Der Klimawandel in Zahlen: auf den Blickwinkel kommt es an
- Wer oder was wie stark zum Klimawandel beiträgt, lässt sich sehr unterschiedlich darstellen, man sollte sich bei allen Zahlen daher stets fragen, was genau sie aussagen und woher sie kommen.
- Wichtig ist etwa, ob es um globale Zahlen oder Zahlen für Österreich geht, ob die Landwirtschaft oder das gesamte Ernährungssystem gemeint ist oder welche Zeiträume dargestellt sind.
- Verlässliche und vergleichbare Zahlen zum Klimawandel, die den aktuellen Stand der Wissenschaft widerspiegeln, gibt es bei anerkannten Institutionen wie zum Beispiel dem Umweltbundesamt (UBA) oder dem Weltklimarat IPCC sowie bei Organisationen, die das UBA, den IPCC oder andere seriöse Quellen nutzen.
- Laut IPCC trägt das globale Ernährungssystem im Schnitt der Jahre 2007 bis 2016 zwischen 21 und 37 Prozent aller menschengemachten Treibhausgasemissionen bei.
- Laut Umweltbundesamt lag der Anteil der Landwirtschaft an den Treibhausgasemissionen in Österreich im Jahr 2020 bei 11 Prozent.
- Einem Staat werden nur die Emissionen angerechnet, die auf seinem Territorium entstehen.
- Ökobilanzen für Lebensmittel berücksichtigen auch Emissionen, die etwa in Form einer Vorleistung (Bsp. Futtermittel) in anderen Weltteilen ausgestoßen werden.
Beim Thema Klimawandel geht es schnell um die Frage der Schuld. Oder, um es weniger religiös zu formulieren: Alle wollen wissen, wer oder was wie viel zur Erderwärmung beiträgt. Bei der ernsthaften Auseinandersetzung mit solchen Fragen kann es schnell zu rauchenden Köpfen kommen. Der Teufel liegt, wie so oft, im Detail.
Eine der wichtigsten Botschaften lautet: Wer oder was wie stark zum Klimawandel beiträgt, lässt sich sehr unterschiedlich darstellen. Der Zweck eines CO2-Fußabdrucks bzw. einer CO2-Bilanz liegt darin, die Klimawirkung von Produkten, Ländern, Organisationen, Personen oder auch der gesamten Menschheit in Zahlen zu gießen. Das Maß aller Dinge ist dabei – in der Regel – die Menge der ausgestoßenen Treibhausgase, ausgedrückt in CO2-Äquivalenten.
So soll beispielsweise beantwortet werden, in welchem Ausmaß Fleisch, Getreide, Schuhe, Mallorca-Flüge, Stahlkonzerne, der Staat Österreich oder die in Österreich lebenden Menschen zur Klimaerwärmung beitragen. Häufig werden globale, nationale oder Unternehmens-Durchschnittswerte genannt, während es ein anderes Mal um absolute Treibhausgas-Mengen geht, die einzelne Länder, Wirtschaftszweige, Unternehmen oder die gesamte Welt innerhalb einer bestimmten Zeitspanne ausstoßen.
Gesprochen wird umgangssprachlich meist von „CO2-Ausstoß, -Bilanz, -Fußabdruck“ oder auch einfach von „Klima-Bilanz“. Hinter dem Begriff CO2 verbirgt sich aber meistens weit mehr als nur das Klimagas Kohlenstoffdioxid (CO2). Gemeint sind meist die sogenannten CO2-Äquivalente. In die Summe der CO2-Äquivalente ist auch die Wirkung weiterer Klimagase wie Methan (CH4) oder Lachgas (N2O) mit eingerechnet. Mehr dazu im Abschnitt Die Kuh und das Methan: eine Frage der Bewertung.
Nicht selten kommt es vor, dass etwa in den Medien wesentliche Zahlen und Fakten zum Klimawandel verwechselt werden oder es im Unklaren bleibt, worauf genau sich eine Zahl bezieht. Wenn zum Beispiel nur von der Landwirtschaft die Rede ist, bleibt offen, ob die globale Landwirtschaft als Ganzes oder vielleicht die österreichische oder steirische Landwirtschaft gemeint ist. Immer wieder kommt es auch zu Verwechslungen zwischen den Begriffen Landwirtschaft und Ernährungssystem. Letzteres umfasst mehr als Landwirtschaft, zum Beispiel auch die Verarbeitung und Kühlung von Lebensmitteln. Wenn zusätzlich Angaben zur Quelle der Zahlen fehlen, lässt sich nur schwer nachvollziehen, was wirklich Kern der Aussage ist. Problematisch ist das nicht zuletzt deshalb, weil es einen erheblichen Unterschied machen kann, ob sich prozentuale Anteile auf den nationalen oder globalen Gesamt-Ausstoß an Klimagasen oder etwa auf den nationalen oder globalen Anteil an den landwirtschaftlichen Emissionen beziehen.
Und weil in all dem noch nicht genug Verwirrungspotenzial zu stecken scheint: In Detailfragen können Regeln und Grundsätze für solche Berechnungen auch noch von Quelle zu Quelle oder im Laufe der Zeit variieren. Seriöse und realitätsnahe Berechnungen lassen sich nicht immer leicht von Studien unterscheiden, bei denen Wünsche oder Idealvorstellungen maßgeblichen Einfluss hatten. Einer der Gründe dafür ist die begrüßenswerte Tatsache, dass die Wissenschaft frei ist. Nur so kann sie ihre Aufgabe erfüllen und bestehende Ansätze in Frage stellen und kontinuierlich verbessern. Neue Ansätze und Ergebnisse einer Gruppe von Forschenden erhalten irgendwann Einzug in den wissenschaftlichen Mainstream, wenn sie sich durch die Ergebnisse anderer Gruppen bestätigen lassen. Verlässliche Zahlen zum Klimawandel, die den Stand der Wissenschaft widerspiegeln, gibt es bei anerkannten wissenschaftlichen Institutionen, wie zum Beispiel dem Umweltbundesamt oder dem Weltklimarat IPCC, oder bei Organisationen, die solche wissenschaftlichen Institutionen als Quelle nutzen und angeben.
