Essen und Emotionen
Hängen Essen und Gefühle zusammen?
Essen ist untrennbar mit unseren Emotionen verbunden. Wichtig ist, dass sowohl Emotionen das Essverhalten beeinflussen können als auch umgekehrt das Essverhalten auf Emotionen wirken kann.
Das komplexe Zusammenspiel im Gehirn, insbesondere in Bereichen wie der Amygdala und dem limbischen System, spielt dabei eine entscheidende Rolle. Die Amygdala, auch “Mandelkern” bezeichnet, ist für die Verarbeitung von Emotionen zuständig und hilft uns, auf Gefahren zu reagieren. Zusätzlich spielt sie eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Emotionen und der Wiedererkennung von emotional relevanten Erfahrungen, indem sie Erinnerungen an vergangene Ereignisse speichert und mit aktuellen Reizen verknüpft. Das limbische System fungiert unter anderem als Zentrum für unsere Gefühle und beeinflusst unser Verhalten stark.
Dieses emotionale Zentrum im Gehirn ist auch eng mit unseren Lern- und Verhaltensmechanismen verknüpft, wie sie durch klassische und operante Konditionierung beschrieben werden:
- Klassische Konditionierung beschreibt die Verknüpfung von zwei Reizen. Wenn ein neutraler Reiz, zum Beispiel eine Situation im Alltag, immer wieder mit einem zweiten Reiz, in dem Fall Essen, auftritt, kann der erste Reiz den zweiten Reiz auslösen. Wir greifen dann also nicht aus Hungergründen zu Nahrung, sondern weil wir so konditioniert wurden oder uns möglicherweise selbst entsprechennd konditioniert haben. Ein Beispiel wäre Kuchen zum Kaffee oder Knabbergebäck vor dem Fernseher.
- Operantes Konditionieren hingegen ist ein Lernprozess, bei dem das Verhalten durch wiederholte Konsequenzen geformt wird. Negative Verstärkung liegt vor, wenn Essen genutzt wird, um unangenehme Gefühle zu reduzieren. Das kann zum Beispiel Fastfood nach einem besonders stressigen Arbeitstag sein. Positive Verstärkung zeigt sich hingegen, wenn Essen als Belohnung dient. Sind etwa Geburtstagsfeiern immer mit Essen verbunden, verstärkt den Zusammenhang zwischen Feierlichkeiten und Essen.
Viele Menschen nutzen bestimmte Speisen, um gezielt ihr Wohlbefinden zu steigern. Diese sogenannten „Comfort Foods" sind individuell unterschiedlich, fördern jedoch häufig die Ausschüttung von Dopamin – einem Glückshormon, das kurzfristig Entspannung und positive Gefühle vermittelt.
Paradebeispiel Schokolade
Die Meinung, dass Schokolade stimmungsaufhellend wirkt, ist weit verbreitet. Allerdings liegt das nur bedingt an ihren Inhaltsstoffen. Zwar trägt die Kombination von Zucker und Fett dazu bei, dass unser Belohnungssystem aktiviert wird, doch die oft vermuteten Stoffe, die direkt Glückshormone freisetzen, spielen dabei eine geringere Rolle. Vielmehr ist die Erwartungshaltung entscheidend: Schon die Vorstellung von Schokolade kann dazu führen, dass der Körper Dopamin ausschüttet und Endorphine freisetzt. Um diesen Effekt anzuregen, muss die Schokolade nicht einmal gegessen werden – allein ihr Geruch kann als Trigger ausreichen. Menschen empfinden vor allem das angenehme Gefühl von schmelzender Schokolade im Mund als wohltuend. Dieser Essgenuss ist der enthaltenen Kakaobutter zu verdanken, deren Schmelzpunkt nahe der menschlichen Körpertemperatur liegt. Zusätzlich spielt auch die Erwartungshaltung eine Rolle. Da wir diesen angenehmen Effekt erwarten, trägt er dazu bei, dass das Schokoladenessen uns noch glücklicher macht.
