Verfügbarkeit, Verbrauch und Gesundheit
Das findest du in diesem Kapitel:
Ist unsere Ernährung gesichert?
Ob durch Pandemie, Krieg in der Ukraine oder Klimakrise, das Thema Ernährungssicherheit ist in vielen Ländern wieder verstärkt in den Fokus gerückt. Auch in Österreich sind die Auswirkungen bestimmter Ereignisse zumindest indirekt zu spüren. So kam es zu Beginn der Corona-Pandemie zu Hamsterkäufen von vorrangig länger haltbaren Produkten wie Konserven, Teigwaren und Reis. Durch den Ausbruch des Ukrainekriegs folgte eine zeitweise fehlende Verfügbarkeit vereinzelter Lebensmittel wie beispielsweise Sonnenblumenöl. Und schließlich wurde zu Beginn des Jahres 2023 aufgrund höherer Energiepreise später mit der Gemüseproduktion begonnen als sonst, weshalb der Handel teilweise auf mehr Importware zurückgriff als in den Vorjahren.
Die ausreichende Verfügbarkeit von Nahrung und der Zugang zu Lebensmitteln sind hierzulande laut Lebensmitteleinzelhandel (LEH) aktuell dennoch nicht gefährdet: Österreich liegt, was die Ernährungssicherheit betrifft, weltweit im Spitzenbereich. Im Ranking des Global Food Security Index von 2022, der die Ernährungssicherheit von 113 Ländern anhand ihrer nationalen natürlichen Ressourcen, Leistbarkeit, Verfügbarkeit, Qualität und Sicherheit vergleicht und das Finnland, Irland und Norwegen anführen, belegen wir Platz zwölf und lassen damit etwa Deutschland hinter uns. Auch bei der Anzahl der Kilokalorien, die uns pro Person und Tag zur Verfügung stehen, haben wir im Rennen die Nase vorn: Österreich findet sich mit rund 3.800 Kilokalorien weltweit auf Platz fünf wieder – gebraucht werden von einer Person zwischen 25 und 51 Jahren in etwa 2.000 Kilokalorien pro Tag (abhängig vom Geschlecht und Ausmaß der Aktivität). Nur den Bürgerinnen und Bürgern der USA, Irlands, Belgiens und der Türkei stehen pro Kopf noch etwas mehr Kilokalorien zur Verfügung. Hier wie dort ist die Versorgung basierend auf Zahlen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) aus 2021 gesichert: Die Supermarktregale bieten weit mehr energiereiche Nahrung an, als tatsächlich benötigt wird.
Tatsächlich gefährden könnten die Ernährungssicherheit jedoch die Auswirkungen des Klimawandels. So rechnet die AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) aufgrund veränderter Klimaverhältnisse in den kommenden 40 Jahren mit Ertragsrückgängen von durchschnittlich 19 Prozent.
Wie viel verbrauchen wir pro Person und Jahr?
Mehr als eineinhalb Tonnen Lebensmittel verbrauchen wir durchschnittlich pro Jahr. Geht man von einer Person aus, die 70 Kilogramm auf die Waage bringt, nehmen wir pro Jahr knapp das Neunfache des eigenen Körpergewichts in Form von festen Lebensmitteln zu uns. Flüssigkeiten wie Wasser, Bier und Wein machen circa zwei Drittel, also rund eine Tonne, der jährlich konsumierten Menge aus: Mit ihnen könnte man etwa fünf Badewannen zu je 200 Litern füllen.
Sieht man sich die Entwicklung seit 1995 an, sind verschiedene Trends zu beobachten. Gemüse und Getreide, im Idealfall tägliche Bestandteile unserer Ernährung, landen heute deutlich öfter oder in größeren Mengen auf unseren Tellern als noch vor 25 Jahren. Ersteres weist pro Kopf den Bärenanteil am gesamten Lebensmittelverbrauch auf: Rund 121 Kilogramm Gemüse nimmt eine Person in Österreich pro Jahr im Schnitt zu sich. Auch bei tierischen Lebensmitteln hat sich der Griff ins Regal, was deren nachgefragte Mengen angeht, teilweise verändert: Während sich die verbrauchten Milchmengen nahezu die Waage hielten, wuchs unser Hunger auf Käse im letzten Vierteljahrhundert von 14 auf über 22 Kilogramm an. Der Fischkonsum nahm zwischen 1995 und 2021 beinahe um die Hälfte zu. Bei Fleisch ist der Verbrauch in diesem Zeitraum insgesamt gesunken – von 65,5 Kilogramm auf etwas unter 59 Kilogramm – wobei der Anteil von Geflügel einen Zuwachs verzeichnete.
Bei Lebensmitteln, für die ein maßvoller Konsum empfohlen wird, zeigt die Kurve nach unten. Unser Wein- und Zuckerverbrauch etwa ist deutlich gesunken: Wir trinken heute etwa ein Siebtel weniger Wein als noch im Jahr 1995 und nehmen circa ein Viertel weniger Zucker zu uns. Die Gründe dafür mögen unter anderem in einem veränderten Ernährungsbewusstsein liegen.
Wie viel wir in Österreich pro Kopf verbrauchen, wird jährlich von Statistik Austria berechnet. Hierfür wird zuerst die sogenannte Inlandsverwendung beziehungsweise der Inlandsverbrauch ermittelt. Sie ergibt sich aus der heimischen Erzeugung plus Import minus Export und den veränderten Lagerbeständen. Im zweiten Schritt wird die Verwendung als Nahrung errechnet. Andere Verwendungszwecke der Lebensmittel werden abgezogen: Bei tierischen Produkten etwa sind das Knochenanteile, die industrielle Verwertung, die Verwendung als Heimtierfutter sowie Verluste. Aus den verwendeten 88,2 Kilogramm Schlachtkörpergewicht ergibt sich schließlich ein Verbrauch von 58,6 Kilogramm pro Kopf (2022) für den Verzehr. Auch bei anderen Lebensmitteln, zum Beispiel beim Obst, ist der tatsächliche Nahrungsverbrauch geringer als die Inlandsverwendung. Hier werden die Verarbeitung zu Fruchtsaft und Obstdestillaten, etwa Schnaps, sowie Verluste abgezogen.
Nicht alles, was wir „verbrauchen“, nehmen wir schlussendlich auch zu uns. Weltweit werden über die gesamte Wertschöpfungskette etwa ein Drittel der produzierten Lebensmittel entsorgt. In den österreichischen Haushalten finden insbesondere Süß- und Backwaren ihren Weg in den Abfall, gefolgt von Obst und Gemüse. Über alle Entsorgungswege – also Restmüll, Biomüll, Kompost, Kanal und Ähnliches – kommt eine Menge von rund 60 Kilogramm Lebensmittelabfall pro Person und Jahr zusammen, wie im Rahmen einer Studie der Universität für Bodenkultur (BOKU) im Auftrag des WWF im Jahr 2020 berechnet wurde. „In Geld ausgedrückt bedeutet das, dass jeder Haushalt jährlich bis zu 800 Euro durch Verschwendung in den Müll wirft.“, betont Gudrun Obersteiner, stellvertretende Leiterin des Instituts für Abfall- und Kreislaufwirtschaft and der BOKU Wien und Autorin der Studie.