Grundsätzlich sollte man aber jede Form der CO2-Bilanz mit Adleraugen betrachten und sich stets fragen, was genau eine Zahl aussagt.
Die wichtigsten Zahlen zum Klimawandel für Österreich und die Welt
Es gibt eine Handvoll Faustzahlen, die dir in der Klimadebatte regelmäßig über den Weg laufen. Zum Teil werden diese selbst innerhalb von Institutionen wie dem IPCC aus unterschiedlichen Blickwinkeln präsentiert. Das bedeutet nicht, dass sie sich gegenseitig widersprechen. Vielmehr gilt auch hier wieder die Notwendigkeit, genau hinzusehen.
Es ist wichtig, zwischen dem Sektor Landwirtschaft und einer sektorenübergreifenden Betrachtung des gesamten Ernährungssystems zu unterscheiden.
Warum ist das so wichtig?
Kurz und vereinfacht gesagt: Landwirtschaft ist das, was unmittelbar im Zusammenhang mit der Produktion von pflanzlichen und tierischen Agrargütern steht. Anders formuliert: das, was auf dem Bauernhof und seinen Nutzflächen passiert.
Sobald das rohe Lebensmittel die Schwelle des Hofes überschreitet, wird es zum Rohstoff und Ausgangsmaterial für die Lebensmittelwirtschaft. Sie ist es, die Getreide zu Brot, Milch zu Käse oder Schweinefleisch zu Schnitzel verarbeitet. Wer den Blick also auf das gesamte Ernährungssystem richtet, der blickt weit über die Landwirtschaft hinaus auf sämtliche Vorgänge, die ablaufen, bis ein Lebensmittel fertig zubereitet auf unserem Teller liegt, egal ob im Restaurant, in der Kantine oder zu Hause.
Wir alle, egal ob Bäuerin oder Konsument, ob Düngemittelhersteller oder Würstelstandlerin, sind Teil des Ernährungssystems. Selbst indem wir lokal produzieren und konsumieren, tragen wir damit unseren Teil zu einer globalen Gesamtbilanz bei. Durch dieses globale Ernährungssystem, dessen Teil auch du bist, wird ein beachtlicher Teil der globalen menschengemachten Treibhausgasemissionen verursacht.
Angefangen hat diese Entwicklung in Europa spätestens mit dem Roden von Wäldern, also Kohlenstoffspeichern, durch die ersten Ackerbauern vor rund 7.000 Jahren. Die Natur und das Klima durch unser Bedürfnis nach Essen zu beeinflussen und zu verändern, scheint also in gewisser Weise Teil der menschlichen Natur zu sein. Auch, wenn es mit der Produktion von Lebensmitteln angefangen hat, heute beeinflusst der Mensch seine Umwelt vor allem wegen seines Bedürfnisses nach Energie und Materialen, die ihm Wohlstand, Komfort und Sicherheit bringen.
Was das Ganze heute zur Herausforderung macht, sind Ausmaß und Dimension der Veränderungen, die durch eine Weltbevölkerung von 8 Milliarden Menschen bedingt sind.
Kannst du hier noch die fossilen Brennstoffe einführen, damit man gedanklich nicht nur in der Landwirtschaft bleibt, weil wir ja damit das Gros der Emissionen heute verursachen, wie etwa Angefangen mit dem Roden der Wälder - zieht sich heute bis zur Produktion von Kunststoffen oder der Mobilität, die wir uns durch die Verwendung fossiler Rohstoffe ermöglichen.
Der Weltklimarat IPCC geht in seinem Sonderbericht „Klimawandel und Landsysteme“ aus dem Jahr 2019 davon aus, dass das globale Ernährungssystem heute (im Schnitt der Jahre 2007 bis 2016) einen Anteil zwischen 21 und 37 Prozent an allen menschengemachten Emissionen verursacht. Darin sind alle Emissionen berücksichtigt, die über die gesamte Lieferkette betrachtet durch die Bereitstellung unseres Essens ausgelöst werden. Die landwirtschaftliche Urproduktion von pflanzlichen und tierischen Nahrungsmitteln auf Feldern, Wiesen, Weiden oder in Ställen ist lediglich ein Teil davon, wenn auch mit 9 bis 14 Prozent der menschengemachten Emissionen ein beträchtlicher.
Hinzu kommen die Emissionen der sogenannten vor- und nachgelagerten Bereiche, beim IPCC als beyond farm gate, also „jenseits des Hoftors“ bezeichnet: Der landwirtschaftlichen Produktion vor-gelagert sind beispielsweise die teils sehr energieintensive Herstellung von Düngern, Pflanzenschutzmitteln oder Treibstoffen. Zum nach-gelagerten Bereich zählen u. a. die Verarbeitung, die Kühlung oder der Transport von Lebensmitteln. Die Schätzung der Gesamt-Emissionsmenge des Ernährungssystems beinhaltet auch jene Lebensmittelmengen, die durch Verluste und Verschwendung verlorengehen und nie konsumiert werden. Allein ihr Anteil an allen menschengemachten Emissionen wird im besagten IPCC-Bericht auf 8 bis 10 Prozent beziffert. Lebensmittel verrotten etwa wegen unzureichender Erntetechnik am Feld oder, wie zum Teil in manchen Ländern Afrikas, während Transport und Lagerung (Lebensmittel-„Verluste“). Für Österreich und andere reichere Staaten besonders relevant ist, dass Lebensmittel etwa aufgrund der Fehlinterpretation des Mindesthaltbarkeitsdatums vom Kühlschrank direkt in den Mistkübel wandern (Lebensmittel-„Verschwendung“). Zu Letzterem trägt auch bei, wenn zu viele Lebensmittel – womöglich aufgrund „zu billiger“ Preise – auf einmal eingekauft und dann im Kühlschrank liegen gelassen werden. Das Ausmaß der Lebensmittelverschwendung können wir alle beeinflussen und damit wirksamen Klimaschutz betreiben. Mehr dazu findest du in unserem Hintergrundbericht zum Thema Lebensmittelverschwendung.
