Ökologische Aspekte von Gurken
Das Glashaus als Energiefresser?
Klimatisch bedingt ist eine (fast) ganzjährige Gurkenproduktion in Österreich nur im Glashaus möglich. Mit dem Hinweis, dass diese von Konsumentinnen und Konsumenten gewünscht wird, werden ökologische Vorbehalte gegen die Glashausproduktion seit vielen Jahren hintangestellt. Fakt ist, dass damit, wie Pflanzenforscher Wolfgang Palme sagt, die Gurke außerhalb ihres saisonalen Zeitraumes kultiviert und zu Höchstleistungen getrimmt wird. Palme spricht in diesem Zusammenhang von “pflanzengemäßem Wuchs” in Anlehnung an die viel diskutierte “artgerechte Haltung” bei den Nutztieren. Darauf könne im Glashaus keine Rücksicht genommen werden, weil man entsprechende Abläufe so effizient und Erntemengen so hoch wie möglich halten müsse, um konkurrenzfähig zu sein. Anders ist es im saisonal geführten Foliengewächshaus, wo nicht das ganze Jahr über dieselbe Kultur in Produktion steht, sondern ein Fruchtwechsel unabdingbar ist, will man den Boden nachhaltig fruchtbar erhalten. Der Energieeinsatz im Glashaus ist dabei vor allem in den kälteren Monaten erheblich. Das Glashaus muss außerhalb der pflanzengemäßen Saison stark beheizt werden. Energiekosten fallen aber auch bei der Produktion der notwendigen Mineraldünger an. Als wenig nachhaltig kritisiert wird auch der Einsatz von Substraten aus Kokosfaser und noch stärker jener aus Steinwolle, welche als Sondermüll entsorgt werden müssen. Diese Substrate, worin die Pflanzen wurzeln können, dienen quasi als Ersatz für den Mutterboden.
Glashausbetreiberinnen und -betreiber und deren Vermarkter, mit obigen Kritikpunkten konfrontiert, entgegnen darauf, dass man klar zwischen ressourcenschonender, ökologisch gewonnener Energie, wie sie im heimischen Glashausanbau mehr oder weniger Standard sei, und Energie aus fossilen Quellen unterscheiden müsse. Bei der Verwendung von mineralischem Dünger sorge ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem dafür, dass diese so sparsam wie möglich zum Einsatz kommen und die verwendeten Substrate hätten zumindest den Vorteil, dass es zu keinerlei unerwünschten Einträgen in den Mutterboden kommen kann.
Fakt bleibt, dass eine beinahe ganzjährige Gurkenproduktion im Glashaus ökologische Nachteile hat. Da für ein Kilogramm Gurken, das während der kalten Monate produziert wird, ein Vielfaches an klimaschädlichen Treibhausgasen freigesetzt wird, wie beim Anbau in der Region während der Saison.
Genau dieses ökologische Plus hält sich die heimische regionale und saisonale Produktion im kalten beziehungsweise moderat geheizten Folientunnel zugute. Ökologisch zweifellos am besten ist es, Gurken dann zu essen, wenn sie Saison haben, also im Folientunnel und nicht im Gewächshaus angebaut werden können und auch nicht aus anderen Ländern importiert werden müssen.
Low-Input-Gurkenanbau als ökologische Alternative in der Direktvermarktung
Wolfgang Palme, Pionier in der Gemüseanbau-Forschung arbeitet an der Außenstelle der HBLFA Schönbrunn am Zinsenhof an ökologischeren Alternativen zur intensiven Glashausproduktion. Den entscheidenden Ansatz, um auch ökonomisch interessant zu sein, sieht er in der Verlängerung der Erntezeit mithilfe eines Anbauverfahrens, mit dem wesentlich früher in die Saison gestartet werden kann als bisher angenommen. Es handelt sich dabei um Anbausysteme, die laut Palme “im echten Sinn des Wortes saisonal, regional, ressourcenschonend und nachhaltig sind” und mit dem Schlagwort “Low-Input-Gemüsebau” überschrieben werden können. Er setzt dabei auf das traditionelle “Mistbeetsystem” im unbeheizten Folientunnel. Der Erfolg beruht darauf, mit rein organischen Mitteln die Muttererde und damit auch das ganze Anbausystem zu erwärmen und so früher in den Anbau und Ertrag zu kommen. Um diesen Heiz-Effekt zu erzielen wird eine Mischung aus Mist und zusätzlichem organischen Material in aufgeschüttete Erde eingearbeitet. Durch die derart angeregten mikrobiellen Prozesse im Erdreich entstehen hohe Temperaturen, die auf den ganzen Folientunnel ausstrahlen. Frische Gurken können in diesem System bereits Mitte Mai geerntet werden. So könnten auch Klein- und Mittelbetriebe, die wirtschaftlich zunehmend unter Druck geraten, Produkte mit einer Geschichte anbieten, die sich aus der austauschbaren Massenware herausheben und gleichzeitig vielfältig und biologisch sind.
