Die Kuh und das Methan: eine Frage der Bewertung
- Methan (CH4) entsteht von Natur aus überall dort, wo organische Masse unter Abwesenheit von Sauerstoff umgewandelt wird. Dies geschieht durch Mikroorganismen oder während geologischer Prozesse.
- Methan entweicht beispielsweise aus Sümpfen, aus Mülldeponien oder beim Abbau von Steinkohle. Wichtigste landwirtschaftliche Quellen sind der Verdauungsapparat von Wiederkäuern (Rind, Schaf, Ziege), überflutete Reisfelder oder unverschlossene Güllebehälter.
- Methan ist zwar 28-mal klimaschädlicher als CO2, wird aber in der Atmosphäre nach durchschnittlich zwölf Jahren wieder abgebaut. CO2 kann dagegen viele tausend Jahre überdauern.
- Je mehr Milch eine Kuh gibt, desto geringer ist der Methanausstoß pro Liter Milch. In Österreich ist die Zahl der Milchkühe zwischen 1990 und 2019 um 42 Prozent kleiner geworden, wodurch sich – trotz gesteigerter Milchmenge – der Treibhausgasausstoß der Milchproduktion um 32 Prozent verkleinert hat.
- Über den Methanausstoß hinaus verlangt eine umfassende Nachhaltigkeitsbetrachtung die zusätzliche Betrachtung aller weiteren Treibhausgase sowie von Aspekten wie Tierwohl, Standortgerechtigkeit, Ressourceneffizienz oder Biodiversität.
- Die vergleichsweise kurze Lebensdauer von Methan verhindert, dass sich das Gas in der Atmosphäre anhäufen kann. Mittel- und langfristig hängt das Ausmaß der Erderwärmung daher fast ausschließlich vom Gehalt des CO2 ab, das viele tausend Jahre in der Atmosphäre verweilen kann.
- Nicht zuletzt Forschende des IPCC bringen eine mögliche Neubewertung des Methans in die Diskussion ein. Neuere Maßstäbe eignen sich besser, den tatsächlichen Einfluss des kurzlebigen Treibhausgases auf die Erwärmung abzubilden.
- Geringerer Methanausstoß durch effiziente Produktion
- Zielkonflikt: Klima versus Tierwohl
- Sollte man Methan neu bewerten?
- Das bessere Bild mit dem Maßstab GWP*
- Von der „Schuld“ am erhöhten Strahlungsantrieb
Während des Verdauungsprozesses stoßen Rinder, Schafe, Ziegen und andere Wiederkäuer das klimaschädliche Gas Methan aus. Genauer gesagt wird es von Mikroorganismen freigesetzt, die die Vormägen der Tiere besiedeln. Diese Mikroorganismen bauen dort in Abwesenheit von Sauerstoff die stark zellulosehaltigen Pflanzenfasern ab, die etwa eine Kuh in Form von Gräsern oder Kräutern zu fressen bekommt. Dabei entsteht von Natur aus Methan.
Methan wird auch an vielen anderen Stellen frei, wo organische Masse unter Luftabschluss abgebaut und umgewandelt wird – oder vor Jahrmillionen umgewandelt worden ist. So entweicht das Gas beim Abbau von Steinkohle, aus überfluteten Reisfeldern sowie aus Sümpfen, Mülldeponien oder Güllebehältern. Auch die Energieträger Erdgas und Biogas bestehen im Wesentlichen aus Methan.
Da Wiederkäuer in großer Zahl zur Produktion von Fleisch und Milch gehalten werden (wenn auch in Österreich heutzutage weniger als noch vor Jahrzehnten), zählt das dadurch entstehende Methan zu den menschengemachten Treibhausgasen, im Gegensatz etwa zu Sumpfgas. Methan-Moleküle können deutlich mehr Wärme aufnehmen als das wichtigste Treibhausgas CO2 und sind somit 28-mal klimaschädlicher als CO2.
Laut aktuellen IPCC-Daten und gängiger Sichtweise macht allein das Methan aus der Wiederkäuerverdauung mit 23 Prozent die zweitgrößte Quelle von Klimagasen des Sektors Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Landnutzung (AFOLU) aus.
Geringerer Methanausstoß durch effiziente Produktion
Dabei gilt eine einfache Regel: je mehr Wiederkäuer, desto mehr Methan. Diese Regel gilt nahezu unabhängig von der Frage, wie viel Fleisch oder Milch ein Tier über seine Lebenszeit liefert. Anders formuliert: Eine Kuh, die wenig Milch gibt, stellt für das Methanbudget der Atmosphäre annähernd dieselbe Belastung dar wie eine Hochleistungskuh, die viel Milch gibt und viele Menschen versorgt.