Die große Bandbreite von 16 Prozentpunkten, die zwischen 21 und 37 Prozent liegt, zeigt ein weiteres Problem auf: Es handelt sich um einen Schätzbereich. Zwar basiert dieser auf exemplarischen Messungen und Beobachtungen, ist fundiert und wohl das Beste, was wir haben, aber dennoch kennen wir den tatsächlichen exakten Wert nicht. Manches kann die Wissenschaft nicht mit der Genauigkeit angeben, die man sich wünschen würde. Die transparente Angabe solcher Schätzbereiche ist daher eher mit ein Beleg für die Seriosität eines Berichts.
Ein in der öffentlichen Diskussion häufig übersehener Punkt ist die Landnutzung. Sie ist in dieser Darstellung des IPCC innerhalb des Ernährungssystems, neben den bereits genannten Kategorien Landwirtschaft und beyond farm gate eine weitere von insgesamt drei zu unterscheidenden Kategorien.
Vereinfacht gesagt stecken hinter den Begriffen Landnutzung und Landnutzungsänderung menschliche Aktivitäten, die eine Fläche von einer gegebenen Nutzungsart in eine andere überführen. Konkret gemeint ist damit vor allem das Roden von Wäldern, die Umwandlung von Grünlandflächen in Äcker oder das Trockenlegen von Feuchtwiesen und Mooren zum Zwecke der Neugewinnung von Acker- oder Weideland. Global betrachtet stellen Landnutzungsänderungen den mit Abstand wichtigsten Einflussfaktor der Landwirtschaft bzw. des gesamten Ernährungssystems auf den Klimawandel dar. Mehr dazu im Kapitel Unterschätzter Faktor Landnutzung.
Neben der Betrachtung des gesamten Ernährungssystems lohnt sich der Blick auf die Gesamtheit aller menschengemachten Treibhausgasemissionen, die der IPCC in unterschiedliche Emissions-Sektoren aufgeteilt hat. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, findet sich die Landwirtschaft im Sektor „Landwirtschaft, Forstwirtschaft und sonstige Landnutzung“ (AFOLU – Agriculture, Forestry and other Land Use) wieder. Unsere Grafik zeigt Daten aus dem sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC aus dem Jahr 2022. Zu sehen sind die Sektoren und ihre jeweiligen Anteile an den gesamten menschengemachten Treibhausgasen des Jahres 2019.
Zu beachten ist: Die Emissionen aus der Elektrizitäts- und Wärmeproduktion wurden in diesem Fall den Sektoren ihrer endgültigen Verwendung zugeschlagen, zum Beispiel als Heizwärme dem Gebäude-Sektor. Der Sektor „Sonstige Energie“ beinhaltet Emissionen, die etwa bei der Förderung oder Verarbeitung fossiler Brennstoffe, aber noch vor deren eigentlicher Nutzung beziehungsweise Verbrennung entstehen. Andere Darstellungen des IPCC fassen alle Energieemissionen zu einem eigenen Sektor „Elektrizität und Wärme“ zusammen, wodurch sich die jeweiligen Anteile an den Gesamtemissionen gegebenenfalls ändern.
Insgesamt verursachte die Menschheit im Jahr 2019 den Ausstoß von Treibhausgasen in Höhe von rund 59 Gigatonnen CO2-Äquivalenten, spricht 59 Milliarden Tonnen. Das entspricht ungefähr 20 Prozent mehr als dem Gewicht des Wassers im Bodensee. Jeder Mensch hat demnach durchschnittlich den Ausstoß von sieben Tonnen Treibhausgasen verursacht.11
Aus dem Sektor „Landwirtschaft, Forstwirtschaft und sonstige Landnutzung“ (AFOLU, s. Grafik) stammen demnach 22 Prozent der globalen Emissionen des Jahres 2019. Dieser Sektor entspricht wiederum – jedenfalls in einer groben Annäherung – den zwei Kategorien „Landwirtschaft“ und „Landnutzung“ aus der Darstellung der Emissionen des gesamten Ernährungssystems weiter oben. Allerdings wird dort ein anderer Zeitraum dargestellt. Zudem ergeben sich geringfügigere Unterschiede dadurch, dass der AFOLU-Sektor auch rein forstwirtschaftliche Emissionen enthält, die sich etwa durch die Holzernte ergeben, während diese in der Darstellung des Ernährungssystems nicht enthalten sind.
Die Emissionen dieses AFOLU12-Sektors lassen sich weiter in verschiedene konkrete Quellen von Treibhausgasen aufschlüsseln. Laut IPCC sind dies in der Reihenfolge ihrer Bedeutung:
- Rodung von Wäldern, Entwässerung und Bewirtschaftung von Mooren, Umwandlung von Grünland- zu Ackerflächen (Kohlendioxid), Emissionen der Forstwirtschaft; offiziell zusammengefasst als Kategorie „Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft“ (LULUCF)13
- Verdauungsapparat von Wiederkäuern wie Rindern, Schafen und Ziegen (Methan)
- Ackerböden und Weiden (Kohlendioxid und Lachgas)
- Reisanbau (Methan)
- Lagerung und Behandlung von Wirtschaftsdüngern (Lachgas und Methan)
- Ausbringung synthetischer Stickstoffdünger bzw. „Kunstdünger“ (Lachgas)
- Verbrennung von Ernterückständen (CO2, Methan)
Anzumerken ist, dass der Sektor AFOLU nicht die Emissionen enthält, die durch die Verbrennung von Treibstoffen in Traktoren und anderen landwirtschaftlichen Maschinen entstehen. Diese werden in den IPCC-Bilanzen dem Transport-Sektor zugeschlagen. Auf der Ebene Österreichs sind diese, im Gegensatz dazu, im Sektor Landwirtschaft zu finden. Dies ist einer der Gründe dafür, warum sich Darstellungen und Kategorien des Weltklimarats nicht immer 1:1 mit solchen aus dem österreichischen Klimaschutzbericht vergleichen lassen.