Was sollten wir essen und trinken - und in welchen Mengen?
Nicht nur was wir essen, sondern auch wie viel, gibt Aufschluss darüber, ob wir uns gesund ernähren. „Wir essen zu viel von fast allem, aber zu wenig vom Richtigen“, beschreibt der Humanbiologe und Arzt Martin Grassberger die gegenwärtige Situation. So sind 51 Prozent der Erwachsenen hierzulande übergewichtig oder adipös, während wir gleichzeitig unterernährt sind, was die Zufuhr bestimmter Nährstoffe angeht. Während bei einigen Lebensmittelgruppen – etwa energiearmen Getränken wie Wasser, Mineralwasser, ungezuckerten Tees und verdünnten Obst- und Gemüsesäften – ein täglicher Konsum in bestimmten Mengen empfohlen wird, sollten verschiedene andere Getränke und Speisen nur in Maßen genossen werden. Auch das Geschlecht und die Altersgruppe spielen eine Rolle, wenn es darum geht, ob und wie viel von etwas im Sinne einer ausgewogenen Ernährung als gesund gilt. So lässt sich die Gesundheit zu einem guten Teil durch die Ernährung beeinflussen: „Jemand kann beispielsweise die genetische Veranlagung für Laktoseintoleranz haben und trotzdem Milchprodukte vertragen“, erläutert Internist Meinrad Lindschinger.
„Eine Daumenregel besagt: Ein Drittel ist Genetik und körperliche Voraussetzung, ein Drittel ist Umwelt und Verhalten und ein Drittel ist praktisch Ernährung – bei jeder Zivilisationskrankheit.“
Als Orientierung für empfohlene Mengen der verschiedenen Lebensmittelgruppen dient die Österreichische Ernährungspyramide. Wie sich die tatsächlich konsumierten Mengen im Vergleich zusammensetzen, darüber gibt der Österreichische Ernährungsbericht Auskunft.
Von alkoholfreien und energiearmen Getränken werden täglich mindestens 1,5 Liter empfohlen – die Österreicherinnen und Österreicher schaffen jedoch deutlich mehr: Frauen trinken durchschnittlich 2,3 bis 2,4 Liter, Männer 2,3 bis drei Liter, wobei bei Letzteren der Konsum von Getränken mit zunehmendem Alter abnimmt.
Die täglich empfohlenen fünf Portionen Obst und Gemüse – ein Wert, den man oft schon seit der Volksschulzeit kennt – setzen sich idealerweise aus zwei Portionen Obst und drei Portionen Gemüse und/oder Hülsenfrüchten zusammen. So viel erreichen hierzulande weder Männer noch Frauen. Während Männer auf gerade einmal die Hälfte der empfohlenen Obstmenge kommen, liegt der Konsum der Frauen etwas darüber. Beim Gemüse findet man bei beiden Geschlechtern sogar nur etwa ein Drittel dessen, was als gesund gilt, auf dem Speiseplan.
Besser sehen die Zahlen in der Gruppe der Lebensmittel aus, die uns Kohlenhydrate und – zumindest in der Vollkornvariante – bedeutende Mengen Ballaststoffe liefern. Von den empfohlenen vier täglichen Portionen Getreide, Brot, Nudeln und Reis schaffen es etwa drei auf unsere Teller. Besonders Getreide(-produkte) und Körner werden gerne verzehrt – Kartoffeln dürften wir uns öfter schmecken lassen.
Milch und Milchprodukte, die zu den wichtigsten Quellen für Kalzium in der Ernährung zählen, finden sich ebenfalls in der Basis der österreichischen Ernährungspyramide wieder. Rund 500 Gramm – darunter zwei Portionen „weiß“ und eine „gelb“ – wären das tägliche Ziel. Hier kann aus Milchprodukten wie zum Beispiel Naturjoghurt (weiß), den verschiedenen Käsearten (gelb) und Milch (weiß) gewählt werden. In Österreich kommen wir nicht auf die empfohlenen Mengen – Frauen erreichen nur etwa die Hälfte, Männer etwas mehr.
Für den Verzehr von tierischen Lebensmitteln wie Fisch, Fleisch- und Wurstprodukten wird eine wöchentliche Maximalmenge empfohlen. Bei Fleisch und Fleischprodukten schlägt das Pendel nach oben aus: Männer überschreiten die als gesund geltende Menge von wöchentlich maximal 300 bis 450 Gramm etwa um das Dreifache. Frauen konsumieren ebenfalls mehr als die für sie empfohlene Menge. Fisch dürfte und sollte doppelt so oft genossen werden, wie es derzeit der Fall ist. Für Eier, die als hochwertige Eiweißquelle den Speiseplan ergänzen können, werden grundsätzlich drei Stück pro Woche empfohlen – dennoch kommt es hier auf die Gesamtqualität der Ernährung und die Aufnahmemengen weiterer tierischer Lebensmittel an. Insgesamt sinkt der Konsum von Eiern, Fleisch und Fleischprodukten bei beiden Geschlechtern mit zunehmendem Alter.
Fett, süß und salzig soll es am besten nur möglichst selten sein. Ein bis zwei Esslöffel pflanzliche Öle sowie maximal eine Portion zucker- und fettreiche Lebensmittel wie Naschereien, Snacks, Knabbereien und Limonaden werden empfohlen. (Feste) Streich-, Back- und Bratfette wie Butter, Margarine oder Schmalz, die bei der Zubereitung von Lebensmitteln zum Einsatz kommen, sollten sparsam verwendet werden. Tatsächlich nehmen wir aber größere Mengen an Fett zu uns, als empfohlen wird. Während unser Konsum von salzigen Snacks wie Chips oder Süßem wie Kuchen und Torten sich im Rahmen hält – wenige Menschen greifen täglich zu Lebensmitteln aus dieser Gruppe – sieht es bei Zucker, Schokolade und Süßwaren anders aus: Genauso wie zuckerreiche Limonaden werden diese Lebensmittel zu häufig gegessen und getrunken. Zumindest der Konsum von Limonaden geht bei Frauen wie auch bei Männern mit zunehmendem Alter zurück.
Ganz anders sieht es laut dem Österreichischen Ernährungsbericht beim Alkoholkonsum aus: Männer im Alter zwischen 19 und 25 Jahren konsumieren umgerechnet in etwa 212 Gramm alkoholische Getränke pro Tag, während Männer zwischen dem 52. und 65. Lebensjahr rund 339 Gramm Alkohol täglich konsumieren. Frauen steigern ihren Alkoholkonsum im selben Zeitraum von etwa 72 auf 86 Gramm alkoholischer Getränke, sie bleiben also unabhängig vom Alter in einem deutlich niedrigeren Bereich.
