einem Abstand von einigen Monaten. Beim zweiten Mal hatte ich enorme Schmerzen. Damit hat eine Leidensgeschichte begonnen, die ich mir so niemals hätte erträumen können. Im Krankenhaus erfuhr ich, dass ich eine schwere Osteoporose habe und man mir nicht mehr helfen könne. Irgendwann war mein Bewegungszustand gleich null, ich konnte meinen Kopf drei, vier Zentimeter bewegen, mehr nicht. Ich war den ganzen Tag mit starken Schmerzen konfrontiert. Außerdem wurde mir gesagt, dass ich eine schwere Entzündung des zentralen Nervensystems hätte und diese unheilbar sei. Kurz gesagt: Mir ging es grottenschlecht, körperlich sowie mental.

 

Land schafft Leben: Obwohl man dir null Heilungschance gegeben hat und du eigentlich mit dem Tod konfrontiert warst, bist du heute hier – gesünder denn je. Wie hast du das geschafft?

Jürgen Sutterlüty: Mir wurde ein Arzt, ein Spezialist für Wirbelsäulenerkrankungen, empfohlen. Ich wollte nichts unversucht lassen, also bin ich unter großen Schmerzen mit meiner Frau nach Thailand geflogen und zu ihm auf die Insel Koh Phangan gereist. Nach der Untersuchung fragte ich ihn, was ich tun solle, und er meinte, dass ich mich die nächsten sechs bis acht Wochen nun jeden Tag von ihm behandeln lassen und – das ist das Spannende – meine Ernährung komplett umstellen solle.

 

Land schafft Leben: Und wie sah diese Ernährungsumstellung aus?

Jürgen Sutterlüty: Kein Salz, kein Zucker, kein Kaffee, kein Alkohol. Und keto-vegan, also keine tierischen Produkte und keine Kohlenhydrate. Ein Jahr lang. Laut diesem Arzt war diese strenge Ernährungsform die einzige Möglichkeit für meinen Körper, diese Entzündung abzubauen.

 

Land schafft Leben: Hat die Umstellung tatsächlich etwas gebracht?

Jürgen Sutterlüty: Ich war vollkommen geflasht, wie schnell ich Erfolge sah, nach fünf Wochen hatte ich keine Schmerzen mehr.

 

Land schafft Leben: Da bekommt man auf Lebensmittel und unsere Ernährung eine ganz andere Sichtweise. Wie geht es dir heute, wenn du in einen Supermarkt gehst und dort eine riesige Auswahl an Lebensmitteln siehst, die alles andere als gesund sind?

Jürgen Sutterlüty: Diesen Blick hatte ich auch vorher schon, dass wir alle zu viel Zucker, zu viel Salz, zu viele industrialisierte Lebensmittel konsumieren. Wir haben eine falsche Realität, wenn wir in den Supermarkt gehen. Wir glauben, hier wird uns Vielfalt geboten, dabei ist diese „Vielfalt“ weltweit nur abhängig von zwölf Großkonzernen. Vielfalt sollte aber eigentlich bedeuten, dass auch die Kleineren, Unbedeutenderen ihre Daseinsberechtigung haben. Je natürlicher, je ehrlicher, je unverfälschter ein Lebensmittel produziert wird, desto mehr positiven Einfluss hat es auf uns Menschen – das gilt nicht nur für die Ernährung und die Gesundheit, sondern auch für die Lebensqualität. Alles ist ein Netzwerk, an der Landwirtschaft hängt schließlich auch der Tourismus und generell das Image einer Region. Ohneeinander geht es also gar nicht.

Jürgen Sutterlüty im Gespräch mit Hannes Royer (c) Land schafft Leben

 

Land schafft Leben: Bei Sutterlüty achtet ihr ja sehr stark auf diese Vernetzung. Welche Rolle spielt die Regionalität bei euch?