Die Landwirtschaft industrialisierter Länder wie Österreich arbeitet im Großen und Ganzen deutlich effizienter und damit in vielerlei Hinsicht umweltschonender als im globalen Durchschnitt. Das heißt keinesfalls, dass die heimische oder die EU-Landwirtschaft als Ganzes keine negativen Umwelt- und Klimaauswirkungen mit sich bringt. Aber diese fallen im globalen Vergleich oft geringer aus, vor allem, wenn man sie auf die produzierte Menge an Lebensmitteln umlegt. Schau dir dazu auch den Abschnitt Vergleichsweise klimafreundlich: tierische Lebensmittel aus Österreich an!
Das liegt unter anderem an moderneren Produktionsmethoden. Beispiel Mineraldüngerausbringung: In vielen Ländern Asiens etwa wird dieser von intensiv wirtschaftenden Kleinbauern oft noch von Hand verstreut und dadurch wenig genau dosiert. Da der einzelnen Bäuerin oftmals nur wenig Land zur Verfügung steht – laut der Datenwebseite Our World in Data14 bewirtschaften 84 Prozent der weltweit 570 Millionen Bauernhöfe weniger als zwei Hektar Land – ist sie oftmals noch mehr als andere davon abhängig, auf geringer Fläche möglichst gute Erträge zu ernten. Dünger zu sparen ist daher meist nicht ihr erstes Interesse, zumal sich beispielsweise eine zehnprozentige Einsparung bei kleiner Ausgangsmenge viel weniger bemerkbar macht als bei großer Ausgangsmenge. Düngersparen lohnt sich für große Betriebe mehr als für kleine.
Ähnliches gilt auch für die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln. Unser Foto zeigt einen Kleinbauern in Bangladesch, aufgenommen im Jahr 2018. Der Mann spritzt seine Melanzani mit der Rückenspritze gegen Insekten. Die Dosierung der Ausbringungsmenge erfolgt von Hand und nach Augenmaß.
In Österreich dagegen wird fast ausschließlich maschinell gespritzt und gedüngt. Zur Düngung wird meist ein Traktor mit einem angehängten Düngerstreuer verwendet, bei dem die gewünschte Ausbringungsmenge pro Fläche eingestellt werden kann. Zwar gibt es auch bei dieser maschinellen Ausbringung große Unterschiede zwischen eher veralteter Technik und modernen, satelliten- und sensorgesteuerten Maschinen. Dennoch wird hierzulande deutlich weniger Dünger verschwendet, nicht zuletzt auch aufgrund entsprechender Gesetze und Kontrollen.
Bestätigt wird dies durch Daten zur sogenannten Stickstoffnutzungseffizienz, wie sie auf der Webseite Our World in Data dargestellt sind. Stickstoff ist ein unersetzlicher Baustein aller Eiweiße und daher ein essenzielles chemisches Element für alle Lebewesen. Es wird als organischer Dünger (Gülle, Mist, Kompost) oder in synthetisch-mineralischer Form als „Kunstdünger“ in der Landwirtschaft genutzt. Die Nutzungseffizienz gibt an, welcher Anteil des ausgebrachten Düngers auch tatsächlich von den Pflanzen aufgenommen wird. Den genannten Daten zufolge finden sich etwa in China und Indien im Schnitt lediglich 32 beziehungsweise 34 Prozent der ausgebrachten Menge auch im geernteten Produkt wieder. Der große Rest wird in die Umwelt ausgetragen. Dabei wird der Stickstoff unter anderem in klimaschädliches Lachgas umgewandelt. Das passiert zwar auch in Österreich, allerdings ist die Stickstoffnutzungseffizienz der zugrundeliegenden Studie zufolge hier mit 86 Prozent deutlich höher.
Ein weiteres Beispiel ist die Produktion von Milch und Rindfleisch. Diese basiert in Österreich unter anderem auf einem hohen Grad an Selbstversorgung mit Futter und einer relativ hohen Milchleistung pro Kuh von durchschnittlich rund 7000 Litern Milch pro Jahr. Durch die weitgehende Selbstversorgung mit Futter sowie den Verzicht auf Importfuttermittel aus Regenwaldgebieten fallen Emissionen aus Landnutzungsänderungen in der Regel weg. Der hohe Anteil an Gras in der Futterversorgung (laut Schätzungen zwischen 70 und 80 Prozent im Durchschnitt der Milcherzeugung15) stammt aus dem hierzulande reichlich vorhandenen Grünland und ist das wesentliche Merkmal einer standortgerechten Landwirtschaft des Alpenraums. Gräser und Kräuter werden in Form von Weidegras, Gras-Silage, Heu oder Frischgras (im Stall) verfüttert.
Gleichzeitig ermöglicht es die im Vergleich zu weniger entwickelten Ländern hohe Milchleistung, mehr Milch mit weniger Kühen zu produzieren, wodurch der Methanausstoß geringer ausfällt. Mehr dazu findest du im Kapitel „Methan und die Frage seiner Bewertung“ (Link). Zudem wird in der heimischen Rinderwirtschaft häufig die Rinderrasse „Fleckvieh“, eine sogenannte Zweinutzungsrasse eingesetzt. Deren männliche Kälber sind gut geeignet für die Produktion von Rindfleisch und werden als Ochsen oder Stiere gemästet, während die weiblichen Nachkommen zumeist als Milchkühe eingesetzt werden und Milch liefern. Dadurch verteilen sich die Emissionen auf eine deutlich größere Gesamt-Produktmenge aus Milch und Fleisch als bei der Nutzung von Rassen, die jeweils entweder auf Milchproduktion (Beispiel: Rasse „Holstein“) oder auf Fleischproduktion spezialisiert sind (Beispiel: Rasse Angus).
Und dennoch zählt die Landwirtschaft auch in Österreich zu den Verursachern von Treibhausgasen. Der Sektor trug 11 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen Österreichs des Jahres 2020 bei. Wie die Landwirtschaft auf der anderen Seite zu einer Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre beitragen kann, kannst du weiter unten lesen.
Der Beitrag zum Klimawandel lässt sich auch nach den dabei beteiligten Treibhausgasen aufschlüsseln. Dabei zeigt sich, dass Kohlendioxid das mit Abstand wichtigste Gas in diesem Zusammenhang darstellt. Es trug im Jahr 2019 insgesamt 75 Prozent aller menschengemachten Klimagase bei. Das zweitwichtigste Gas ist Methan, das, umgerechnet in CO2-Äquivalente, 18 Prozent der Klimaerwärmung beisteuert. Frei wird es vor allem durch die Rinderhaltung, die Förderung von Kohle und Erdgas (das aus Methan besteht) sowie durch den Anbau von Nassreis.