Was lässt sich zusammenfassend zum Konsum der verschiedenen Lebensmittelgruppen in Österreich sagen? Wir sollten öfter als bisher zu Gemüse, Hülsenfrüchten und Obst, Milch und Milchprodukten sowie zu Getreide und Kartoffeln greifen. Vor allem Männer essen durchschnittlich zu oft und zu viele Fleisch- und Wurstprodukte und nehmen dadurch größere Mengen Fett, gesättigte Fettsäuren und Cholesterin zu sich als empfohlen. Unsere Aufnahme von Fetten, Ölen, Süßem und Salzigem ist ebenfalls höher als empfohlen.
Konsumieren wir, was bei uns gut produziert werden kann?
Was, wo und wie produziert werden kann, hängt im Wesentlichen von der Topografie, also den geographischen Bedingungen, sowie vom Klima ab. Diese natürlichen Gegebenheiten sind es, die bestimmen, ob sich ein Boden für den Ackerbau oder als Grünland eignet. In Österreich teilt sich die landwirtschaftliche Fläche annähernd jeweils zur Hälfte in Acker- und Grünland auf. Es liegt also nahe, sowohl pflanzliche als auch tierische Lebensmittel zu produzieren.
„Wirklich Sinn macht es allerdings nur, wenn tatsächlich lediglich Biomasse tierisch verwertet wird, die sich nicht für den direkten menschlichen Verzehr eignet“, ergänzt Wilhelm Windisch, ehemaliger Professor für Tierernährung an der Technischen Universität München. Der Agrarexperte spricht damit etwa das für Menschen unverdauliche Gras, Stroh oder die Nebenprodukte wie Weizenkleie oder Rückstände aus der Bierherstellung (Biertreber) an, die bei Produktion und Verarbeitung pflanzlicher Lebensmittel unweigerlich anfallen. Diese so genannte nicht-essbare Biomasse über die Verfütterung an Tiere in hochwertige Lebensmittel umzuwandeln, stellt für Wilhelm Windisch einen wesentlichen Bestandteil einer ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft dar, die das generelle Ziel sein müsse.
„In einer erst jüngst veröffentlichten Studie konnten wir für Deutschland zeigen, dass statistisch gesehen auf jedes hergestellte Kilogramm eines pflanzlichen Lebensmittels ungefähr vier Kilogramm nicht-essbare Biomasse anfallen. In Österreich mit seinem deutlich höheren Grünlandanteil sind es wahrscheinlich fünf oder sechs Kilogramm. Verfüttern wir diese an Nutztiere, gewinnen wir zu den Nährstoffen und Kilokalorien der pflanzlichen Nahrung nochmals mindestens die Hälfte in Form tierischer Erzeugnisse hinzu. Mit derselben Nutzfläche steigern wir damit die Ernährungssicherheit um mindestens 50 Prozent. In Österreich sogar um mehr als das.“
Weitere Beispiele für anfallende Biomasse in Form von Nebenprodukten wären etwa Rübenschnitzel aus der Zuckerherstellung oder Rapsextraktionsschrot aus der Ölherstellung. Zwischenfrüchte wie etwa Klee lassen sich nur über den Tiermagen sinnvoll zur Produktion von Lebensmitteln nutzen. Letztere sind im Ackerbau wichtig, um Nährstoffe im Boden zu erhalten. Insbesondere für die biologische Landwirtschaft, die etwa auf synthetischen Stickstoffdünger verzichtet, sind Zwischenfrüchte deshalb von besonderer Bedeutung. Mit einem höheren Anteil an biologischem Anbau und damit an Zwischenfrüchten verschiebt sich auch das Verhältnis von essbarer noch stärker in Richtung nicht-essbarer Biomasse: „Da bin ich dann auch in Deutschland nicht mehr bei eins zu vier, sondern bei eins zu sechs oder sieben“, erklärt Windisch.
Eine Einteilung in essbare und nicht-essbare Biomasse ist aber nicht immer ganz einfach. Sie hängt nicht nur von der tatsächlichen Genießbarkeit (bzw. Verträglichkeit für den Menschen) und dem Nährwert, sondern auch von den technischen Möglichkeiten in der Verarbeitung und den kulturellen Essgewohnheiten ab. So würde beispielsweise auch die durchaus genießbare Weizenkleie noch viele Nährstoffe und vor allem gesundheitsförderliche Ballaststoffe enthalten, sie ist jedoch kaum Bestandteil unseres Speiseplans. Da eine industrielle Extraktion darüber hinaus unverhältnismäßig aufwändig wäre, ist die derzeitige Nutzung als Tierfutter für die Ernährungssicherung am sinnvollsten. Auch bei der Herstellung veganer Lebensmittel, bei denen sich Prof. Windisch etwas weniger „Polarisierung“ im Diskurs wünschen würde, fällt unweigerlich nicht-essbare Biomasse an: „Beim Haferdrink, beispielsweise, wird der Hafer zermahlen und aufgeschwemmt. Dabei geht in etwa nur ein Drittel des Hafers in den Drink. Die übrigen zwei Drittel sind aber immer noch sehr nährstoffreich und eignen sich hervorragend als Futtermittel für Nutztiere, wie vielerorts auch in der Praxis zu sehen ist. Eine Verwertung über Biogasanlagen oder gar eine Entsorgung völlig ohne Nutzung wäre ein No-Go der Kreislaufwirtschaft. Bildlich gesprochen ist jedes Glas Haferdrink also mit einem weiteren Glas Kuhmilch gekoppelt.“
Ein anderes Beispiel für essbare Biomasse, die als Futtermittel verwendet wird, ist Sojaschrot: Etwa 60 Prozent der heimischen Soja-Erzeugung landen – teilweise nach Extraktion des Sojaöls für die Lebensmittelindustrie zu Sojaschrot verarbeitet – bei uns im Futtertrog. So dienen sie über den Umweg des Tiermagens der menschlichen Ernährung. Bei Geflügel und Schwein beträgt der Sojaanteil in der Futtermittelration rund zwanzig Prozent, bei der Rinderhaltung sind es bis zu fünf Prozent, da das Rind als Wiederkäuer einen Großteil seiner Nährstoffe aus Grünfutter wie Gräsern bezieht. Ob auf einer konkreten Ackerfläche letztlich Futtermittel oder Lebensmittel entstehen, ergibt sich teilweise erst bei der Ernte der Kultur. So kann die Qualität von Weizen je nach Witterung zum Beispiel beim Eiweißgehalt variieren, wodurch sich seine Eignung zum Brotbacken und damit auch seine Verwendbarkeit für unseren kulturellen Speiseplan vermindert.