Daraus ergibt sich ein aus Klimaperspektive entscheidender Zusammenhang: Pro Kilogramm Milch verursacht die Kuh mit der größeren Milchproduktion bzw. Milchleistung deutlich weniger Treibhausgase als ein Tier mit geringerer Produktionsmenge. Anders gesagt: Will man die Milchnachfrage von tausend Menschen decken, dann ist es aus Klimaperspektive besser, dies mit einer möglichst geringen Anzahl an Kühen zu schaffen, die eine möglichst hohe Leistung bringen. Aber, Achtung! Dies bezieht sich erst einmal ausschließlich auf die Klimawirkung und gilt längst nicht für alle Fragen, die bei einer umfassenden Nachhaltigkeitsbewertung wichtig sind. Zudem beruhen sehr hohe Milchleistungen auf einem hohen Anteil an Getreide und anderen Ackerfrüchten in der Futterration. Bei deren Anbau entsteht mittels Düngung Lachgas, wodurch ein Teil des beschriebenen Effekts wieder zunichte gemacht werden kann. Spitzenleistungen von Kühen stellen daher in der Regel nicht die klimaeffizienteste Variante dar. Vielmehr geht es um das richtige Maß an Intensität.
Am Beispiel der österreichischen Milchviehhaltung wird deutlich, dass eine verbesserte und effizientere Produktion nicht nur ökonomische, sondern auch ökologische Vorteile mit sich bringen kann. So hat sich die durchschnittliche Milchleistung pro Kuh laut einer aktuellen Studie der BOKU54 zwischen 1990 und 2019 von 3.800 Kilogramm auf 7.200 Kilogramm gesteigert. Diese Leistungsverbesserung hat im selben Zeitraum eine Schrumpfung des heimischen Milchviehbestandes um 42 Prozent ermöglicht, sodass sich dessen Klimawirkung, gemessen in CO2-Äquivalenten, um 32 Prozent verkleinert hat – obwohl die gelieferte Milchmenge konstant geblieben bzw. sogar leicht gewachsen ist.
Je länger eine Kuh lebt und gute Milchleistung zeigt, desto geringer fällt anteilsmäßig die Klimawirkung ihrer Aufzuchtphase ins Gewicht, in der sie noch keine Milch gibt, aber Ressourcen verbraucht und Methan ausstößt. Allein deshalb gilt es in der Milchviehhaltung ein großes Augenmerk auf das Tierwohl und die Gesundheit der Tiere zu legen.
Methan-Reduktion bewirkt Netto(!)-Abkühlung
Weniger Methan in der Atmosphäre führt unmittelbar zu einer verminderten Erwärmung. „Die österreichische Landwirtschaft hat eigentlich zu einer Netto-Abkühlung beigetragen“, sagt Werner Zollitsch, BOKU-Nachhaltigkeitsexperte im Podcast von Land schafft Leben im Oktober 2022. Wahr ist allerdings auch, dass sich Österreich nach derzeitigem Stand der EU-Klimaschutzpolitik dazu verpflichtet hat, seine Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 48 Prozent gegenüber dem Jahr 2005 zu reduzieren (gilt für alle Sektoren außerhalb des EU-Emissionshandelssystems). Damit steht auch der Sektor Landwirtschaft in der Pflicht, seine Emissionen weiter zu reduzieren.
Auch die Gesamt-Klimawirkung der österreichischen Schweinehaltung hat sich laut oben genannter BOKU-Studie zwischen 1990 und 2019 um 32 Prozent reduziert. Methan entsteht zwar kaum im Verdauungstrakt der Schweine, wohl aber bei der Lagerung ihrer Gülle. Zudem drücken Ammoniak-Emissionen auf die Bilanz, die indirekt zum Ausstoß des klimarelevanten Lachgases führen. Aber auch hier haben Effizienzzuwächse, ein besseres Güllemanagement und schrumpfende Bestände Verbesserungen fürs Klima gebracht. Gülle kann zum Beispiel bei der Lagerung abgedeckt und bei der Ausbringung mit sogenannten Schleppschläuchen nahe am Boden verteilt werden, wodurch weniger Methan entweicht. Pro Kilogramm Körpergewicht konnte die Branche den Ausstoß von Treibhausgasen im selben Zeitraum um immerhin 8 Prozent senken.
Viele agrarwissenschaftliche Forschungsprojekte und praktische Maßnahmen auf Betrieben haben das Ziel, den Methanausstoß aus der Tierhaltung weiter zu reduzieren.
