Was tun? Das sind die Lösungen laut Weltklimarat
- Nachhaltige intergrierte Agrarsysteme
- Maßnahmen auf der Konsum-Seite
Wie soll die Zukunft des Ernährungssystems aussehen? Wie können vor allem Landwirtinnen und Konsumenten zur Eindämmung des Klimawandels beitragen, sich gleichzeitig an seine Folgen anpassen und dabei ausreichend Nahrungsmittel und andere Rohstoffe bereitstellen, ohne Umwelt und Biodiversität in unverantwortlicher Weise zu belasten? Darüber wird viel und leidenschaftlich diskutiert.
Allgemeingültige Lösungen gibt es aber nicht. Vielmehr zeigt sich in der Wissenschaft das Bild, dass es zur Erreichung der Ziele das Drehen an vielen Stellschrauben braucht. Dazu gehören allgemein gesprochen, je nach Standort, unterschiedliche nachhaltige und verbesserte Werkzeuge und Produktionsmethoden, ein verändertes Ernährungs- und Konsumverhalten sowie die reduzierte Lebensmittelverschwendung.
Was die Auswirkungen auf den Klimawandel betrifft, so wird in öffentlichen Diskussionen und Medien häufig ganz speziell die „intensive Landwirtschaft“ (Link: Kasten) für den Ausstoß von Treibhausgasen verantwortlich gemacht. Dem Umkehrschluss, man müsse diese Intensität pauschal zurückfahren oder gar „die Intensiv-Landwirtschaft“ als Ganzes abschaffen, erteilt der Weltklimarat IPCC allerdings eine Absage. Wörtlich schreiben die Forschenden in ihrem jüngsten Sachstandsbericht von 2022: „Obwohl die landwirtschaftliche Intensivierung zu weniger Treibhausgasemissionen geführt hat als im Vergleich zu einem Szenario, bei dem diese Intensivierung nicht stattgefunden hätte, (...) ist die absolute Emissionsmenge der Landwirtschaft weiter angewachsen."58
Dahinter steckt der insgesamt erhöhte Flächenanspruch, den eine generell weniger intensive Landwirtschaft mit sich brächte und der in einer global vernetzten Welt zu Lasten von Naturflächen wie Wäldern, Mooren oder artenreichem Grünland ginge. Im Kapitel zum Thema Landnutzung (Link) hast du bereits erfahren, was die Forschenden des IPCC, die den Konsens der globalen Wissenschaft repräsentieren, daher als wichtigsten Hebel zur Eindämmung des Klimawandels im Bereich der Landwirtschaft erachten: den Schutz und bestenfalls die Wiederherstellung von Wäldern und anderen Ökosystemen, besonders von tropischen Regenwäldern. Weil das so wichtig ist, hier noch einmal das wörtliche Zitat aus der Zusammenfassung des jüngsten IPCC-Syntheseberichts aus dem Jahr 2023:
„Der Schutz, die verbesserte Bewirtschaftung und die Wiederherstellung von Wäldern und anderen Ökosystemen bieten den größten Anteil an ökonomischem Minderungspotenzial, wobei die Verringerung der Entwaldung in tropischen Regionen das höchste Gesamtminderungspotenzial aufweist.“59
Wie kann die Landwirtschaft nun aber diese Ökosysteme schützen und gleichzeitig eine zukünftige Weltbevölkerung von erwarteten 10 Milliarden Menschen ernähren? Wie du ebenfalls (hier, LINK) schon erfahren hast, sieht der IPCC unter anderem in einer „nachhaltigen Intensivierung“ der globalen Landwirtschaft einen Schlüssel zur Bewältigung dieser Herausforderung.
Wie kann die Landwirtschaft nun aber diese Ökosysteme schützen und gleichzeitig eine zukünftige Weltbevölkerung von erwarteten 10 Milliarden Menschen ernähren? Wie du ebenfalls schon erfahren hast, sieht der IPCC unter anderem in einer „nachhaltigen Intensivierung“ der globalen Landwirtschaft einen Schlüssel zur Bewältigung dieser Herausforderung.
Wohlgemerkt: Das bedeutet nicht, dass die Landwirtschaft an jedem Ort der Welt intensiver werden muss oder extensiv bewirtschaftete Flächen nicht wichtige Funktionen erfüllen würden. Siehe zum Beispiel den Abschnitt „Vom Wert des Grünlands“. Vielmehr geht es laut Ansicht vieler Forschender um das standortabhängige richtige Maß an Intensität.