Berechnungen nach Guggenberger ergeben, dass das Angebot an Nahrungsenergie aus österreichischer Landwirtschaft die Nachfrage im Berechnungsjahr 2012 theoretisch um elf Prozent überschritten hat. Die Selbstversorgungsgrade einzelner Lebensmittel, bezogen auf den tatsächlichen Mengenverbrauch, unterscheiden sich jedoch erheblich und liegen beispielweise bei Gemüse bei etwas mehr und bei Obst bei weniger als der Hälfte des Konsums. Dass die Versorgungssicherheit mit den Produkten einzelner Lebensmittelgruppen wie zum Beispiel Milch gegeben ist, sagt demnach noch nichts darüber aus, wie krisensicher unsere Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion in Hinblick auf verschiedene andere Produkte sind – auch wenn unsere Regale voll sind.
Auch weist der österreichische Rechnungshof 2023 in seinem Bericht zur Lebensmittel-Versorgungssicherheit darauf hin, dass nach Schweizer Vorbild die Ermittlung von Netto-Selbstversorgungsgraden erfolgen sollte, um ein „genaueres Bild der Selbstversorgung zu erhalten“. So müsste etwa bei tierischen Produkten jener Anteil abgezogen werden, der unter Verwendung von importierten Futtermitteln erzeugt worden ist, um den jeweiligen möglichen Selbstversorgungsgrad mit einem Lebensmittel zu ermitteln. Für die Schweiz würde der Verzicht auf importierte Futtermittel etwa bedeuten, dass insbesondere die Produktionsmenge an Schwein und Geflügel drastisch reduziert werden müsste.
„Für Österreich kann man sagen, dass es in seiner Produktion relativ ‚standortgerecht‘ wirtschaftet“, so Thomas Guggenberger, Nutztierforscher an der HBLFA Raumberg-Gumpenstein. Dass bei uns vor allem die natürlichen Grundlagen des Standortes effizient genutzt werden, zeigt sich auch im – verglichen mit anderen Ländern relativ geringen – CO2-Fußabdruck etwa von Milch oder Rindfleisch. So weist Österreich bei der Produktion von Rindfleisch, Milch und Eiern laut einer umfassenden Studie aus dem Jahr 2010 im EU-Vergleich den geringsten CO2-Ausstoß aller untersuchten Länder auf.
Bei den meisten tierischen Lebensmitteln gelingt es uns, den eigenen Verbrauch mit Produkten aus heimischer Erzeugung annähernd oder mehr als zu decken. Wir produzieren – bei jährlich schwankenden Mengen in allen Lebensmittelkategorien – fast doppelt so viel Milch, wie in Österreich konsumiert wird. Durch den Einsatz von sogenannten Zweinutzungsrassen – also Rassen, die sowohl als Milch- wie auch als Fleischlieferanten gute Leistungen zeigen – ist auch beim Rindfleisch der Eigenbedarf mit 144 Prozent ausreichend gedeckt. Schweinefleisch und Käse liegen bei über, Eier knapp unter 100 Prozent. Mit Getreide und Kartoffeln können wir uns zu fast 90 Prozent selbst versorgen, wobei die Tendenz fallend ist. Während von Geflügel und Butter immer noch 77 Prozent beziehungsweise 67 Prozent der Mengen hergestellt werden, die wir verbrauchen, können wir uns mit Gemüse und Obst nur zu 58 beziehungsweise 45 Prozent selbst versorgen. Bei Gemüse und Obst ist der – laut Österreichischer Ernährungspyramide – ohnehin zu geringe Konsum also nur etwa zur Hälfte durch die heimische Produktion gedeckt.
Franz Sinabell vom WIFO ist überzeugt: „Wir wissen, dass in Österreich wie in vielen anderen Ländern der Fleischkonsum zu hoch ist, genauso wie der von Zucker – die Ernährung ist also nicht optimal. Die Landwirtschaft kann das aber nicht beeinflussen, sie produziert, was nachgefragt wird: Wenn Zucker nachgefragt wird, dann wird Zucker produziert. Das ist ja auch die Aufgabe der Landwirtschaft. Das System kann deshalb nur von den Konsumentinnen und Konsumenten geändert werden.“
Um das Ziel einer annähernd vollständigen und noch nachhaltigeren Kreislaufwirtschaft zu erreichen, müsste die österreichische Landwirtschaft auf Futtermittelimporte aus Übersee gänzlich verzichten und sich noch mehr als ohnehin schon auf die Menge an Biomasse beschränken, die am eigenen Betrieb oder in der Region anfällt. Die Produktionsmenge an tierischen Lebensmitteln würden dann zurückgehen. Der Konsum müsste sich entsprechend anpassen. Das heißt konkret: deutlich weniger, aber keinesfalls gar nichts Tierisches mehr.
Windisch sagt weiter: „Die Abschaffung der Tierhaltung zu fordern ist wie zu sagen, wir dürfen als Antwort auf die Klimakrise in Zukunft überhaupt keine Energie mehr verwenden. Das ist natürlich völliger Blödsinn.“ Stattdessen fordert er, die Tierhaltung weitgehend auf – wie er es nennt – „regenerierbare“ Futtermittel umzustellen, sprich den Tieren nur das zu fressen geben, was ohnehin anfällt. „In letzter Konsequenz heißt das: Wir müssen vom Überkonsum an Fleisch, Milch und Eiern runter, dürfen aber gleichzeitig verwertbare Biomasse nicht wegwerfen. Deshalb brauchen wir auch in Zukunft Tierhaltung und dürfen weiter eine gewisse Menge Fleisch essen. Das Ganze ist eine Frage der Optimierung.“
Einen großen Anpassungsbedarf sieht der Wirtschafts- und Agrarexperte Sinabell auch im Bereich saisonales Obst und Gemüse:
„Wenn man in die Läden schaut, werden über das ganze Jahr hinweg die mehr oder weniger gleichen Gemüsearten angeboten und gekauft – also Paprika, Paradeiser, Gurken und so weiter. Die stammen im Winter aus einer energieaufwendigen Glashausproduktion oder werden über weite Strecken zu uns transportiert. Hier wäre es durchaus sinnvoll, das Sortiment an die Saison anzupassen – etwa mit winterfesten Sorten wie zum Beispiel Blattkohlen, Zwiebelgewächsen, Wurzelgemüse und Salaten, die auch in der kalten Jahreszeit bei uns wachsen.“
Martin Bruckner, Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler an der Wirtschaftsuniversität Wien, sieht es als Aufgabe der Politik, die politischen Rahmenbedingungen so zu gestalten, „dass es Konsumentinnen und Konsumenten einfach gemacht wird, sich beim Kauf von Lebensmitteln für nachhaltige Optionen zu entscheiden“. Eine mögliche Überproduktion sollte, so sieht es Franz Sinabell, auch im Sinne der globalen Ernährungssicherheit anderen Regionen zur Verfügung stehen – Regionen, die uns wiederum mit ihren Lebensmitteln beliefern und unseren Speiseplan erweitern. Das alles jedoch in einem „gesunden“ Ausmaß.