Unsere genetische Veranlagung sorgt dafür, dass wir von Natur aus eine Vorliebe für energiereiche Lebensmittel wie Zucker und Fett haben – eine Eigenschaft, die in der Evolution überlebenswichtig war. Die Lebensmittelindustrie macht sich diese zunutze, indem sie Produkte entwickelt, die durch die perfekte Balance aus Süße und Fett eine besonders starke Anziehungskraft ausüben. Diese Kombination, die gezielt unsere biologischen Belohnungssysteme anspricht, kommt in natürlichen Lebensmitteln nicht vor.
Warum regulieren wir mit Essen unsere Emotionen?
Es kann mitunter schwierig sein, eine genaue Trennlinie zwischen emotionalem Essen und emotionsregulierendem Essen zu ziehen, da der Übergang von Person zu Person verschieden und fließend ist. Am meisten Erfolg hat man damit, den eigenen Körper immer besser kennenzulernen und so die individuellen Mechanismen zu verstehen. In diesem Kapitel wird erkundet, welche Wechselwirkung zwischen Essen und Emotionen besteht und welche Auswirkungen sie auf unser Essverhalten haben kann.
Essen ist also immer auch emotional, da es nicht nur der Nahrungsaufnahme dient, sondern auch kulturell, sozial und individuell bedeutungsvoll ist. Die Freude an gemeinsamen Mahlzeiten oder auch die Erinnerung an Gerichte aus der Kindheit sind natürliche Beispiele dafür, wie Emotionen mit Essen verknüpft sind.
Wenn in Folge von Essen zur Emotionsregulierung gesprochen wird, bezieht sich das allerdings auf einen fehlgeleiteten Umgang mit Gefühlen. Essen wird dann nicht nur zur Nahrungsaufnahme genutzt, sondern auch als Mittel zur Emotionsregulierung und um die Intensität von Gefühlen abzuschwächen. Starker Ärger oder tiefe Trauer können durch Essen in mildere Empfindungen umgewandelt werden, was innere Anspannung abbauen und Stress reduzieren kann.
Physiologische Mechanismen wie das Dopaminsystem unterstützen diesen Prozess. Essen dient hier als Bewältigungsmechanismus, der kurzfristig zwar eine emotionale Erleichterung bringen kann, langfristig jedoch einen fehlgeleiteten Umgang mit Emotionen und Stress fördert. Meistens werden solche Muster bereits in der Kindheit erlernt, wenn Essen als Belohnung oder Trost bei negativen Gefühlen eingesetzt wird.
Es zeigt sich, dass manche Menschen dazu neigen, bei starken negativen Gefühlen fast gar nicht mehr zu essen, andere hingegen steigern ihre Nahrungsaufnahme. Beide Tendenzen können sich auch schon bei vermehrtem Stress bemerkbar machen. Genauso können Freude oder Langeweile die Nahrungsaufnahme auslösen.
In all diesen Fällen hat Essen den Sinn, tiefere Emotionen zu bewältigen. Eine emotionale Essstörung kann sich durch dauerhaft gesteigerte Nahrungsaufnahme ("Pegelessen"), ständige Verhaltenskontrolle wie Diäten oder exzessiven Sport oder durch regelmäßige Essanfälle äußern. Dabei kann dieselbe Emotion bei verschiedenen Menschen unterschiedliche Auswirkungen haben und im Extremfall sogar zur Entwicklung einer Essstörung beitragen.
Von „Frustessen“ spricht man, wenn Menschen versuchen ihren Frust durch den Konsum von Lebensmitteln zu regulieren. Dabei greifen sie v.a. zu fett- und zuckerreiche Lebensmitteln. Besonders bei Ärger und Konflikten wird vermehrt zu schnell verfügbarer Energie in Form von kalorienreichen Snacks gegriffen. Häufig nimmt gleichzeitig der Verzehr von Gemüse und ausgewogenen Hauptmahlzeiten ab. Dieses gefühlsbedingte Essverhalten ist einerseits oft eine unbewusste Reaktion auf intensive negative Gefühle – kann andererseits aber genauso bei starken positiven Gefühlen auftreten.
