Sind Bio-Gebäck und -Brot ökologisch nachhaltiger?
Die Frage klingt anfangs wohl fast ein bisschen paradox: Ist Bio nicht immer automatisch ökologisch nachhaltiger? Es muss schließlich einen Grund geben, warum geschätzt rund elf Prozent des Brotes und Gebäcks in Österreich Bio sind. Auf die Frage gibt es keine einfache Antwort. Ein Blick auf das gesamte System Landwirtschaft ist notwendig:
Die Biolandwirtschaft ist zwar bezogen auf die Fläche weniger klimaschädlich und beherbergt eine höhere Artenvielfalt. Sie beansprucht aber, im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft, für denselben Ertrag mehr Land. Dadurch drehen sich die positiven Effekte auf der Produktebene mitunter ins Gegenteil. Vereinfacht gesagt: Bei einem weiteren Ausbau der Biolandwirtschaft – und ansonsten unveränderten Rahmenbedingungen – müssten noch mehr Flächen agrarisch genutzt, beziehungsweise bereits agrarisch genutzte Flächen intensiverer Nutzung unterworfen werden, um denselben Ertrag erzielen zu können. Für die heimische Brotgetreide-Versorgung hieße das, dass noch mehr Dauergrünlandflächen umgepflügt und zu Ackerland umgewidmet würden. Nun ist aber der durchschnittliche Humusgehalt und damit die C02-Speicherfähigkeit im Grünland bedeutend höher als im Ackerland. Mehr Bio-Ackerland statt Grünland hätte also einen tendenziell negativen Impact auf die Treibhausgasbilanz. Die Treibhausgasemissionen würden sich bei „Bio für alle“ unter dem Strich erhöhen. Dabei wird vorausgesetzt, dass sich an den Ernährungsgewohnheiten der Bevölkerung und damit auch am oft sorglosen Umgang mit Lebensmitteln nichts ändert. Studien, wie jene, die die Universität für Bodenkultur (BOKU) im Auftrag des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) im Jahr 2017 durchführen ließ und die eine komplette Umstellung auf Bio als möglich erachtet, setzen immer eine deutliche Reduzierung des Fleischverbrauchs und der Lebensmittelverschwendung voraus.
Der Gedanke ist also dieser: Werden vor allem die veredelten Lebensmittel tierischer Herkunft durch biologische Produktion erheblich teurer, werden sie sich weniger oft am Speiseplan finden, die Ernährung würde sich also tendenziell Richtung mehr pflanzlicher Lebensmittel bewegen. Dadurch würden agrarische Flächen frei, die derzeit der Herstellung von Tiernahrung dienen und die Mindererträge biologischer Bewirtschaftung dadurch mehr als ausgeglichen. Bio-Brot und Bio-Gebäck alleine sind also nicht automatisch ökologisch nachhaltiger. Eine bewusste Umstellung auf biologische Produkte in Kombination mit weniger Fleischkonsum kann sich letztendlich aber doch positiv auf die gesamte Treibhausgasbilanz auswirken.
Brot und Gebäck als Wegwerf-Produkte
Wenn es um Lebensmittelverschwendung in Österreich geht, tönt immer wieder das gleiche Beispiel durch die Medien: „Mit dem Brot und Gebäck, das in Wien pro Tag verschwendet wird, könnte man die gesamte Bevölkerung von Graz ernähren.“ Diese Berechnung stammt aus dem Film „We feed the world“, welche so das öffentliche Scheinwerferlicht auf die Verschwendung von Brot und Gebäck lenkte - jene Lebensmittelgruppe, die wie keine andere in so großen Mengen von uns verschwendet wird.
Etwa 161.900 Tonnen Brot und Gebäck landen in Österreich pro Jahr im Müll.
Brot und Gebäck machen damit mindestens ein Fünftel der Menge an jährlich anfallenden vermeidbaren Lebensmittelabfällen aus, welche sich somit auf rund eine Million Tonnen beläuft! Als „vermeidbar“ gelten Lebensmittel, die zum Zeitpunkt der Entsorgung noch genussfähig waren, oder bei rechtzeitiger Verwendung noch genießbar gewesen wären. Die Palette reicht also vom verpackten einwandfreien Joghurt aus dem Supermarkt, bis hin zum schimmelig gewordenen Stück Brot in der Küche.
Doch an welchen Orten findet diese Lebensmittelverschwendung eigentlich statt?
„Grundsätzlich entstehen an jeder Stelle der Wertschöpfungskette Brot- und Gebäckabfälle“, sagt Philipp Hietler, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Österreichischen Ökologie Instituts. „Beim Bäcker, in der Außer-Haus-Verpflegung, im Lebensmittelhandel und natürlich auch im privaten Haushalt.“
Verschwendung in der Produktion
Brot und Gebäck machen einen Großteil der verschwendeten Lebensmittel in der Lebensmittelproduktion aus. Damit werden alleine in den Bäckereien jährlich rund 52.000 Tonnen Brot und Gebäck im Jahr verschwendet. Gründe für den hohen Anteil sind unter anderem Überproduktion, Fehler bei Brot und Gebäck in der Produktion und nicht zuletzt: sogenannte freie Retourwaren von Supermärkten.