Vor allem in früheren Medienberichten wurde häufig behauptet, dass Kühe beziehungsweise die Tierhaltung für eine größere Menge an Treibhausgasen verantwortlich seien als Autos beziehungsweise der Verkehr als Ganzes. Zurück geht diese Behauptung auf eine längst zurückgezogene Aussage der Weltlandwirtschafts-Organisation FAO aus dem Jahr 2006. Dennoch geisterte die Falschbehauptung jahrelang durch die Medienlandschaft. Aber welchen Anteil an den Emissionen hat die Tierhaltung wirklich?
Die Frage ist nicht leicht zu beantworten, denn auch hier kommt es sehr darauf an, was genau man vergleicht, in welcher Weise einzelne Parameter wie die Auswirkungen des Treibhausgases Methan oder der Landnutzung einberechnet werden (mehr dazu findest du in den folgenden Kapiteln) und welche Zeiträume man betrachtet.
Die FAO hat ihre Angaben dazu im Laufe der Zeit immer wieder angepasst. Laut eines FAO-Berichts aus dem Jahr 2006 betrug der Anteil der globalen Tierhaltung an allen menschengemachten Treibhausgasemissionen rund 18 Prozent. Direkt verknüpft wurde diese Aussage mit dem Satz „Dieser Anteil ist größer als der des Transports“16. Dieser Satz gilt als der Ursprung zahlreicher Medienberichte, obwohl er kurz danach zurückgenommen werden musste. Was war passiert? Zugrunde liegt der Aussage ein unsachgemäßer Vergleich, bei dem die Emissionen der Tierhaltung inklusive aller damit in Zusammenhang stehenden Emissionsquellen berechnet wurden, also inklusive Futteranbau, Landnutzung, Kühlung, Transport, usw., während beim Verkehr wichtige Emissionsquellen wie die Produktion von Autos, Treibstoff oder der Bau von Straßen ausgeklammert wurden.
Eine FAO-Veröffentlichung aus dem Jahr 2013 bezifferte den Anteil der globalen Tierhaltung auf 14,5 Prozent17 aller menschengemachten Treibhausgase – diese Zahl wird noch immer häufig genannt. Und schließlich präsentiert die FAO auf ihrer Webseite im Jahr 2022 einen Anteil der Tierhaltung von 11 Prozent an den Gesamt-Emissionen des Jahres 201518.
All die genannten Zahlen stammen von der FAO, also grundsätzlich von einer seriösen und fundierten Quelle, beziehen sich aber auf unterschiedliche Zeiträume, in denen man auch für den Verkehr auf unterschiedliche Zahlen kommt. Laut den IPCC-Zahlen ist der Transport-Sektor für 15 Prozent der globalen Gesamtemissionen 2019 verantwortlich, wobei sich auch hier ein Vergleich zwischen FAO- und IPCC-Zahlen aufgrund der Unterschiedlichkeit ihres Zustandekommens eigentlich verbietet.
Schaut man einfach nur auf die Zahlen für Österreich, wie sie im offiziellen Klimaschutzbericht 2022 festgehalten sind, dann zeigt sich, dass der gesamte Sektor Landwirtschaft für 11 Prozent und der Sektor Verkehr für 28 Prozent der nationalen Emissionen verantwortlich ist. Beachtenswert ist außerdem, dass der Treibhausgasausstoß des Verkehrssektors zwischen 1990 und 2020 um satte 51 Prozent angewachsen ist, während die Emissionen der Landwirtschaft im selben Zeitraum um 16 Prozent zurückgegangen sind.19
Keine Frage ist: Die Haltung von Nutztieren verursacht Treibhausgase – aber eben auch wertvolle Lebensmittel. Und während der natürliche idealtypische Lebensraum des Rindes das Grünland ist, bewegt sich das Auto auf asphaltierten Straßen und verbrennt dabei zumeist noch immer fossile Energieträger.
Landwirtschaft als Kohlenstoff-Senke
Bislang haben wir die Landwirtschaft beziehungsweise den Landnutzungssektor vor allem als Quelle von Treibhausgasen besprochen und du fragst dich vielleicht, wie das sein kann. Schließlich nehmen die Kulturpflanzen während ihres Wachstums auf dem Acker oder auf der Wiese ja auch CO2 aus der Luft auf. Sollte man das nicht auch berücksichtigen?
Dazu muss man zwei verschiedene Aspekte unterscheiden: die kurzfristige Einlagerung von Kohlenstoff im Zuge des saisonalen Wachstums von Pflanzen auf der einen Seite und die langfristige Bindung von CO2 im Sinne einer nach den internationalen Regeln anerkannten Kohlenstoffsenke. In der Tat kann ein Feld, auf dem etwa Mais wächst, beachtliche Mengen an CO2 aus der Luft ziehen. Allerdings werden diese Kulturpflanzen nach wenigen Monaten geerntet und gefressen beziehungsweise gegessen. Das kurz zuvor gebundene CO2 landet dabei über den Stoffwechsel und die Atmung wieder zurück in der Atmosphäre. Das Ganze ist sozusagen ein Nullsummenspiel. Deshalb wird die saisonale Einlagerung von Kohlenstoff nicht als sogenannte Negativ-Emission bzw. als Kohlenstoffsenke gewertet. Genauso wie umgekehrt die Ausatmung von CO2 durch Menschen oder Tiere nicht als klimaschädliche Treibhausgasemission bilanziert wird.
Etwas anderes ist es, wenn die Einlagerung von Kohlenstoff von größerer Dauer ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn eine Fläche von Ackerland in Grünland oder Wald umgewandelt wird. Zwar wird auch das Gras des Grünlandes geerntet bzw. gefressen und entlässt zuerst eingelagerten Kohlenstoff wieder als CO2 in die Luft, genau wie der eben beschriebene Mais. Der entscheidende Unterschied liegt aber darin, dass der Maisacker nach der Ernte in der Regel wieder umgebrochen wird, wodurch vermehrt Sauerstoff in den Boden gelangt, und Mikroorganismen angeregt werden, organisches Material wie die Wurzeln des Mais wieder zu zersetzen. Der in diesen Wurzeln gespeicherte Kohlenstoff entweicht dadurch in die Atmosphäre.
