Ökobilanz
Erwerbsapfelanbau erfolgt in Österreich, wie weltweit, in intensiv geführten Plantagen. Waren es früher hauptsächlich Streuobstanlagen, in denen die verschiedenen Obstarten produziert wurden, sind es heute hochtechnisierte Intensivkulturen in denen nichts mehr dem Zufall überlassen wird. Dies gilt für den biologischen Anbau genauso wie für den so genannten “integrierten”. Dennoch bestehen zwischen den beiden Anbauformen einige grundlegende Unterschiede, welche sich auf die jeweilige Ökobilanz niederschlagen.
“Integrierter Anbau” versus kontrolliert biologischer Anbau
Der so genannte “integrierte Anbau” bildet eine Art Bindeglied zwischen der industrialisierten konventionellen Landwirtschaft, die hauptsächlich auf Produktivität ausgerichtet ist, und der ökologischen/biologischen Landwirtschaft. Hier werden vorzugsweise Methoden verwendet, die möglichst geringe Auswirkungen auf die Umwelt haben, ohne jedoch alle Beschränkungen aus der ökologisch betriebenen Landwirtschaft zu übernehmen.
Alle verwendeten biologischen Methoden, Anbautechniken und chemischen Prozesse werden unter dem Aspekt der Schaffung eines Gleichgewichts zwischen dem Schutz der Umwelt, der Wirtschaftlichkeit und der sozialen Bedürfnisse ausgesucht. Es soll demnach ökologischen als auch ökonomischen Erfordernissen Rechnung getragen werden (also nicht nur ökonomischen!). Der wesentliche Unterschied zur kontrolliert biologischen Anbauform besteht im erlaubten Einsatz von wasserlöslichen synthetischen Düngern sowie chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln. Beides ist im Bio-Anbau verboten. Laut Apfelbauer Walter Schiefermüller gleichen sich “in professionellen und marktorientierten Betrieben die Anbaumethoden immer mehr an.”
Wie jede Obstkultur würde auch der integrierte Apfelanbau wegen seiner relativ niedrigen Düngungsintensität, dem sparsamen Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln und der Fähigkeit im Gegenzug wieder über die Assimilation CO2 zu binden, sozusagen positiv bilanzieren - ist jedenfalls Dr. Mazelle von der LK Steiermark überzeugt. In dieser Hinsicht sei der integrierte Apfelanbau vergleichbar umweltschonend wie extensiv genutztes Grünland.
Mit Bio-Anteil im europäischen Spitzenfeld
Den höheren Wert von Bio-Äpfeln nicht nur in ökologischer Hinsicht bringt Fritz Prem, Präsident des europäischen Bio Obstforums und selbst Bio- Apfelbauer "der ersten Stunde", wie folgt auf den Punkt: “Im Biobereich hat der Bio-Produzent durch seine besondere Produktionsweise, durch seine Bioauflagen in der Produktion und die dadurch bereits sichergestellten Umwelt-, Nachhaltigkeits- und Wirtschaftskreislauf-Maßnahmen von Haus aus sein produziertes Produkt mit einer Reihe von positiven Emotionen aufgeladen. Somit hat der Bio-Produzent von der Gesamtleistung einen größeren Anteil am Produkt mit eingebracht als im Vergleich sein konventioneller Kollege.” Dies erkläre und rechtfertige den wesentlich höheren Erzeugerpreis von biologischen Äpfeln.
25 Prozent der österreichischen Apfelplantagen werden biologisch kultiviert. Ein deutlicher Anstieg in den vergangenen Jahren sei vor allem auf die große Umstellungswelle bis Ende 2016 zurückzuführen. Damit ist Österreich im europäischen Spitzenfeld. Bei einem Anteil von zwei Prozent an der gesamten konventionellen europäischen Apfelproduktion liegt der Anteil an der biologischen bei 13 bis 14 Prozent. Auch in Sachen Know-how habe sich die österreichische Bio-Produktion in der europäischen Spitze angesiedelt, so Prem weiter. Dies sei gerade für das ökonomische Überleben von Bio-Bäuerinnen und -Bauern sowie von umstiegswilligen Konventionellen von allergrößter Wichtigkeit.