„In intensiv bewirtschafteten Gebieten kann nachhaltige Intensivierung eine Verringerung der Produktion zugunsten einer größeren Nachhaltigkeit im weiteren Sinne erfordern“, schreibt der IPCC 2019. 60
Laut Weltklimarat gibt es für den Begriff der nachhaltigen Intensivierung „keine einheitlich vorgeschriebene Methodik“. Aber klar ist: „Der Verbesserung der Nachhaltigkeit wird ebenso viel Bedeutung beigemessen wie der Intensivierung der Landwirtschaft.“ Und weiter heißt es im Sechsten Sachstandsbericht:
„Nachhaltige Intensivierung wird nicht dadurch garantiert, dass sich die Produktionsmenge durch die Verbesserung der Produktions-Effizienz (Output pro Einheit Input) vergrößert. Sie wird nur dann zum Erfolg, wenn sich die erhöhte Produktions-Effizienz genauso in reduzierten Umwelt- und sozialen Auswirkungen zeigt wie in einer gesteigerten Produktion.“61
Salopp formuliert: Künftig mehr zu ernten ist genauso wichtig wie die Umwelt weniger zu belasten. Es geht darum, Landwirtschaft und Umwelt besser unter einen Hut zu bekommen. Dazu gehört, möglichst wenig zum Klimawandel beizutragen, sich aber auch an seine Auswirkungen anzupassen. Was das ganz konkret bedeutet, kann an jedem Ort der Welt und sogar auf jedem Bauernhof eines Landes anders aussehen. Grundsätzlich gibt es schier unendlich viele Maßnahmen und Werkzeuge, mit denen man dem Ziel – abhängig vom Standort – näherkommen kann.
Einige zusammenfassende Systembegriffe nennt der Weltklimarat etwa in seinem Sonderbericht aus dem Jahr 2019, der sich ganz speziell mit dem Thema „Klimawandel und Landsysteme“ befasst hat. Er beschreibt folgende „nachhaltige integrierte Agrarsysteme“, von denen sich „viele mit einigen ihrer Praktiken gegenseitig ergänzen, obwohl sie tendenziell auf unterschiedlichen Narrativen basieren“ – will heißen: die Bedeutung der Begriffe kann sich überlappen, einzelne Praktiken und Ansätze finden sich in etlichen dieser Systeme wieder:
- Agrarökologie
- klimasmarte Landwirtschaft
- konservierende Landwirtschaft
- nachhaltige Intensivierung
Nachhaltige integrierte Agrarsysteme
Was genau man unter nachhaltigen integrierten Agrarsystemen verstehen kann, sei hier kurz zusammengefasst.
Agrarökologie
Die Agrarökologie stellt, wie viele andere Ansätze auch, kein genau definiertes Regelwerk dar. Sie soll aber ökologische, soziale und wirtschaftliche Zusammenhänge in besonderer Weise berücksichtigen und dabei traditionelle Formen der Landwirtschaft mit neuem Wissen verknüpfen. Die Agrarökologie möchte in Kreisläufen wirtschaften und legt einen besonderen Fokus auf Bodengesundheit und Humusaufbau und damit auf Kohlenstoffspeicherung in Böden. Schädlinge sollen unter Berücksichtigung ökologischer Zusammenhänge, etwa mit Hilfe von Nützlingen, in Schach gehalten werden. Synthetische Dünger und Pflanzenschutzmittel sind in der Agrarökologie allerdings nicht explizit verboten.
Ein solches Verbot gibt es dagegen in der Bio-Landwirtschaft, die laut Sechstem Sachstandsbericht als „Form der Agrarökologie“ betrachtet werden kann, die durch „spezifische Prinzipien und damit verbundene Regeln bestimmt wird“. In dem Bericht heißt es zudem: „Es gibt Hinweise darauf, dass der ökologische Landbau in der Regel geringere Emissionen pro Flächeneinheit verursacht, während die Emissionen pro Produkteinheit variieren und vom Produkt abhängen.“ Und weiter: „Der ökologische Landbau erwirtschaftet in der Regel geringere Erträge. (...) Eine weitreichende Umstellung ohne fundamentale Veränderungen in Ernährungssystemen und Ernährungsweisen (...) kann zu einem Anstieg der absoluten Emissionen aus Landnutzungsänderungen führen, der durch einen größeren Flächenbedarf zur Aufrechterhaltung der Produktion bedingt ist.“62
Auch der Begriff „regenerative Landwirtschaft“ wird zum Teil als Form der Agrarökologie verstanden.
Klimasmarte Landwirtschaft
Der Ansatz der klimasmarten Landwirtschaft soll den beiden großen Herausforderungen der Ernährungssicherheit und des Klimawandels gleichzeitig und in sich ergänzender Weise begegnen. Auch hierbei geht es beispielsweise darum, den Humusgehalt des Bodens und die Wasserspeicherkapazität ganzer Landschaften sowie deren Kohlenstoffbindevermögen zu steigern. Minimale Bodenbearbeitung statt des regelmäßigen Pflügens soll sowohl bei der Anpassung an den Klimawandel als auch bei dessen Bekämpfung eine tragende Rolle spielen. Wichtig ist bei der klimasmarten Landwirtschaft unter anderem der effiziente Umgang mit Dünger. Dieser kann, ähnlich wie bei Pflanzenschutzmitteln, zum Beispiel mittels digitalen Technologien besser dosiert werden (Precision Farming).