Grünland als Senke und Quelle
Auf einer Wiese oder Weide bleibt der Boden dagegen unbearbeitet. Auch hier stirbt zwar regelmäßig ein Teil der Wurzelmasse ab, aber dieser wird weniger schnell und nicht vollständig zersetzt, sodass sich Humus mit darin gespeichertem Kohlenstoff aufbauen kann, während zudem neue Wurzeln hinzukommen. Ähnliches gilt für den Wald. Von Acker in Grünland oder Wald umgewandelte Flächen können so als Kohlenstoff-Senke funktionieren, zumindest bis sich auf einem höheren Humus-Niveau ein neues Gleichgewicht eingestellt hat.
Laut einer FAO-Studie20 aus dem Jahr 2023 fällt die jährliche Kohlenstoffbilanz für die Mehrheit der Grünlandböden weltweit positiv aus, das heißt: sie lagern zusätzlichen Kohlenstoff ein oder können den Gehalt zumindest halten. Allerdings gibt es demnach große Unterschiede. Während viele Grünlandböden etwa in Südamerika aufgrund schlechter Bewirtschaftung und des Klimawandels eher Kohlenstoff verlieren, sind sie beispielsweise in Russland oder Westeuropa mehrheitlich bereits gut gesättigt und können – selbst bei „bester Bewirtschaftung“ – nur noch geringfügige Mengen an zusätzlichem Kohlenstoff einlagern. Von großer Bedeutung ist in diesem Fall aber der Erhalt des Grünlands. Als Maßnahmen zur Steigerung bzw. zum Erhalt des Kohlenstoffgehalts von Grünlandböden nennt die Studie die Einbeziehung von tierischem Dünger, Agroforstsystemen (also die Kombination mit Gehölzen) oder die rotierende Beweidung, bei der Tiere eine bestimmte Zeit auf einer abgegrenzten Fläche grasen und dann zur nächsten ziehen.
Laut Klimaschutzbericht 2022 stellt das Grünland in Österreich insgesamt eine leichte Quelle von Emissionen dar. Das liegt vor allem daran, dass ein kleiner Teil davon auf entwässerten Moorböden liegt (siehe dazu den Abschnitt „Moore als Hidden Champions“ und ein anderer kleiner Teil kurzfristig auf gerodeten Waldflächen entstanden ist.
Ackerland als Senke und Quelle
Auch Ackerland kann grundsätzlich sowohl als Netto-Senke als auch als Netto-Quelle von CO2-Emissionen in Erscheinung treten. Laut Klimaschutzbericht 2022 war Ackerland in Österreich zu Beginn der 2000er-Jahre eine Netto-Kohlenstoffsenke, was vor allem auf humusaufbauende Maßnahmen zurückzuführen ist, die durch das Agrar-Umweltprogramm ÖPUL seit 1995 gefördert werden und seither wirksam sind. Da irgendwann aber kein zusätzlicher Kohlenstoff eingelagert, sondern „nur“ das Niveau gehalten werden kann, wird die Senken-Leistung für 20 Jahre angerechnet. Inzwischen ist Ackerland in Österreich laut Bilanz wieder eine leichte Quelle für Emissionen. Das liegt aber nicht daran, dass die Böden nun wieder schlechter bewirtschaftet würden. Grund ist vielmehr, dass die Senken-Leistung aus besagtem Grund nur 20 Jahre lang geltend gemacht werden kann. Diese Zeit ist für viele Flächen abgelaufen. Die geringfügigen Emissionen stammen aus der Umwandlung von Grün- zu Ackerland (Landnutzugsänderungen), die dem Ackerland angelastet werden.
Siedlungsbau ist Österreichs größter Emissions-Quelle im Bereich Landnutzung
Die größte Quelle von Emissionen im Bereich der Landnutzung stellt in Österreich übrigens die Umwandlung von Land in Siedlungsflächen dar. Emissionen aus klimaschädlichen Landnutzungsänderungen (wie z. B. Waldrodung, Grünlandumbruch, Siedlungsbau) werden im österreichischen Klimaschutzbericht mit den fürs Klima nützlichen Negativ-Emissionen (Senken-Leistungen, erkennbar an einem Minus vor der Zahl) gegengerechnet. In seiner Ausgabe 2022 heißt es: „Der Landnutzungssektor (...) ist über den gesamten Zeitraum 1990 bis 2020 eine Netto-Senke – das bedeutet, dass in den sieben Hauptkategorien21 mehr CO2 aus der Atmosphäre aufgenommen als abgegeben wurde.“22 Dies ist auch der Grund dafür, dass der Landnutzungssektor in der Darstellung der Emissionsquellen Österreichs im Klimaschutzbericht nicht aufscheint. Mehr zum Thema Landnutzung.
Agroforstwirtschaft und Pflugverzicht - Was ist Carbon Farming?
Unter dem Stichwort Carbon Farming sind in der Landwirtschaft Maßnahmen zu verstehen, mit deren Hilfe CO2 aus der Atmosphäre entfernt und in bewirtschafteten Flächen dauerhaft gespeichert werden soll. Dies kann einerseits durch Umwandlung von Ackerland in Wald (Aufforstung) oder Grünlandflächen sowie durch die Wiederherstellung von Mooren und Feuchtgebieten geschehen.
Andererseits kann auch eine weiterhin bestehende Ackerfläche mehr oder weniger Kohlenstoff in Form von Humus enthalten. Mit unterschiedlichen Maßnahmen lässt sich der Humusgehalt eines Ackers erhöhen. Dazu gehört zum Beispiel der Anbau von Zwischenfrüchten oder die sogenannte konservierende Bodenbearbeitung, bei der der Boden nicht mehr gewendet (gepflügt), sondern nur noch minimal und flach oder gar nicht mehr bearbeitet wird. Damit soll – jedenfalls in der oberflächennahen Bodenschicht – mehr organische Masse angereichert und zu dauerhaftem Humus umgewandelt werden können.