Und in Zukunft alles Bio?
Einen generellen Umstieg der heimischen Produktion auf Bio freilich hält Prem weder für machbar noch für sinnvoll. Nur echte “Überzeugungstäter” würden langfristig auch in Bio Erfolg haben. “Rechenschieber-Bio-Bauern” hingegen würden nicht lange überleben und kurzfristig nur zu überlasteten Märkten und nachhaltig irritierten Kunden führen. Ein langsames und schrittweises Ansteigen der Bio-Produktion jedoch wäre laut Prem wünschenswert und durchaus absehbar.
CO2-Bilanz im engeren Sinn: Transportwege und Lagerung
Transportwege
Äpfel wachsen in Österreich und müssen nicht zwangsläufig über weite Strecken transportiert werden. Österreichische Äpfel werden im Herbst geerntet und können dann je nach Sorte monatelang gelagert werden. Vor allem von Mai bis August liegen Äpfel aus Übersee in den Regalen heimischer Supermärkte, weil diese dann frisch sind. Von der Vorjahresernte hängt ab, ob noch österreichische Äpfel in den Lagern sind. Sowohl diese als auch ausländische Äpfel haben dann relativ hohe CO2-Emissionen verursacht - die einen bei der langen Lagerung, die anderen beim Transport.
Lagerungsdauer
Grundsätzlich gilt: Je länger ein Apfel gelagert wird, desto schlechter ist seine CO2-Bilanz. Die optimale Lagerungstemperatur der in Massen gelagerten Sorten beträgt im Controlled-Atmosphere-Lager (CA-Lager) zwischen 0,5° und 3°C. Die Lagerung beginnt im Herbst und ist bei manchen Sorten bis zu ein Jahr lang möglich. Bio-Äpfel werden maximal neun Monate gelagert. Eine Lagerung über mehrere Monate ist energieaufwändig und teuer, da die Temperatur über einen langen Zeitraum sehr niedrig gehalten werden muss. Fritz Prem weist aber darauf hin, dass die meiste Energie am Anfang zum Runterkühlen der Zellen benötigt wird. In den Folgemonaten dagegen sei der Energieaufwand vergleichsweise sehr gering. Seriöse CO2-Bilanzen beziehen auch noch die Energieherkunft (fossil oder nachwachsend) mit ein. Hier stünde Österreich im internationalen Vergleich mit seinem hohen Anteil an erneuerbarer Energie sehr gut da.
Lagerungsarten
CA steht für "Controlled Atmosphere". Die Äpfel werden bei dieser Lagerungsart auf knapp über null Grad gekühlt und der Sauerstoff wird deutlich reduziert. CA-Lager haben daher einen hohen Energieaufwand. Wird "Smart Fresh" eingesetzt, müssen die Äpfel nicht so kalt gelagert werden. Dabei handelt es sich um ein Gas, das Ethylen, das Reifegas von Äpfeln, gewissermaßen blockiert. Es wird von einem US-Konzern vertrieben und kommt mittlerweile weltweit zum Einsatz. Leonhard Steinbauer, Leiter der Versuchsstation für Obst- und Weinbau in Haidegg, kritisiert die gängige Praxis im Zusammenhang mit “Smart Fresh”. ”Das Produkt wird nicht eingesetzt, um die Früchte länger am Baum reifen lassen zu können bei gleich langer Lagerdauer.” Darin läge eigentlich die sinnvolle Verwendung von “Smart Fresh”. Vielmehr werde nach wie vor teilweise unreif geerntet und mit dem Lagergas eine einjährige, verlustfreie Lagerung angestrebt. Walter Schiefermüller ergänzt: “So eingesetzt dient “Smart Fresh” nur den Vermarktungsstrukturen und nicht den Konsumenten bezüglich Aroma und Genusserlebnis (Austauschbare globale Massenware)”.