Außerdem heißt es dazu im Sonderbericht von 2019: „Gemischte Landwirtschaftssysteme, die Ackerbau, Viehzucht, Fischerei und Agroforstwirtschaft integrieren, könnten die Ernteerträge angesichts des Klimawandels aufrechterhalten, das System bei der Anpassung an Klimarisiken unterstützen und die Treibhausgasemissionen minimieren, indem sie den Nährstofffluss innerhalb des Systems zunehmend verbessern.“ Dies kann auch als ein Hinweis darauf verstanden werden, die in Österreich und Europa zum Teil weit fortgeschrittene Spezialisierung der Betriebe zumindest zum Teil wieder aufzuheben, zum Beispiel, indem reine Ackerbaubetriebe mit viehhaltenden Betrieben kooperieren, um tierischen Dünger im Kreislauf zu halten und Böden durch den Anbau von Futtermischungen in der Fruchtfolge zu verbessern.
Konservierende Landwirtschaft
Laut IPCC basiert die konservierende Landwirtschaft, auch unter dem Begriff „konservierende Bodenbearbeitung“ auf dem „Prinzip der minimalen Störung und permanenter Bedeckung des Bodens, kombiniert mit der passenden Fruchtfolge“. Der Anbau von Zwischenfrüchten spielt eine tragende Rolle. Statt den Boden tiefgründig mechanisch zu lockern oder vollständig zu wenden (pflügen), wird dieser nur noch flach oder gar nicht mehr gelockert. Dadurch und durch den Zwischenfruchtanbau werden Oberboden und Bodenoberfläche mit organischem Material und Humus angereichert, die auch das Bodenleben inklusive Regenwürmer fördern. Deren Grabgänge sowie die Kanäle, die die Wurzeln der Zwischenfrüchte hinterlassen, sorgen für eine gute Wasser-Infiltration selbst bei starkem Regen. Dies kann helfen, Wasser im Boden zu speichern und Bodenerosion einzudämmen.
Die sogenannte Direktsaat, bei der der Boden gar nicht mehr bearbeitet und die neue Saat mittels spezieller Sämaschinen „direkt“ im Boden abgelegt wird, gilt als die höchste Form der konservierenden Bodenbearbeitung.
Ob dieser Ansatz den Kohlenstoffgehalt insgesamt, also auch in tieferen Schichten, steigern kann, dazu gibt es in der Wissenschaft keine einheitliche Bewertung. Fest steht aber, dass die konservierende Bodenbearbeitung als wirksame Anpassungsstrategie bewertet wird, vor allem in von Trockenheit betroffenen Gebieten.
Nachhaltige Intensivierung
Bis zum Jahr 2050 muss die Landwirtschaft global mindestens um die Hälfte mehr Lebensmittel produzieren, um die wachsende Bevölkerung zu ernähren. Wie bereits erwähnt geht es bei der nachhaltigen Intensivierung darum, von einer gegebenen Fläche möglichst viel zu ernten und negative Umwelteffekte dabei zu reduzieren. Beides sieht der IPCC als gleich wichtig.
Vor allem in Weltgegenden mit einer heute noch vergleichsweise unproduktiven Landwirtschaft kann eine Modernisierung zu besseren Erträgen und damit zu vermindertem Druck auf Naturflächen verhelfen. Auf der anderen Seite kann nachhaltige Intensivierung auch bedeuten, nicht immer den maximal erreichbaren Ertrag anzustreben. 2019 fasst es der Weltklimarat in folgenden zwei Sätzen zusammen:
„Die Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit kann niedrigere Ertragssteigerungsraten als die in solchen Situationen maximal erreichbaren bedeuten. In Gebieten mit wertvollen natürlichen Ökosystemen, wie den Primärwäldern im Kongobecken, ist die Intensivierung der Landwirtschaft eine der Säulen der Strategie zur Erhaltung der Wälder.“63
Das Bündel an konkreten Werkzeugen, Maßnahmen und Untersystemen, die einer nachhaltigen Intensivierung dienen können, ist vielfältig. Ein Teil davon wird etwa im Sonderbericht zur Landnutzung64 genannt. Es reicht von züchterisch verbesserten Pflanzensorten und Tierrassen, über High-Tech- und Low-Tech-Lösungen für einen optimierten Einsatz von Betriebsmitteln wie Dünger und Pflanzenschutzmitteln (Precision Agriculture) oder verbesserte Bewässerung, über den Anbau alternativer Kulturen und eine generelle Diversifikation von Anbausystemen inklusive Bio-Landwirtschaft, Agroforstwirtschaft und Zwischenfruchtanbau bis zu verbessertem Nährstoffmanagement und Wissenstransfer.
Maßnahmen auf der Konsum-Seite: angepasste Ernährungsweisen und weniger Verschwendung