Auch mit Hilfe der Agroforstwirtschaft lässt sich CO2 aus der Luft entfernen und der darin enthaltene Kohlenstoff im Boden und seinem Bewuchs einlagern. Konkret werden dazu Strauch- (Hecken-) oder Baumreihen auf einem Feld oder einer Wiese angelegt und in die bewirtschafteten Flächen integriert.
Mit Einführung des Agrar-Umweltprogramms ÖPUL (Österreichisches Programm für umweltgerechte Landwirtschaft) im Jahr 1995 begann die finanzielle Förderung unter anderem auch von Maßnahmen, die auf eine Steigerung bzw. Stabilisierung des Humusgehalts von Ackerböden abzielt. Dazu gehören zum Beispiel der Anbau von Zwischenfrüchten zwischen zwei Hauptkulturen oder der Verzicht auf das Pflügen (Mulch- und Direktsaat).
Laut eines Berichts23 der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft und Bergbauernfragen aus dem Jahr 2019, haben diese Maßnahmen den Humusgehalt des durchschnittlichen Ackerbodens in Österreich merklich gesteigert. Der Bericht beruht auf einer Untersuchung von vier Ackerbaugebieten. Wörtlich heißt es darin: „In den ersten 10-15 Jahren nach Einführung der ÖPUL-Programme sind deutliche Zunahmen der Humusgehalte ersichtlich, in den letzten 8-10 Jahren konnten die Gehalte auf dem höheren Niveau in Oberösterreich stabil gehalten und im Tullner Feld und Marchfeld noch leicht erhöht werden.“
Weitere Erhöhungen des Humusgehaltes seien nun nur noch mit Hilfe von „umfassenderen Veränderungen in der Bewirtschaftung erreichbar.“ Dazu gehört etwa die Direktsaat, bei der der Boden gar nicht mehr bearbeitet und die neue Saat mittels spezieller Sämaschinen „direkt“ eingebracht wird, wobei nur ein schmaler Saatschlitz entsteht. Oder der vermehrte Anbau von Kleegras oder Luzerne. Beide Kulturen sammeln Stickstoff aus der Luft und reichern den Boden mit Humus an. Wirtschaftlich nutzbar sind sie vor allem in der Rinderhaltung. Einige Fachleute propagieren daher die bessere Verzahnung oder die Kooperation von heute meist spezialisierten Ackerbaubetrieben mit den ebenfalls spezialisierten Milchviehbetrieben. So könnte etwa Kleegras als hochwertiges Eiweißfutter Milchkühe ernähren und parallel den Humusgehalt im Ackerbau steigern.
Großer Unterschied: die Klimawirkung von Produktion und Konsum
Wichtig zu beachten ist: Die österreichische Landwirtschaft verursacht – indirekt – mehr Treibhausgasemissionen als sich in der nationalen Bilanz des Klimaschutzberichtes im Sektor Landwirtschaft wiederfinden. Emissionen, die etwa der Anbau von Soja in Brasilien verursacht, das dann in der österreichischen Schweinemast verfüttert wird, belasten die Treibhausgasbilanz der brasilianischen, und nicht der österreichischen Landwirtschaft. Das liegt an den international gültigen Regeln, die für das Erstellen solcher Bilanzen gelten.
Zum Hintergrund: Jeder Staat muss die Menge seiner Treibhausgasemissionen jährlich an den Weltklimarat IPCC berichten – genauer gesagt an das Sekretariat der sogenannten Klimarahmenkonvention UNFCCC (United Nations Framework Convention on Climate Change). Jedem Staat werden jene Emissionen angerechnet, die auf seinem eigenen Territorium entstehen. Sei es durch Fabriken, Kohlekraftwerke, Straßenverkehr, Büro- und Wohnhäuser oder in Ställen und auf Feldern. Dieser produktions- beziehungsweise territorial-basierte Ansatz bildet die Grundlage aller internationalen Vereinbarungen im Rahmen der Klimaschutzpolitik. Auch die nationalen Reduktionsziele beziehen sich auf die nach diesem Prinzip erstellten Bilanzen.
Ein Produkt durchläuft mehrere Sektoren und oft mehrere Länder
Erschwerend kommt hinzu: An der Bereitstellung eines Produkts sind stets mehrere Sektoren beteiligt. Welche Emission welchem Sektor zugerechnet wird, ist dabei nicht immer selbsterklärend. Außerdem wird diese Frage teilweise unterschiedlich gehandhabt, je nachdem, ob es sich etwa um eine Bilanz des IPCC oder um einen nationalen Klimaschutzbericht handelt.
Fährt zum Beispiel ein Traktor mit dem Düngerstreuer über ein Feld des Weinviertels, um synthetischen Stickstoffdünger auszubringen, dann stehen damit Emissionen in Zusammenhang, die mehreren unterschiedlichen Sektoren unterschiedlicher Länder angerechnet werden.
Der Traktor muss zunächst einmal gebaut werden. Allein das verursacht CO2-Emissionen in zahlreichen Ländern und unterschiedlichen Sektoren. Zum Beispiel bei der Stahlproduktion im Industrie-Sektor Chinas oder bei der Anlieferung der zahlreichen Komponenten im Transport-Sektor der jeweiligen Zuliefer-Länder und des Landes, in dem der Traktor zusammengebaut wird.
Auf dem Acker im Weinviertel verbrennt der Traktor in seinem Motor Diesel-Kraftstoff. Das dabei entstehende CO2 wird von den österreichischen Behörden gemäß den internationalen Richtlinien24 als Teil des Sektors Transport an den IPCC berichtet. Davon unabhängig sieht allerdings das Klimaschutzgesetz Österreichs vor, dieselben Emissionen aus dem Diesel-Kraftstoff im nationalen Klimaschutzbericht, statt im Sektor Transport im Sektor Landwirtschaft zu verbuchen. In diesem Punkt unterscheidet sich eine Darstellung des IPCC also von einer Darstellung des österreichischen Umweltbundesamts.
In jedem Fall verursacht aber nicht nur die Verbrennung des Diesels Emissionen, sondern bereits seine Herstellung aus Rohöl in der Raffinerie. Diese werden dem Energie-Sektor des Landes angerechnet, in dem die Raffinerie steht.