So viel Fläche beansprucht unser Lebensmittelkonsum
Lebensmittelproduktion braucht Fläche. In Österreich stehen dafür grob gesagt zweieinhalb Millionen Hektar an Acker- und Grünland (Wiesen und Weiden) zur Verfügung. Das entspricht einem knappen Drittel der Gesamtfläche des Landes. Warum ist das wichtig? Und: Reicht diese Agrarfläche überhaupt aus, um unseren derzeitigen Lebensmittelkonsum zu decken? Kurze Antwort: nein. Aber der Reihe nach...
Nahezu 100 Prozent der von uns konsumierten Lebensmittel werden zuvor von landwirtschaftlichen Betrieben produziert. Was wie eine Binsenweisheit klingt, galt die längste Zeit der Menschheitsgeschichte mitnichten: Hundertausende Jahre lang aßen Menschen ausschließlich das, was die Natur gewissermaßen von allein bereitstellte und lediglich noch erjagt oder eingesammelt werden musste. Seit Erfindung der Landwirtschaft vor rund 10.000 Jahren ist alles anders. Seither durchlaufen Lebensmittel einen von Menschen gesteuerten Produktionsprozess. Es gilt das Prinzip: nur wer vorne bestimmte Ressourcen wie Dünger, Saatgut, Muskel- oder Maschinenkraft zur Bodenbearbeitung und ähnliches hineinsteckt, kann hinten etwas ernten.
Land: eine knappe Ressource
Die mit Abstand wichtigste dieser Ressourcen ist das Land, auf dem Ackerbau und Tierhaltung stattfinden. Die Produktion von Lebensmitteln und weiteren Agrarrohstoffen steht dabei allerdings in Konkurrenz mit anderen Formen der möglichen Landnutzung, z.B. der Nutzung als Wirtschaftswald oder als Siedlungsfläche. Auch Flächen, die nicht im herkömmlichen Sinne zur Bereitstellung von Lebensmitteln, Holz oder Wohnraum „genutzt“ werden, erfüllen wichtige Funktionen: Moore etwa sind die wertvollsten Kohlenstoffspeicher der Welt, Brachen oder Blühstreifen dienen Insekten und anderen Lebewesen als Lebensraum. Wichtig ist: Viele dieser Funktionen schließen sich gegenseitig aus: Im Wald wächst kein Weizen. Umgekehrt speichert selbst das am nachhaltigsten bewirtschaftete Getreidefeld um ein Vielfaches weniger Kohlenstoff als ein Moor, ein Wald oder auch eine Weide.
In einigen Fällen kann eine bestimmte Fläche Nahrungsmittel bereitstellen und zugleich andere Ziele erfüllen. So kann etwa eine extensiv gehaltene Rinderherde Fleisch und Milch liefern und zugleich ökologisch wertvolle Grünlandflächen durch Beweidung oder Mahd erhalten (mehr zur Bedeutung des Grünlands findest du unter anderem hier). Oder ein ohne Unkrautvernichtungsmittel bewirtschaftetes Bio-Getreidefeld ökologisch wertvolle Acker-Wildkräuter beherbergen. Wenngleich in diesen beiden Beispielen geringere Getreide- bzw. Fleischerträge und damit ein höherer Flächenanspruch pro Einheit Lebensmittel entgegenstehen.
Generell aber gilt: Die Fläche Österreichs ist nicht vermehrbar. Wir als Gesellschaft entscheiden darüber, welche Funktion sie an welcher Stelle und in welchem Ausmaß erfüllen soll. Auch im weltweiten Zusammenhang weist die Wissenschaft immer wieder auf die Endlichkeit bzw. Knappheit der Ressource Land hin.
Klimaschutz durch Flächensparen
Wie jedes knappe Gut sollten also auch die vorhandenen nutzbaren Landflächen möglichst effizient genutzt werden. Aus Sicht der Nachhaltigkeit verbietet sich ein verschwenderischer Umgang. Für Österreich kann das zum Beispiel bedeuten, den Parkplatz eines Supermarktes auf dem Dach des Gebäudes zu platzieren, statt ebenerdig daneben. Ersteres bringt zwar höhere Baukosten mit sich, spart aber Landfläche. Auf der kann dann weiterhin Getreide oder Wald wachsen. Auch die jährliche Verschwendung hunderttausender Tonnen von Lebensmitteln allein hierzulande bedeutet in diesem Zusammenhang nichts anderes, als dass mit dem weggeworfenen Brot auch der Ackerboden „im Müll landet“, auf dem das Brot-Getreide gewachsen ist. Bildlich gesprochen. Auch die durchschnittlich zu hohe Kalorienaufnahme der Menschen in Österreich trägt zu einer übermäßigen Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Nutzflächen bei. Könnte man die Lebensmittelverschwendung reduzieren und mehr Menschen zu einer gesunden Ernährungsweise bewegen, dann würden die entsprechenden Agrarflächen dadurch freigeschaufelt – sei es zur Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung oder für den Klima- und Artenschutz. Aber selbst, wenn diese Ziele zu 100 Prozent erreichbar wären (was sie nicht sind), bräuchte es weitere Stellschrauben für den nachhaltigen Umgang mit Land.
Ein wichtiger Aspekt wird in diesem Zusammenhang häufig außer Acht gelassen: Österreich ist Teil einer durch Handelsbeziehungen global vernetzten Welt. In dieser Welt fließen Lebensmittel von Orten des tendenziellen Überflusses zu Orten des tendenziellen Mangels, bzw. dorthin, wo der beste Preis bezahlt wird. Man kann sich die Ackerflächen der Welt daher wie das Wasser in einem Swimmingpool vorstellen. Egal an welcher Ecke des Pools man es entnimmt oder dazugibt: der Wasserpegel fällt oder steigt stets überall gleich. Will heißen: Jede Tonne Getreide, die wir in Österreich nicht verschwenden, steigert – zumindest theoretisch – die globale Verfügbarkeit. Diese nicht-verschwendete Menge muss somit auch nicht auf einem Feld außerhalb Österreichs angebaut werden. Dasselbe gilt auch für jede Tonne, die wir auf unseren Flächen mittels Ertragssteigerung zusätzlich produzieren. Genauso für jede Tonne an essbarer Biomasse, die wir nicht an Nutztiere verfüttern, sondern direkt für die menschliche Ernährung nutzen können.