Zielkonflikt: Klima versus Tierwohl
Die zitierte BOKU-Studie zeigt aber auch einen gegenteiligen Trend auf: Für Rinder abseits von Milchkühen hat sich der Treibhausgasausstoß pro Kilogramm Körpergewicht nämlich nicht vermindert, sondern um 3 Prozent erhöht. Der Grund dafür liegt hauptsächlich in der zunehmenden Verbreitung der sogenannten Mutterkuhhaltung.
Bei dieser extensiven Form der Rindfleischerzeugung wird das Kalb nicht vom Muttertier getrennt, wie es beim Kalb einer Milchkuh zwangsläufig passiert, um die Kuh melken zu können. Stattdessen stellt das Muttertier seine Milch im vollen Umfang dem Kalb zur Verfügung. Beide werden im Sommerhalbjahr gemeinsam oft auf extensivem Weideland gehalten. Extensiv bedeutet, dass pro Hektar vergleichsweise wenige Tiere gehalten werden. Auch der Anteil an Kraftfutter, also Ackerfrüchten wie Mais, ist bei der extensiven Haltung geringer.
Die Mutterkuhhaltung gilt in Sachen Tierwohl als Idealform der Rindfleischerzeugung, da sie der natürlichen Lebensweise von Rindern am ehesten entspricht, also sehr artegerecht ist. Außerdem stellt extensives Grünland einen wertvollen Lebensraum für zahlreiche Organismen wie Wildkräuter und Insekten dar, der nur durch die Beweidung in dieser Form erhalten bleibt.
Gleichzeitig hinterlässt das aus der Mutterkuhhaltung gewonnene Fleisch einen viel höheren CO2-Fußabdruck als Rindfleisch aus intensiveren Haltungsformen. Zum einen liegt dies daran, dass die Mastzeit bei der Mutterkuhhaltung länger ist. Die Kälber stoßen daher auch länger und damit größere Mengen Methan aus. Zum anderen stellt das Muttertier keine Milch für die menschliche Ernährung zur Verfügung. Auch sein Methanausstoß (sowie die Verursachung weiterer Treibhausgase, die im Zuge des Kraftfutteranbaus oder des Wirtschaftsdüngermanagements freiwerden) muss daher auf das Fleisch des Nachwuchses angerechnet werden. Man hält und füttert also zwei Tiere, die aber pro Mastperiode lediglich das Fleisch von einem Tier und keine Milch liefern. Rein aus Klimasicht ein verschwenderischer Umgang mit Ressourcen.
Die Mutterkuhhaltung ist ein Beispiel für viele Zielkonflikte innerhalb des Ernährungssystems.
Sollte man Methan neu bewerten?
Das Klimagas Methan macht bei Lebensmitteln von Wiederkäuern meist den größten Einzelposten aller Treibhausgase aus und wird daher in der Regel als das zentrale Problem der Wiederkäuerhaltung betrachtet.
Manche Forschende plädieren dennoch für eine Art Neubewertung der Klimawirkung des Methans, das Wiederkäuer ausstoßen. Konkret schlagen sie andersartige Berechnungsweisen vor, die den tatsächlichen Effekt des Gases auf die Erwärmung der Atmosphäre besser abbilden sollen als bisherige. Prominentester Überbringer entsprechender Vorschläge ist der Weltklimarat IPCC. In seinem sechsten und jüngsten Sachstandsbericht, der die weltweite Klimaforschung auf mehreren tausend Seiten zusammenfasst, erwähnt er entsprechende Vorschläge mehrfach. (Beispiele findest du im Kasten unten) Folgt man diesen, erweisen sich konstant hohe Methanemissionen aus der Haltung von Wiederkäuern als weniger klimaschädlich als bei der bislang üblichen Betrachtungsweise.