Essen, um Emotionen zu regulieren, ist oft das Ergebnis einer Konditionierung. Unser Körper merkt es sich, wenn wir auf bestimmte Emotionen, wie zum Beispiel Angst, wiederholt mit Essen reagieren. Im Gehirn bilden sich dann neue Nervenbahnen, die künftig bei dieser Emotion wieder nach Essen verlangen.
Diese Verknüpfungen kann man nur ändern, wenn man die Ursachen versteht. Das bedeutet, die Auslöser, die damit verbundenen Gedanken und daraus resultierenden Emotionen zu erkennen. So kann es gelingen, Essen seinen ursprünglichen Sinn zurückzugeben: den Körper zu nähren. Im Idealfall kommt es dabei auch zum Genuss. Aus diesem Grund ist es für gesunde Personen sinnvoll, das Thema Essen nicht mit strikten Plänen und eiserner Disziplin anzugehen, sondern vielmehr zu lernen, auf die eigenen Bedürfnisse zu hören.
Um das eigene Essverhalten zu verstehen und den tatsächlichen Bedürfnissen des Körpers gerecht zu werden, ist es notwendig, sich mit seiner individuellen Ernährungsweise und seinen Essgewohnheiten auseinanderzusetzen. Dieses Verständnis bildet nämlich die Grundlage, um zwischen physiologischem Hunger und emotionalem Hunger beziehungsweise Appetit unterscheiden zu können.
Mögliche Strategien, um Emotionen nicht mit Essen zu regulieren:
- Ursachen und Selbsterkenntnis: Ist mein Stresslevel höher als sonst? Beschäftigen mich berufliche oder schulische Probleme? Gibt es Konflikte in meiner Beziehung? Hier geht es darum, die Ursachen für Essen zur Emotionsregulierung zu erkennen. Denn eine hohe Belastung oder ungelöste Konflikte können der Auslöser für das Bedürfnis nach Essen zur Emotionsregulierung sein.
- Akzeptanz: Die Anerkennung von Emotionen aller Art kann helfen, negative Gefühle in neutrale oder positive Bahnen zu lenken und sie nicht mit Essen zu kompensieren. Negative Gefühle zu akzeptieren oder sie mit nahestehenden Vertrauten zu besprechen kann dabei helfen, nicht auf Essen als Regulierung zurückgreifen zu müssen.
- Achtsamkeit: Sich beim Essen vollkommen auf die Nahrungsaufnahme zu konzentrieren, jeden Bissen bewusst wahrzunehmen, gründlich zu kauen und das Essen zu genießen kann eine wirksame Methode sein, um Essen zur Emotionsregulierung vorzubeugen. Ziel ist, unterscheiden zu können, ob es sich tatsächlich um körperlichen Hunger handelt oder vielmehr Emotionen wie Stress oder Langeweile dominieren. Wenn emotionale Auslöser im Vordergrund stehen, hilft Achtsamkeit dabei, diese zu hinterfragen und langfristig besser damit umzugehen.
- Bewusstes Snacken: Zwischenmahlzeiten müssen nicht immer extrem süß oder salzig sein. Naturbelassene Lebensmittel wie Karottenstifte oder Apfelspalten eignen sich wunderbar für Gelüste zwischendurch – und liefern nebenbei wertvolle Nährstoffe.
- Alternativen finden: Will man sein Wohlbefinden steigern, aber nicht essen, kann man es auch mit ganz anderen Strategien versuchen – etwa Spazieren in der Natur, einer Yoga-Einheit, einem warmen Bad oder entspannender Musik.
- Vorplanen: Weiß man, dass man eine stressige Phase vor sich hat, so kann man sich im Voraus auf das Essen in diesen Momenten vorbereiten. Dann muss nicht im Affekt auf fett- und zuckerhaltiges Essen zurückgegriffen werden. Hilfreich kann sein, eine Liste gesunder Alternativen bereitzustellen oder sich alternative Bewältigungsstrategien zu überlegen.