Aber was genau hat das Getreide- bzw. Flächensparen nun mit dem Weltklima zu tun? Der Weltklimarat IPCC beantwortet diese Frage unter anderem in seinem jüngsten und Sechsten Sachstandsbericht. Darin macht er deutlich: Das größte Klimaschutzpotenzial der globalen Landwirtschaft liegt in einem verringerten Flächenanspruch. Damit verbunden sind der Schutz bzw. die Wiederherstellung von Wäldern und anderen Ökosystemen.
Der Grund: die Produkte landwirtschaftlicher Nutzflächen zu konsumieren, vor allem solcher von Ackerland, heißt im globalen Sinne zwei Dinge: Erstens, die in Folge der wachsenden Weltbevölkerung stattfindende Ausdehnung der Ackerflächen auf Kosten von Naturflächen (Wälder, Savannen, Moore) direkt oder indirekt voranzutreiben. Dabei entweicht der in Bäumen oder Gräsern gespeicherte Kohlenstoff (C) in Form von Kohlenstoffdioxid (CO2) in die Atmosphäre und trägt so zur Erderwärmung bei. Ebenso ein großer Teil des Bodenkohlenstoffs, der in Humus oder Bakterien festgelegt ist. Zweitens heißt Ackerfrüchte verbrauchen, Land zu belegen, das andernfalls für die Renaturierung und damit u.a. für die Rückholung von CO2 aus der Atmosphäre genutzt werden könnte.
Konkret sollte im Sinne einer klimafreundlichen Landnutzung zunächst die Rodung von Urwäldern und Savannen aufhören. Noch besser wäre es schließlich, einen Teil der bereits bestehenden Agrarflächen zurück in das umzuwandeln, was sie einst waren: Naturflächen. Wenn ein Acker wieder zu Wald wird, dann entnehmen die wachsenden Bäume CO2 aus der Luft und speichern den enthaltenen Kohlenstoff langfristig in Holz und Blättern. Nachhaltig bewirtschaftete Wälder tun dasselbe, auch wenn es sich dabei streng genommen nicht um Naturflächen handelt. Zudem reichert sich der Boden des Waldes mit kohlenstoffreichem Humus, Bakterien und anderen Lebewesen an, die ihrerseits aus Kohlenstoff aufgebaut sind und ihn speichern. Mehr zur oft unterschätzten Rolle der Landnutzung findest du in unserem Klima-Report.
Dem Flächensparziel steht allerdings eine essenzielle Feststellung entgegen: Wenn die Landwirtschaft mehr Nahrungsmittel produzieren muss, dann hat sie grundsätzlich immer nur zwei Möglichkeiten: den Ertrag auf vorhandener Fläche steigern und/oder mehr Fläche bewirtschaften. Die Crux ist: Obwohl Ertragssteigerungen nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer immensen Flächenersparnis geführt haben, dehnt die rasant wachsende Menschheit ihre Ackerflächen noch immer aus – zu Lasten von Naturflächen, des Klimas und der Biodiversität. Solche Landnutzungsänderungen machen den mit Abstand größten landwirtschaftlichen Anteil am Klimawandel aus und generell den größten an den globalen Biodiversitätsverlusten.
Klar ist also: Durch unseren Lebensmittelkonsum beanspruchen wir Flächen, sei es in Österreich oder in jenen Ländern, aus denen wir Nahrungs- und Futtermittel importieren. Wir hinterlassen einen Flächenfußabdruck. Doch wie groß ist er?
Wie groß ist unser Flächenfußabdruck?
Laut Daten der Weltlandwirtschafts-Organisation FAO machen Agrarflächen bereits fast die Hälfte der bewohnbaren Landoberflächen der Erde aus. Auf diesen wachsen die Pflanzen für die direkte und indirekte menschliche Ernährung (Lebens- und Futtermittel) sowie etwa für die Biosprit-, Baumwoll- oder Hobbytierfutterproduktion heran. Legt man diese gesamte globalen Landwirtschaftsfläche auf alle über 8 Milliarden Menschen um, dann beansprucht jeder davon durchschnittlich 6.000 Quadratmeter (0,6 Hektar), was annähernd der Größe eines Standard-Fußballfeldes entspricht (0,7 Hektar).
Interessant dabei: Dieser Pro-Kopf-Flächenspruch ist heute weniger als halb so groß wie noch in den 1950er-Jahren. Grund dafür sind die auch unter dem Stichwort „Grüne Revolution“ bekannte Modernisierung, bzw. Intensivierung der Landwirtschaft sowie die daraus resultierenden höheren Erträge je Hektar. Wenngleich diese Intensivierung in unterschiedlichen Weltgegenden bislang unterschiedlich stark bzw. schnell vollzogen wurde.
Auch in Österreich haben der Einsatz verbesserter Pflanzensorten, von Landmaschinen sowie synthetischen Dünge- und Pflanzenschutzmitteln nach dem Zweiten Weltkrieg etwa für eine Verdreifachung der Getreideerträge gesorgt. Legt man die hierzulande verfügbare landwirtschaftliche Nutzfläche von derzeit (im Jahr 2022) 2,6 Millionen Hektar auf die Zahl der hier lebenden Menschen um (knapp 9,2 Millionen zum Jahresbeginn 2024), so ergibt sich daraus eine durchschnittliche Fläche von 2.800 Quadratmeter (0,28 Hektar) pro Kopf. Ebenso wie bei globaler Betrachtung ist auch beim Blick auf Österreich zu beachten: Mit Hilfe dieser Fläche werden nicht nur Lebens- und Futtermittel für die Lebensmittel-Selbstversorgung produziert, sondern auch andere Rohstoffe. Dazu gehören etwa Mais zur Biogas-Produktion oder Raps für die Biospritgewinnung, wobei in letzterem Fall die bei der Produktion anfallenden Reste wieder als Tierfutter dienen. Auch Heu zur Fütterung von Reitpferden oder anderen „Hobbytieren“ kann hierzu gezählt werden. Außerdem wird ein Teil der auf diesen Flächen produzierten Waren exportiert.
Ganz anders als beim Flächenanspruch pro Kopf verläuft die Entwicklungskurve des absoluten Flächenanspruchs der globalen Landwirtschaft: Dieser hat sich zwischen 1950 und 2023 um ungefähr 30 Prozent von rund 3,7 Milliarden Hektar auf 4,8 Milliarden vergrößert. Dies ist auf die erheblich gewachsene Weltbevölkerung sowie den vermehrten Wohlstand zurückzuführen. Beide Aspekte in Kombination haben zu einem Mehrbedarf an Nahrungsmitteln geführt, insbesondere tierischen Ursprungs. Obwohl sich von einem Hektar heute ein Mehrfaches der früheren Menge ernten lässt, dehnt die Menschheit die globalen Ackerflächen noch immer aus, während die Grünlandflächen in den jüngsten 20 Jahren leicht rückläufig sind. Dieses Ausdehnen von Ackerflächen geht zu Lasten des Weltklimas und der Biodiversität, vor allem, wenn sie in den Tropen passiert. Dort speichern natürliche Regenwälder enorm viel Kohlenstoff und ermöglichen zugleich eine besonders üppige Artenvielfalt.