„Zusammenfassend lässt sich sagen, dass neue Emissionsmessungsansätze wie GWP* und CGTP dazu dienen, Emissionsänderungen bei kurzlebigen Treibhausgasen mit CO2-Emissionen in Beziehung zu setzen, da sie das unterschiedliche physikalische Verhalten von kurz- und langlebigen Gasen besser berücksichtigen.“
(Quelle: Working Group I, The Physical Science Basis (2021), Seite 1016, letzter Absatz)
In Bezug auf den bislang meistgebräuchlichen Maßstab GWP100 ist zu lesen:
„Wenn man die Methanemissionen in Form von CO2-Äquivalenten unter Verwendung des GWP-100 ausdrückt, überschätzt man die Auswirkungen konstanter Methanemissionen auf die globale Oberflächentemperatur um den Faktor 3 bis 4 (...), während man die Auswirkungen jeder neuen Methanemissionsquelle um den Faktor 4 bis 5 in den 20 Jahren nach der Einführung der neuen Quelle unterschätzt (...).“
(Quelle: Working Group I, The Physical Science Basis (2021), Seite 1016, 2. Absatz)
„Andere Metriken wie GWP* bieten eine noch bessere Übereinstimmung zwischen kumulativen CO2eq-Emissionen und Temperaturveränderungen. Eine solche Metrik ist möglicherweise besser geeignet, wenn das Hauptziel darin besteht, die Temperaturveränderung zu verfolgen, wenn die Emissionen sinken, wie in den Szenarien zur Emissionsminderung.“
(Quelle: Working Group III, Mitigation of Climate Change (2022), Seite 226, Ende 1. Absatz)Die Begründung für eine mögliche Berücksichtigung zusätzlicher Bewertungsmaßstäbe findet sich unter anderem in der Funktion des Klimagases innerhalb des natürlichen Kohlenstoffkreislaufs: Pflanzen holen sich Kohlenstoff (C) aus dem CO2 der Luft und bauen es in ihre Biomasse ein. Bei der Verdauung im Wiederkäuer wird ein Teil dieses Kohlenstoffs wieder frei – gebunden innerhalb der entstehenden Methan-Moleküle. In der Atmosphäre verweilt es dann durchschnittlich 12 Jahre, bevor es wieder zu Wasser und CO2 abgebaut wird. Dieses CO2 kann anschließend erneut von Pflanzen aufgenommen werden, die schließlich von Rindern gefressen werden. Der Kreislauf schließt sich.
Ähnliches gilt für den Anbau von Nassreis. Pflanzen nehmen CO2 aus der Luft auf, ihre Reste zersetzen sich im Boden. Wenn eine neue Generation von Reispflanzen zur Unkrautbekämpfung mit Wasser geflutet wird, dann bilden Mikroorganismen im Boden Methan.
Ganz anders verhält es sich mit dem CO2, das bei der Verbrennung von Kohle, Erdöl oder Erdgas entsteht. Zwar wurde auch das ursprünglich von Pflanzenzellen aus der Atmosphäre aufgenommen. Aber eben schon vor vielen Millionen Jahren. „Fossiles CO2“ steht daher außerhalb aktuell ablaufender Kreisläufe und erhöht den CO2-Gehalt der Atmosphäre gegenüber einem Zustand, wie er ohne Eingriffe durch Menschen gegeben wäre. Es kommt, wenn man so will, „obendrauf“ und kann seine Wärmewirkung in der Atmosphäre daher über viele tausende Jahre entfalten.
Anders ausgedrückt: Fossiles CO2 reichert sich in der Atmosphäre immer weiter an. Es türmt sich, bildlich gesprochen, zu einem immer größeren Berg auf und lässt damit die Temperaturen immer weiter steigen. Methan wird dagegen kontinuierlich abgebaut und verliert damit auch sein Erwärmungspotential nach vergleichsweise kurzer Zeit.
In der Konsequenz bedeutet dies, dass eine konstant große Rinderherde langfristig – über ihren Methanausstoß – nicht zu einer weiteren zusätzlichen Klimaerwärmung beiträgt. Hundert Rinder halten, vereinfacht gesagt, immer dieselbe Menge Methan im Umlauf. Zwar wäre es weniger warm ohne diese hundert Rinder, aber solange kein weiteres Rind dazukommt, gibt es eben auch keine zusätzliche Erwärmung. Steigt oder fällt die Zahl der Rinder allerdings, dann wirkt sich das umgehend auf die Temperatur der Atmosphäre aus.
Diese Kurzlebigkeit des Methans wird vielen Forschenden zu Folge über den aktuell gängigen Maßstab GWP100 zu wenig berücksichtigt.
Das bessere Bild mit dem Maßstab GWP*
Forschende haben inzwischen mit GWP* (gesprochen: GWP Stern) einen zusätzlichen Maßstab eingeführt, der dem Charakter des Klimagases Methan besser gerecht werden soll. Bei der herkömmlichen Metrik GWP100 ist der sogenannte Strahlungsantrieb die entscheidende Größe, also das bereits erwähnte physikalische Vermögen des Moleküls, zu einem bestimmten Zeitpunkt Wärmeenergie aufzuwärmen – rechnerisch umgelegt auf 100 Jahre.
Bei GWP* ist dagegen der tatsächliche Beitrag zu einer dauerhaften Erwärmung der Atmosphäre maßgebend. Dabei ist die kurze Lebensdauer von Methan sowie die Tatsache berücksichtigt, dass das Gas nicht akkumuliert.