Pflanzenschutz im “integrierten” und biologischen Anbau
Kaum ein landwirtschaftliches Thema wird dermaßen kontroversiell gesehen und diskutiert wie der so genannte “Pflanzenschutz”. Dabei fokussiert die Diskussion schnell einseitig auf die Verwendung von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln, so genannten “Pestiziden”. Diese stehen massiv in der Kritik sowohl von Seiten einer bestimmten Fraktion innerhalb der Experten und Praktiker als auch beim interessierten Laien. Dabei betonen Bäuerinnen, Bauern, Expertinnen und Experten egal welcher Richtung, dass Pflanzenschutz lange vor der Frage chemisch-synthetische oder “biologische” Mittel beginnt.
Wo ein Schädling da auch ein Nützling
Zur Schädlingsbekämpfung werden sowohl im biologischen wie im “Integrierten Anbau” erst einmal die natürlichen Gegenspieler gefördert oder gezielt eingesetzt, zum Beispiel Raubmilben gegen Spinnmilben und die Larven von Marienkäfern, Florfliegen, Schwebfliegen, Raubwanzen und Schlupfwespen gegen Blattläuse. Die zunehmende Kenntnis der Biologie von Schädlingen und Nützlingen sowie der Einsatz von nützlingsschonenden Pflanzenschutzmitteln haben dazu geführt, dass die Aufwendungen an chemischen Pflanzenschutzmitteln weiter reduziert werden konnten.
Grundsätzlich obliegt es dann den jeweiligen Bäuerinnen und Bauern, wann sie regulierend in dieses Spiel natürlicher Antagonisten eingreifen. Fritz Prem hält hier dem biologischen Anbau zu Gute, dass dieser es sich eher leisten könne, der Natur zuzuschauen, wie sie sich selbst reguliert, da Bio-Bauernhöfe nicht auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen seien, jeden Prozentpunkt ihrer Ernte als makellose Ware auf den Markt zu bringen.
Beachten von so genannten “Schadschwellen”
Wichtig ist auch die Beachtung und das Einhalten von Schadensschwellen, das heißt, die Schadorganismen werden erst bekämpft, wenn der Schaden, der durch sie verursacht werden würde, für den Betrieb teurer ist als ihre Bekämpfung. Dazu müssen die Schädlingspopulationen laufend überprüft werden, zum Beispiel mithilfe von Astproben, die unter anderem auf Eier von Obstbaumspinnmilbe und Frostspanner sowie auf Blattläuse untersucht werden. Bei Klopfproben kommt man beispielsweise dem Apfelblütenstecher auf die Spur, in Pheromonfallen verfangen sich Apfelwickler und für die Sägewespe reichen schon weiße Leimtafeln.
Österreichweite Vernetzung von Wetterstationen hilft Anwendungen zu reduzieren
Ein bundesweit in Umsetzung befindliches Vernetzen von Wetterstationen wird schon bald dem Landwirt exakte Wetterdaten zur zeitlich optimierten Anwendung von Pflanzenschutzmaßnahmen in die Hand geben, bzw. unnötige Anwendungen überhaupt vermeiden helfen. Bestimmte Schaderreger treten nämlich nur unter speziellen Wetterkonstellationen (Niederschlag/Temperatur) auf und können so punktgenau bekämpft oder ganz sich selbst überlassen werden, wenn kein Gefährdungspotential gegeben ist. Dieses bundesweite Monitoring ist laut Dr. Leonhard Steinbauer, dem Leiter der Versuchsanstalt für Obst- und Weinbau in Haidegg, europaweit einzigartig.
Pflanzenschutzrückstände in den Äpfeln?