Schrumpfende Anbauflächen in Österreich
Im Gegensatz zum globalen Trend ist der Umfang der landwirtschaftlich genutzten Fläche innerhalb Österreichs seit Jahrzehnten rückläufig. Allein die heimische Ackerfläche schrumpfte laut Daten des Umweltbundesamtes (UBA) zwischen 1990 und 2022 um fast die dreieinhalb-fache Fläche des Neusiedler Sees, bzw. rund 109.000 Hektar (7 %). Noch stärker verkleinerte sich die heimische Grünlandfläche. Sie zeigte sich 2022 um 11 Prozent (201.000 Hektar) kleiner als noch 1990. Im selben Zeitraum wuchs die Verkehrs- und Siedlungsfläche um die rund dreieinhalb-fache Fläche des Bodensees oder 197.000 Hektar (55 %). Anzumerken ist, dass sich die Daten des UBA bei Acker- und Grünlandflächen aufgrund unterschiedlicher Erfassungsregeln von den landwirtschaftlichen Statistiken unterscheiden. An den Trends ändert dies nichts. Mehr zum Thema Verbauung erfährst du übrigens in unserem Podcast mit der Architektin Caroline Rodlauer.
Im Schnitt der Jahre 2019 bis 2021 gingen durch Umwidmung in Bauland für Wohn- und Gewerbegebiete oder Infrastruktur täglich die Fläche von rund 16 Fußballfeldern (11,3 ha) verloren. Laut Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO bedeutet allein der Verlust an heimischem Ackerland über die ersten beiden Jahrzehnte nach der Jahrtausendwende, dass Österreich heute 480.000 Menschen weniger ernähren kann als in einem Vergleichsszenario ohne diese Verluste. Das hat ein WIFO-Team um Katharina Falkner und Franz Sinabell errechnet. Dabei wurde angenommen, dass sich die Konsummuster nicht ändern.
Unterschiedlichen Studien nach ließen sich theoretisch aber auch mit den verbleibenden Flächen alle rund 9 Millionen Menschen in Österreich ernähren. Mit einer Ernährungsweise entsprechend den offiziellen Empfehlungen ließen sich sogar Flächen freisetzen. Vor allem, weil durch den deutlich verringerten Fleischkonsum Ackerfutter- und Grünlandflächen eingespart würden. Diese könnten in einem solchen Szenario für andere Ziele abseits der Lebensmittelversorgung der eigenen Bevölkerung genutzt werden. Sei es für den Natur- oder Klimaschutz, zur Holzproduktion oder auch für die menschliche Ernährung außerhalb Österreichs. Theoretisch bleiben solche Überlegungen bislang u.a. deswegen, weil einer vollkommenen Selbstversorgung in der Praxis mehrere Dinge entgegenwirken. In erster Linie geht es dabei um eine Kombination aus unseren Konsumgewohnheiten und der inländischen Produktion. Salopp formuliert: In Österreich kann man alles essen, aber nicht alles anbauen.
Klima und Einkaufsverhalten bestimmen Flächennutzung
Grob lässt sich sagen: Je kühler, feuchter oder hügeliger es wird, desto eher eignet sich eine Region etwa für die Rinderwirtschaft und damit für die Produktion von Rindfleisch und Milch. Genau dieselben Bedingungen sind aber zum Beispiel für den erwerbsmäßigen Obst- oder Gemüsebau meist viel zu widrig. Das heißt nicht, dass die Produktion von Kohl oder Äpfeln auf 1.000 Meter Seehöhe unmöglich ist – einzelne Betriebe zeigen, dass es unter bestimmten Voraussetzungen gelingen kann – aber für die wirtschaftliche Produktion mit guten und stabilen Erträgen sind zusammenhängende, ebene Flächen, wärmere Temperaturen oder auch die Nähe zu Verarbeitungsbetrieben vorteilhaft. Daher liegen innerhalb Österreichs die Produktionszentren für Gemüse in unmittelbarer Nachbarschaft zu den großen Städten in Tallagen und weiten Ebenen, wie dem Marchfeld. Innerhalb Europas sind sie vor allem im Süden zu finden.
Insgesamt produziert das alpin geprägte Österreich auf seinen Flächen mehr Milch und Rindfleisch als die eigene Bevölkerung verbraucht und importiert umgekehrt grob die Hälfte seines Obst- und Gemüsebedarfs. Dabei kommen besonders hohe Anteile aus Italien und Spanien. Aber auch Deutschland gehört aufgrund seiner Größe und geografischen Nähe zu den wichtigsten Handelspartnern im Lebensmittelbereich. Im übertragenen Sinne exportiert und importiert Österreich damit auch die Agrarflächen, auf denen die Lebensmittel gedeihen.
Lebensmittel finden schlussendlich aus der ganzen Welt den Weg nach Österreich. Unser damit verbundener Flächenanspruch im Ausland kann aber auch dazu führen, dass Geld in ärmere Welt-Regionen fließt und dort die wirtschaftliche Entwicklung fördert. So konnte eine Übersichtsstudie der Uni Göttingen (Qaim et al. (2020): Environmental, Economic, and Social Consequences of the Oil Palm Boom) zeigen, dass der vermehrte Anbau von Ölpalmen in Asien zwar erhebliche CO2-Emissionen und Biodiversitätsverluste mit sich gebracht hat (Stichwort: Regenwaldrodungen). Gleichzeitig führte der Palmöl-Boom aber zu einer Halbierung der Armut in Indonesien, das mit 275 Millionen Einwohnern eines der bevölkerungsreichsten Länder der Erde ist. Schätzungsweise die Hälfte der weltweiten Ölpalmenflächen wird von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern bewirtschaftet. Gleichzeitig stellen Einkommen kein Alleinkriterium dar und müssen im Zusammenhang mit ökologischen Auswirkungen und sozialen Standards betrachtet werden.
Neben den naturräumlichen Voraussetzungen im Inland haben aber auch unsere Ernährungs- und Einkaufsgewohnheiten großen Einfluss auf das Ausmaß der Agrarflächen, die wir außerhalb Österreichs virtuell in Anspruch nehmen. So ist ein Leben ohne Bananen, Kaffee oder Avocados für viele Menschen kaum mehr vorstellbar, obwohl nichts davon in Österreich wächst oder gar überlebensnotwendig wäre. Andere Lebensmittel wachsen zwar hier, liefern aber nur während einer begrenzten Erntesaison frische Ware.