Im zweiten Teil der oben genannten BOKU-Studie haben die Autorinnen und Autoren den Maßstab GWP* an wichtige Lebensmittel aus österreichischer Produktion angelegt und mit dem herkömmlichen Maßstab GWP100 verglichen. Für einen Durchschnittsliter Milch kam etwa heraus, dass dieser 0,5 Kilogramm sogenannter CO2-Erwärmungsäquivalente nach GWP* verursacht, statt ein Kilogramm CO2-Äquivalente nach GWP100. Für Rindfleisch führt der neue Maßstab zu einem Wert von 8,6 statt 14,5. bei Schweinefleisch hingegen, wo Methan eine untergeordnete Rolle spielt, ändert sich kaum etwas.
Gleichzeitig gibt der Erstautor der Studie Stefan Hörtenhuber aber zu bedenken: „Der zusätzliche Bewertungsmaßstab ist kein Freibrief für Methan. Allerdings bildet er den Nutzen effizienterer Produktion besser ab.“
Wer dem Vorschlag des IPCC und der BOKU-Forschenden folgt, muss Methan künftig differenzierter betrachten: als unvermeidlichen Teil einer standortgerechten Haltung und Fütterung von Wiederkäuern, die eine Nutzung vorhandener Grünlandflächen und eine nachhaltige Lebensmittelversorgung ermöglichen. Gleichzeitig spricht auch der erweiterte Blick auf Methan sehr dafür, seinen Ausstoß insgesamt weiter zu reduzieren. Keinesfalls sollte Methan aber vom größeren Problem ablenken: der Verbrennung von fossilen Brennstoffen, die die Atmosphäre über sehr lange Zeiträume erwärmen.
Von der „Schuld“ am erhöhten Strahlungsantrieb
Auch vier Wissenschaftler der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt HBLFA Raumberg-Gumpenstein argumentieren in ähnliche Richtung. In einem Forschungsbericht55 aus dem Jahr 2022 thematisieren sie, was rein physikalisch hinter dem Begriff Klimawandel steckt. Konkret lässt sich dieser nämlich als Veränderung der Energiebilanz der globalen Atmosphäre messen und in Watt pro Quadratmeter (W/m2) ausdrücken. Menschen vom Fach bezeichnen diese Veränderung als Strahlungsantrieb (engl.: Radiative Forcing).
In ihrer Arbeit berechneten die Forscher den Strahlungsantrieb, der sich aus Art und Menge der in Österreich ausgestoßenen Treibhausgase ergibt. So lag der Strahlungsantrieb für Österreich im Jahr 1890 bei rund 0,7 Milliwatt pro Quadratmeter (mW/m2) und vergrößerte sich bis 2018 auf 6,5 mW/m2, was annähernd einer Verzehnfachung entspricht. Vom gesamten Strahlungsantrieb für Österreich des Jahres 2018 sind 5,6 Milliwatt, beziehungsweise rund 85 Prozent, auf die Wirkung von CO2 zurückzuführen. Rund 7 Prozent stammen von der Erwärmungswirkung des Lachgases und weitere 7 Prozent von der des Methans.
Entscheidend sei laut der Arbeit die Tatsache, dass sich die immer weitere Verbrennung von fossilen Energieträgern in einer stetig anschwellenden und vor allem über Jahrhunderte andauernden Welle an erhöhter CO2-Konzentration in der Atmosphäre zeigt. Im Gegensatz dazu sei das von Wiederkäuern ausgestoßene Methan, das durch die Verdauung von Futter entsteht, nach durchschnittlich zwölf Jahren durch Oxidation in der Atmosphäre abgebaut. Dadurch, dass Methan ständig abgebaut wird, können gleichbleibend hohe Methanemissionen aus der Wiederkäuerhaltung nicht zu einem Anschwellen des „Methanbergs“ in der Atmosphäre führen. Im Gegensatz dazu lassen gleichbleibend hohe CO2-Emissionen aus der Verbrennung Jahrmillionen alter Kohlenstoffspeicher den atmosphärischen „CO2-Berg“ stetig wachsen.
Die Möglichkeiten einer Neubewertung von Methan werden in der Wissenschaft kontrovers diskutiert. Unabhängig davon gilt aber weiterhin, dass die Reduktion der Zahl der Wiederkäuer die Methankonzentration in der Atmosphäre senkt und zu einem unmittelbaren (Netto-)Abkühlungseffekt führt.
Völlig ohne die grünlandgebundenen Wiederkäuer müssten allerdings mehr Lebensmittel auf Äckern produziert werden. Wie sich das insgesamt auf die Erderwärmung auswirken würde, ist Teil dieser Diskussion innerhalb der Wissenschaft.
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