„Die Zahl der Konsumenten, die nach dem Grundsatz ‘Gutes genießen mit gutem Gewissen’ besondere Produkte suchen und auch bereit sind, dafür überdurchschnittliche Preise zu zahlen, wird zusehends größer“, so Palme.
Natürlich müsse man auch neue Vermarktungswege erschließen. Foodcoops, Direktvermarktung ab Hof, Gemüsekisten – es gebe viele Möglichkeiten und das Internet als Marktplatz biete interessante Perspektiven.
In den vergangenen Jahren habe sich in Österreich dieses Netzwerk aus Produzenten, Vermarktern, Anwendern und Konsumentenvertretern als Alternative zur spezialisierten Ganzjahresproduktion auf Substrat und zum klassischen Lebensmitteleinzelhandel stark entwickelt. Der Wissenschaftler Palme spricht sich dafür aus, eine bestehende Parallelität der beiden grundverschiedenen Anbausysteme und dahinter stehende Philosophien zuzulassen. Er wolle sie nicht gegeneinander ausspielen. Die “ganzjährige Massenware” verlange der Handel – wie dieser sage – auf Wunsch der Kundinnen und Kunden.
Kaum Bio bei Salatgurken – warum?
Warum es im großen Stil keinen Bio-Gurkenabau in Österreich gibt, ist nicht in zwei Sätzen erklärt. Ein komplexes Zusammenspiel mehrerer Faktoren ist dafür verantwortlich. Fritz Rauer ist der Obmann der österreichischen Gemüsebauern. Zum Zeitpunkt unserer Dreharbeiten zur Gurke kultiviert Fritz im südsteirischen Bad Blumau unter anderem auch konventionelle Gurken im so genannten Folientunnel. Seine Pflanzen wurzeln im Mutterboden, gegen schädliche Spinnmilben setzt er Raubmilben ein, also biologische Gegenspieler. Selbst die Düngung erfolgt weitgehend organisch, wäre also mit biologischen Richtlinien vereinbar. Auf die Frage, was ihm denn nun auf Bio noch fehle, meint er: die Mehltau-Bekämpfung. Diese sei mit rein biologischen Mitteln ein zu gewagtes Spiel. Die zu befürchtenden Ernteertragseinbußen auch aufgrund der unter biologischen Anbaubedingungen kürzeren Erntezeit seien ihm ein zu großes ökonomisches Risiko. Die ökologische Nachhaltigkeit wird hier also von der ökonomischen begrenzt.
Kaum Bio bei Gurkerln – warum?
Bei den allermeisten Lebensmitteln haben Konsumentinnen und Konsumenten in mitteleuropäischen Supermärkten die Wahl zwischen konventionellen und Bio-Produkten. Bei Einlegegurken, also den “Gurkerln”, ist das nicht so. Es gibt in den Regalen meist Gurkerl aus Österreich oder Deutschland, und das nur aus konventioneller Landwirtschaft. Das hat zwei Gründe:
Zum einen ist der Bio-Gurkerlanbau besonders schwierig, weil die Pflanzen sensibel sind und nur mit Bio-Pflanzenschutz die Erträge viel geringer wären und sogar die Gefahr von Totalausfällen besteht. Zweitens ist die Nachfrage nicht so groß oder der Konsumentenwunsch zu leise, als dass eine Bio-Gurkerlproduktion bereits begonnen worden wäre. Bio-Gurkerl gibt es derzeit nur in kleinem Maßstab in der Direktvermarktung.
Klaus Eschlböck, Anbauberater bei efko, kündigt aber an, dass sich Österreichs größter Hersteller von Einlegegemüse in Zukunft gemeinsam mit Bauern auch im Bio-Bereich versuchen will. Im Eferdinger Becken sei der Falsche Mehltau eine der größten Herausforderungen. Die Hoffnung liege in der Züchtung. Eschlböck hofft, dass es schon bald Gurkerlsorten gibt, die gegen den Falschen Mehltau so resistent sind, dass der Anbau ohne Fungizide funktioniert. In Deutschland gibt es bereits eine bedeutende Bio-Gurkerl-Anbaufläche. Auch dort haben resistente Sorten einen Bio-Anbau ermöglicht. Die klimatischen Bedingungen im Eferdinger Becken sind aber schwieriger.
Das Land schafft Leben-Rechercheteam hat mit einem Bio-Gurkerlbauer gesprochen. Er arbeitet im Burgenland, wo das Klima trockener ist als im Eferdinger Becken. Daher hat er weniger mit dem falschen Mehltau zu kämpfen gegen den Bio praktisch wehrlos ist. Sein größter Schaderreger ist die Spinnmilbe. Er bekämpft sie mit im Bio-Anbau erlaubten Spritzmitteln. Auch den Einsatz von Nützlingen – das sind Raubmilben, die die Spinnmilben dezimieren – hat er schon getestet. Diese kaufte er zu. Ihr Einsatz habe sich aber als zu wenig effizient bzw. zu kostenintensiv im Vergleich zum Nutzen erwiesen. Sein Erfolgsrezept ist die Direktvermarktung. So ist er weniger von Marktpreisen abhängig und kann deutlich teurer verkaufen als konventionelle Kolleginnen und Kollegen.