Was uns aber einmal schmeckt, das wollen wir gerne mehr als nur ein paar Wochen lang genießen. Als Gesellschaft schätzen wir die ganzjährige Verfügbarkeit von Lebensmitteln. Und oft ist es auch einfach der Preis, der entscheidet. Bei ausländischer Ware liegt dieser nicht immer nur wegen eines günstigeren Klimas niedriger. Auch laschere Umwelt- und Sozialstandards (etwa für Erntehelfer) ermöglichen geringere Preise an der Supermarktkassa. Aus diesen Gründen kommen Paprika, Tomaten und selbst Marillen häufig aus dem Ausland. Wir haben uns an eine globale Kost gewöhnt, bedenken aber nicht immer deren zum Teil negative Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt.
Auch über den Weg der Tierfütterung beansprucht Österreich Ackerflächen im Ausland. Zwar zeichnet sich die heimische Nutztierhaltung durch einen hohen Grad an Selbstversorgung mit Futtermitteln aus, was auch für das Beispiel Schweinemast gilt. Dennoch lässt sich Schweinefleisch zu den gewohnt günstigen Preisen in der Regel nur dann produzieren, wenn ein Teil der Eiweißkomponente in der Futterration durch Sojaimporte aus Übersee gedeckt wird. Auch dafür braucht es Ackerflächen, die in Nord- oder Südamerika liegen und zusätzlich, etwa in Brasilien, die klimaschädliche Umwandlung von Naturflächen in Ackerland befördern können.
Österreichs Flächenanspruch im Rest der Welt
Wie groß ist der durchschnittliche Flächenanspruch eines in Österreich lebenden Menschen im In- und Ausland? Wie viel Acker- und Grünland beanspruchen wir durch unser tägliches Essen?
Eine Antwort auf diese Frage versucht der „Verein zur Unterstützung des Ernährungsrates Wien“ mit seinem Projekt Welttellerfeld zu geben. Im Rahmen des Projekts wird im 22. Wiener Gemeindebezirk eine Fläche bewirtschaftet, die ihrer Größe nach dem durchschnittlichen Konsum an Lebensmitteln eines in Österreich lebenden Menschen entsprechen soll. Dasselbe gilt für die Aufteilung des Areals in unterschiedliche Anbaukulturen und Weidefläche. Die Berechnungsgrundlagen stammen von Martin Bruckner, Senior Scientist an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU), der die Zahlen für Land schafft Leben auf den neuesten Stand (2020) gebracht hat.
Demnach wird der durchschnittliche Konsum von Lebensmitteln (und anderen Rohstoffen, siehe unten) für eine Person in Österreich auf insgesamt rund 3.200 Quadratmeter (0,32 Hektar) landwirtschaftlicher Fläche produziert. 1.570 Quadratmeter (49 Prozent) davon liegen innerhalb Österreichs, 1.650 Quadratmeter (51 Prozent) außerhalb. Den Berechnungen zufolge werden außerdem annähernd zwei Drittel der Fläche (63 Prozent) für den Anbau von Futterpflanzen und als Weide genutzt, während das verbleibende Drittel dem Anbau pflanzlicher Lebensmittel dient.
Besonders deutlich wird Österreichs Importabhängigkeit, wenn man gesondert den Bedarf an Ackerland betrachtet: Rund 2.100 Quadratmeter nutzen wir für unsere Ernährung in Österreich pro Kopf, wobei 64 Prozent davon (1.370 m²) außerhalb Österreichs liegen und 36 Prozent (770 m²) heimische Äcker betreffen. (Anmerkung: Agrarische Rohstoffe, die in Österreich nicht für die Ernährung verwendet werden, sind in dieser Rechnung auch enthalten (z.B. Mais für die Biogasanlage). Nicht aber solche, die in verarbeiteter Form, z. B. als Biodiesel oder Textilien importiert werden.)
Etwas mehr als die Hälfte der „Ackerland-Importe“ kommt aus anderen EU-Ländern (870 m²) nach Österreich, gefolgt von Lateinamerika (140 m²), Asien (110 m²) und Nicht-EU-Europa (100 m²). WU-Wissenschaftler Martin Bruckner weiß auch, welche Produkte sie vornehmlich betreffen:
„Aus der EU und dem Rest Europas kommen vor allem Getreide und Ölfrüchte wie Raps und Sonnenblumen, die wiederum zum Großteil als Futtermittel eingesetzt werden. Aus Lateinamerika sind es Soja und Kaffee, aus Asien Kokos- und Palmöl.“
Was könnte Österreich tun, um diese Importabhängigkeit zu reduzieren?
„Wer seine persönliche Importabhängigkeit in puncto Ackerflächen verringern möchte, der sollte auf tierische Produkte verzichten, bzw. nur solche konsumieren, die aus einer Produktion mit hohem Anteil an heimischem Futter stammen, z.B. aus der Biolandwirtschaft“,
meint Martin Bruckner.
Generell ist wichtig: Acker- und Grünlandflächen sollte man aus mehreren Gründen nicht in einen Topf werfen, da sie sich wesentlich unterscheiden. So taugt ein großer Teil des Grünlands in Österreich nicht zur Verwendung als Acker, weil diese Flächen zu steil sind oder das Klima dort zu rau für einen nachhaltigen Ackerbau ist. Ihre Nutzung zur Fütterung von Wiederkäuern wie dem Rind ist die einzige Möglichkeit, diese Flächen in eine nachhaltige Lebensmittelproduktion zu integrieren und steht nicht in Nahrungskonkurrenz zum Menschen. Im Gegensatz zum Futteranbau auf Äckern, wo jedenfalls zum Teil auch Lebensmittel angebaut werden könnten. Die großflächige Umwandlung von Grün- in Ackerland würde zudem mittels Humusabbau erhebliche Mengen CO2 in die Atmosphäre freisetzen. Außerdem kann der Erhalt von Grünland auch einen wesentlichen Beitrag zur Förderung von Biodiversität darstellen. Bei der Betrachtung unseres Flächenfußabdrucks lassen sich Grün- und Ackerland daher nicht immer ohne Weiteres gegenseitig ersetzen.
Fazit: Die Landflächen zur Produktion unseres Essens und weiterer Rohstoffe sind begrenzt, sowohl in Österreich als auch global betrachtet. Sie stehen zum Teil im Zielkonflikt mit ihrer potenziellen Nutzung im Klima- und Biodiversitätsschutz. Bewusster Konsum überwiegend pflanzlicher Lebensmittel und tierischer Produkte, bei denen Grünland-Futter im Vordergrund steht, regionale Futtermittel verwendet und Kreisläufe geschlossen werden, können dabei helfen, den persönlichen Flächenfußabdruck geringer zu halten. Ebenso gehören überlegtes Einkaufsverhalten und die Reduktion von Lebensmittelverschwendung, aber auch nachhaltige, ertragreiche und effiziente Produktionsmethoden dazu. Mehr zur Bedeutung unterschiedlicher Landnutzungskategorien findest du in unserem Report Landwirtschaft, Ernährung und Klima