Dieses bei Konsumentinnen und Konsumenten besonders wichtige Thema wird wiederum je nach Sichtweise sehr unterschiedlich diskutiert. In jedem Fall liegen die festgestellten Werte gerade bei österreichischen Äpfeln seit vielen Jahren weit unter den gesetzlichen Grenzwerten. Mit klar rückläufiger Tendenz. Dies passt zu den gleich lautenden Aussagen der von uns befragten Bäuerinnen und Bauern, Expertinnen und Experten, wonach der Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln reduziert werden konnte. Schon aufgrund verschärfter gesetzlicher Auflagen für die Zulassung, aber auch durch vom Handel initiierte Qualitätsprogramme zur Minimierung von Rückständen – ganz abgesehen vom bäuerlichen Interesse nicht notwendige Anwendungen zu vermeiden.
Letztlich, so Walter Schiefermüller, käme es auch in diesem so wichtigen Punkt “auf die Philosophie, das Wissen und das Verantwortungsbewusstsein des Betriebsleiters an.” Biologische Bäuerinnen und Bauern, deren Äpfel rückstandsfrei sein müssen, geben jedenfalls zu bedenken, dass chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel in ihrer nicht prognostizierbaren Wechselwirkung untereinander nach wie vor ein potentielles Risiko für den menschlichen Verzehr darstellen.
Die Biene und der Pflanzenschutz
Die Honigbiene hat für den heutigen, modernen Obstbau eine nicht mehr wegzudenkende Bedeutung. Dies ist wissenschaftlich in zahlreichen Versuchen weltweit immer wieder bewiesen worden. Diese Erkenntnisse haben gezeigt, dass etwa 85 Prozent der gesamten Obstanlagen in Europa heute von der Honigbiene bestäubt werden. Durch die Kulturführungen im Intensivanbau hat sich auch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln konzentriert. Zwar wird von den meisten Imkerinnen und Imkern eingeräumt, dass sich in den vergangenen Jahren die Pflanzenschutzmittel hinsichtlich der Bienentoxizität durch ihre selektive Wirkung stark verbessert haben, es hänge aber immer noch auch von der guten landwirtschaftlichen Praxis der Anwenderinnen und Anwender ab, ob und in welcher Form Schäden an Bienen auftreten oder nicht.
Hier gelte es noch einiges zu verbessern, so die Imkerinnen und Imker. Die gesetzlichen Bestimmungen wären schon ausreichend für den Schutz der Bienen, es mangle aber vielfach in der Umsetzung. Hier sei noch viel an Aufklärungsarbeit zu leisten. Dies sehen auch die Expertinnen und Experten auf Seiten der Apfelproduktion so, etwa Leonhard Steinbauer. Dieser mahnt im Editorial der Haidegger Perspektiven unter dem Titel “Die Bienen brauchen unseren Schutz!”: “Gerade im Obstbau ist der Einsatz von Insektiziden kurz vor oder nach der Blüte notwendig, um Schlüsselschädlinge unter der wirtschaftlichen Schadensschwelle halten zu können. Nur ein verantwortungsvoller Einsatz dieser Produkte gewährleistet, dass die Verwendung von Insektiziden im Obstbau auch in Zukunft möglich ist”, so Steinbauer in den Haidegger Perspektiven.
Die Obstbäuerinnen und Obstbauern waren schon immer vorbildlich im Umgang mit Pflanzenschutzmitteln und Vorreiter in der Integrierten Produktion. Es gab in der Vergangenheit nur sehr selten Probleme. In Zukunft darf es überhaupt keine Probleme geben, deshalb sind vor jedem Pflanzenschutzmitteleinsatz mögliche Auswirkungen auf die Honigbiene zu prüfen.” Auch hier stimmt Obstbauer Walter Schiefermüller zu und ergänzt: “Mangelndes Wissen vieler Bäuerinnen und Bauern beim Einsatz von zugelassenen Wirkstoffen ist besonders ärgerlich und bringt dadurch die Branche in Verruf.” Bio-Bauer Fritz Prem verweist auf die ebenfalls wichtige Rolle von Wildbienen für die Bestäubung von Blüten und gibt zu bedenken, dass die Auswirkung von Pflanzenschutzmitteln auf diese Insekten noch wenig erforscht sei.