Ähnliches gilt für den synthetischen Stickstoffdünger. Wenn dieser zum Beispiel in Deutschland produziert wurde, dann werden die bei der Herstellung entstehenden CO2-Emissionen dem Industriesektor Deutschlands angerechnet, auch wenn die Nährstoffe schließlich österreichische Felder düngen. Dabei wird der Düngertransport bis zur Grenze dem deutschen und ab der Grenze dem österreichischen Transportsektor angelastet.
Und zuletzt verursacht der Dünger durch bakterielle Umwandlungsprozesse im Boden des Weinviertels auch die Freisetzung von klimaschädlichem Lachgas. Dieses wird der österreichischen Landwirtschaft zugerechnet.
Die Sache ist also kompliziert und vielschichtig. Der rein nationale Blickwinkel ist sinnvoll, solange es darum geht, die hier entstehenden Emissionen zu mindern, also vor der eigenen Haustüre zu kehren. Einen verlässlichen Rückschluss auf die Klimawirkung unseres Konsums lässt er aber nicht zu.
Wer alle Emissionsquellen auf einer Rechnung sehen möchte, die mit der Bereitstellung eines bestimmten Produkts in Verbindung stehen, der braucht eine sogenannte Ökobilanz. Nur sie verrät – über alle Sektoren und Länder hinweg – wie viele Emissionen ein Produkt insgesamt verursacht. Mehr dazu im Kapitel „Ökobilanz“.
Klimaschutz durch Abschaffung der Landwirtschaft?
Übrigens: Ein rein nationaler Blick auf den Klimawandel kann zu einem grotesken Bild führen. Würde Österreich seine Landwirtschaft komplett abschaffen und 100 Prozent seiner Nahrungsmittel aus dem Ausland einführen, dann sänke der Beitrag der hiesigen Landwirtschaft zur Klimaerwärmung auf null. Und die Gesamtemissionen des Landes würden mindestens um den sektoralen Anteil der Landwirtschaft schrumpfen, sprich um rund 11 Prozent.
Global betrachtet würden die Emissionsmengen allerdings wachsen, da viele Agrargüter hierzulande mit geringerem Treibhausgas-Ausstoß hergestellt werden als im globalen Durschnitt. Außerdem müssten sämtliche Lebensmittel und andere hierzulande konsumierten Agrargüter aus dem Ausland nach Österreich transportiert werden. Dies würde weitere zusätzliche Emissionen nach sich ziehen.
Die ehrliche Bilanz und der konsumbasierte Ansatz
Der offizielle Treibhausgasausstoß eines Landes ergibt sich also durch das Addieren aller Sektor-Emissionen des Landes. Etwas völlig anderes zeigt allerdings die aufsummierte „Klimalast“, die sich durch den Konsum all seiner Bewohnerinnen und Besucher ergibt. Das liegt daran, dass wir Produkte importieren und konsumieren, deren Klimawirkung aber den jeweiligen Herkunftsländern angerechnet wird. Umgekehrt belasten in Österreich produzierte Waren das nationale Treibhausgas-Budget auch dann, wenn sie exportiert und woanders verbraucht beziehungsweise genutzt werden.
Ein Beispiel: Zur Emissionsmenge, die aus der Produktion von Salami in Österreich dem nationalen Budget angerechnet wird, zählt, was direkt auf österreichischen Feldern, in Ställen oder in den Werken der Wursthersteller freigesetzt wird. Also etwa Lachgasemissionen aus der Düngung der heimischen Äcker, auf denen Futter für die Schweine wächst sowie aus dem Einsatz von Landmaschinen. Oder der CO2-Ausstoß, der im Zusammenhang mit der Kühlung des rohen Fleischs, dem Räuchern der Würste oder deren Transport innerhalb Österreichs entsteht.
Nicht in die nationale Bilanz fließen jene Emissionen ein, die dabei etwa in Südamerika entstehen können. Dort werden Sojabohnen angebaut, die zum Teil auch nach Österreich exportiert und als wichtige Eiweißkomponente ins Schweinefutter gemischt werden. Wenn dies der Fall ist, dann wird das Lachgas, das dort in Südamerika frei wird, beispielsweise dem brasilianischen oder argentinischen Budget angerechnet, nicht dem österreichischen. Genau wie die CO2-Moleküle, die aus frisch angelegten Ackerparzellen aufsteigen, die kurz zuvor noch mit Savannengras oder Regenwald bedeckt waren. Mehr zur Bedeutung solcher Landnutzungsänderungen findest du hier. Und hier findest du fast alles zum Thema „Soja“.
Ganz generell kommt hinzu, dass importierte Lebens- und Futtermittel logischerweise nach den im jeweiligen Herkunftsland geltenden Standards produziert werden. Diese unterscheiden sich von hiesigen Standards zum Teil stark. Ein Beispiel: Bei der sogenannten Reifespritzung (Sikkation) mit dem Wirkstoff Glyphosat, werden unvollständig abgereifte Pflanzen eines Sojabohnenfeldes oder anderer Kulturen künstlich ausgetrocknet und so zur Reife gebracht, wodurch sich Ernteverluste reduzieren lassen. Um selbst geringste Rückstandsspuren im Erntegut zu vermeiden, ist Reifespritzung mittels Glyphosat in Österreich verboten, in anderen Ländern hingegen erlaubt. Mehr zum Thema Glyphosat findest du in unserem Hintergrundbericht.
All dies gilt für sämtliche Bereiche der Wirtschaft und nicht nur für die Lebensmittelproduktion. Auch in Österreich eingesetzte Mobiltelefone, Autos oder Bekleidungstextilien verursachen Treibhausgasemissionen in den Ländern, wo die jeweiligen Produktionsschritte ablaufen. Nur die konsumbasierte Betrachtung, wie sie in unten stehender Grafik für die reinen CO2-Emissionen Österreichs dargestellt ist, zeigt daher die tatsächliche Klimawirkung der Bevölkerung. In diesem Fall allerdings ausschließlich für das wichtigste Treibhausgas CO2, also ohne Methan oder andere Klimagase.