Jürgen Sutterlüty: Wir versuchen, den Konsumentinnen und Konsumenten wahre Vielfalt zu zeigen. Wir fördern Frische, Lokalität, unverarbeitete Lebensmittel, Kleinunternehmertum und Kulturgut. Wir arbeiten mit 1.500 lokalen Partnerbetrieben zusammen und regen diese auch dazu an, sich untereinander auszutauschen und zusammenzuarbeiten. Und es zahlt sich aus, die Leute wissen das zu wertschätzen – 33 Prozent unseres Gesamtumsatzes erzielen wir mit regionalen Produkten. Ich kenne keinen Händler weltweit, der das erreicht.

 

Land schafft Leben: Was ist dir wichtiger: Regionalität oder Qualität?

Jürgen Sutterlüty: Als Lebensmittelhändler muss man sich immer überlegen, was man als regional kennzeichnen will. Der ehemalige deutsche Vizekanzler Joschka Fischer hat einmal gesagt: „Regionaler Mist bleibt auch Mist“. Damit ist gemeint, dass etwas, das regional industriell produziert wird, nicht besser ist als etwas, das irgendwo anders industriell produziert wird. Es geht schlussendlich immer um die Qualität. Regionalität in Verbindung mit Produktionsweise, Inhaltsstoffen und Geschmack ist das Erfolgsrezept für ein richtig gutes Lebensmittel. Dieses Thema versuchen wir bei Sutterlüty stets weiterzuentwickeln. Und weil wir das Thema regionale Qualität seit 70 Jahren so stark prägen, hat das durchaus einen großen Einfluss – in Vorarlberg aber auch anderswo, wo sich Händler Inspiration und Tipps von uns holen.

 

Land schafft Leben: Um den Gesundheitsaspekt nochmal aufzugreifen – 50 Prozent der Erwachsenen in Österreich sind übergewichtig oder sogar adipös. Seit Corona nimmt auch bei Kindern die Fettleibigkeit massiv zu. Gleichzeitig sieht man, dass das Convenience-Sortiment in den Supermärkten nahezu explodiert. Wie nimmst du dieses Phänomen wahr?

Jürgen Sutterlüty: Anscheinend sind Produkte, die massenhaft Zucker und Salz beinhalten, cooler als die Wertigkeit, die hinter einem Produkt steht. Da hat die Politik auch noch einiges zu tun, denn wenn wir so weitermachen, dann werden uns die Gesundheitskosten massiv um die Ohren fliegen. Die japanische Lebensmittelkultur ist da ein gutes Positivbeispiel: Die ältesten gesunden Menschen Leben in Japan. Dort kann man wirklich viel über gesunde, wertschätzende Ernährung lernen. Bei uns steht immer nur der Preis im Vordergrund, der Qualitätsaspekt geht vollkommen verloren. Kauft man sich ein neues Gerät oder eine Maschine, prüft man die Qualität bis ins letzte Detail. Aber bei Lebensmitteln vergessen wir das vollkommen, nein, es interessiert uns meistens gar nicht, und das finde ich unglaublich. Denn immerhin sind Lebensmittel, wie das Wort schon sagt, das Mittel zum Leben und unsere wichtigste Vorrausetzung dafür.

 

Land schafft Leben: Was nimmst du mit aus dieser Zeit deines Lebens?

Jürgen Sutterlüty: Ich meine, immer auf meinen Körper geachtet zu haben. Aber jetzt weiß ich: Ich hab’s nicht richtig gemacht. Ich habe meinem Körper alles abgerungen, was man ihm abringen konnte, sowohl beruflich als auch sportlich. Heute lebe ich nah an einer veganen Ernährungsform und versuche auch jetzt noch, kein Salz in meine Ernährung zu integrieren. Salz, habe ich festgestellt, kann großen Schaden anrichten, genauso wie Zucker. Im Nachhinein betrachtet hätte mir nichts Besseres passieren können, weil ich unglaublich viel daraus gelernt habe. Und ich fühle mich jetzt so gut wie noch nie.

 

Das ganze Gespräch gibt es hier zum Nachhören:

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