Mit freien Retourwaren ist Brot und Gebäck gemeint, das die Bäckereien zuerst in Form von gekühlten Teiglingen in den Supermarkt liefern und dann als aufgebackene Ware zurückbekommen, da es nicht verkauft werden konnte. Die Bäckereien schreiben den Supermärkten dann zurückgelieferte Menge gut. Für die Supermärkte entstehen so also keine finanziellen Einbußen. Die Bäckereien haben hingegen das Nachsehen. Sie müssen einen Weg finden, das alte Brot und Gebäck zu verwerten. Wenn keine tierischen Zutaten wie Käse oder Schinken – zum Beispiel bei Käse- oder Schinkenstangerl – dabei sind, kann die Ware als Tierfutter verwertet werden. Ein anderer Weg ist die Biogasanlage, wo Brot und Gebäck in Energie umgewandelt werden.
Die Praxis der freien Retouren wird mittlerweile immer mehr zum Auslaufmodell, da Supermärkte zunehmend selbst Verantwortung für ihre aufgebackenen Brote und Gebäcke übernehmen. Verschwendet wird jedoch auch nach wie vor im Handel.
> Fehler in der Produktion können zu Lebensmittelverschwendung führen
Problemzone Supermarkt
Supermärkte verschwenden pro Jahr rund 13.000 Tonnen an Brot und Gebäck. Diese Menge entsteht laut Philipp Hietler vor allem, da die Märkte mehr aufbacken als benötigt, um dem Kundenwunsch nach einer großen Auswahl an frischem Brot und Gebäck am Abend nachzukommen. Philipp Hietler empfiehlt Supermärkten daher „bedarfsgerecht“ aufzubacken. Durch Messungen kann zum Beispiel festgestellt werden, wie viel Kundschaft um welche Uhrzeit einkaufen geht und welche Produkte vor allem gekauft werden. Daraus kann dann abgeleitet werden, wie viel und welches Brot und Gebäck am Abend noch aufgebacken werden sollte, um den Bedarf zu decken. „Wichtig ist, dass der Kunde nicht davon ausgeht, dass auch am Abend alles da ist und sich beschwert“, so Philipp Hietler. „Denn ein engagierter Filialleiter bäckt wirklich nur bedarfsgerecht, also am Abend nur wenig auf. Bekommt dann aber eine Beschwerde vom Kunden. Es liegt also in unserer Verantwortung, etwas zu ändern.“
Verschwendung im Privathaushalt
In österreichischen Haushalten wird mit Abstand die größte Menge an Brot und Gebäck verschwendet:
Etwa 96.900 Tonnen an Brot und Gebäck landen jährlich in Österreichs Haushalten im Müll. Das entspricht etwa 18 Kilogramm an verschwendetem Brot pro Person und pro Jahr.
Die Gründe für die Verschwendung sind vielfältig: Brot und Gebäck sind verhältnismäßig billig, weshalb es bei Verschwendung zu keinem großen finanziellen Verlust bei Einzelnen kommt. Leben mehrere Personen in einem Haushalt, kaufen diese manchmal aus Versehen doppelt ein und zudem wird der Einkauf oft gar nicht oder schlecht geplant. Darüber hinaus haben Menschen einen hohen Anspruch auf Frische bei Brot und Gebäck und ist dieses hart geworden, fehlt es vielen Menschen an Wissen darüber, wie sie es noch verwerten können. Eine gute Idee ist es zum Beispiel, hartes Brot noch zu Knödeln weiterzuverarbeiten.
Verminderung der Lebensmittelverschwendung als UN-Ziel
Österreich hat sich bis zum Jahr 2030 zum UN-Ziel verpflichtet, 50 Prozent der Lebensmittelabfälle im Handel sowie im Haushalt zu reduzieren. Ein Großteil der Supermärkte in Österreich kooperiert bereits mit sozialen Organisationen, damit die Lebensmittel noch verwendet werden. Beispiele dafür sind nicht nur Projekte bekannter Hilfsorganisationen wie etwa der Caritas, sondern auch kleinere Zusammenschlüsse von Lebensmittelrettern und -retterinnen, die sich über die Webseite www.foodsharing.at austauschen und Abholungen bei Supermärkten durchführen. Diese dürfen auch Produkte mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) entgegennehmen und auf eigene Verantwortung konsumieren oder weiterverschenken. Damit sich jedoch flächendeckend etwas verändert, müsse man laut Philipp Hietler in der ganzen Gesellschaft Bewusstsein schaffen: „Wir müssen hier etwas gemeinsam tun, um diese riesige Menge an Lebensmittelabfällen zu vermeiden: Wir alle stehen in der Pflicht!“