- Biologischer Rhythmus: Entsprechend des eigenen biologischen Rhythmus kann man entscheiden, wann und wie oft am Tag man sich Zeit zum Essen nehmen möchte. Für die meisten Menschen sind das drei bis fünf Mahlzeiten. Sich Esspausen zu gönnen und Zeit fürs Essen zu nehmen ist ebenso wichtig – insbesondere dann, wenn der Alltag anstrengend ist. Denn Pausen geben neue Energie für danach anstehende Anforderungen.
- Notfallstrategien: Um in Momenten von emotionalem Stress nicht zu überreagieren, kann eine „Notfallstrategie“ entwickelt werden. Bevor man sich dem Essen zur Emotionsregulierung hingibt, könnte man mit einer vertrauten Person sprechen oder einen Spaziergang machen und so die Kontrolle über die Situation zurückzugewinnen.
Warum ist unser Appetit nicht immer gleich?
Emotionen können den Appetit sowohl steigern als auch verringern und führen oft zu Essen zur Emotionsregulierung. Auch Erinnerungen und Erwartungen spielen eine Rolle: Bestimmte Gerüche oder Situationen wecken Appetit, weil sie positive Erfahrungen aus der Vergangenheit wachrufen. Riechorgan und Emotionszentrum sind direkt verknüpft, weshalb die Erinnerungsfunktion durch den Duft-Trigger stark ausgeprägt ist. Gleiches gilt in die andere Richtung – negative Erinnerungen können unseren Appetit auf ein Lebensmittel abschwächen. Zusätzlich können körperliche Veränderungen wie Schwangerschaft oder Stoffwechselstörungen den Appetit beeinflussen.
Unser Appetit wird durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst, die sowohl sinnliche als auch emotionale und soziale Aspekte umfassen. Äußere Reize wie der Geruch, das Aussehen und der Geschmack von Speisen spielen eine entscheidende Rolle, ebenso wie der bloße Anblick von Lebensmitteln.
Gleichzeitig haben auch unsere emotionale Verfassung und soziale Einflüsse einen bedeutenden Effekt. So können zum Beispiel Werbung, das Verhalten von Menschen in unserem Umfeld oder gemeinsames Essen unsere Essgewohnheiten und unseren Appetit prägen. Darüber hinaus wirken persönliche Erfahrungen und Überzeugungen, die im Laufe des Lebens gelernt wurden, auf unsere Wahrnehmung und steuern unser Verlangen nach bestimmtem Essen.
Ein gesteigerter Appetit kann durch verschiedene Lebensstilfaktoren beeinflusst werden. Beispielsweise fördern stressreiche Situationen durch erhöhte Cortisolspiegel Essen zur Emotionsregulierung und steigern das Hungergefühl.
Ernährungsgewohnheiten wie eine zucker- oder kohlenhydratreiche Kost können zu Blutzuckerschwankungen führen, die wiederum Heißhungerattacken auslösen. Zudem kann ein Mangel an essenziellen Nährstoffen dazu beitragen, dass das Verlangen nach Nahrung steigt. Neben diesen Faktoren beeinflussen auch hormonelle Veränderungen, wie sie etwa in der Schwangerschaft oder bei Erkrankungen auftreten, die Regulation von Hunger und Sättigung.
Ebenso gibt es verschiedene Faktoren, die den Appetit mindern können. Infektionen, sei es ein Magen-Darm-Infekt oder eine Atemwegserkrankung, wirken häufig appetithemmend. Auch emotionale Belastungen wie Angst, Stress oder Trauer können das Hungergefühl dämpfen. In der frühen Schwangerschaft ist es oft die Übelkeit im ersten Trimester, die den Appetit einschränkt. Zusätzlich können bestimmte Medikamente, darunter Schmerzmittel, Antidepressiva oder Antibiotika, sowie schwerwiegende Erkrankungen wie Krebs – insbesondere in Organen wie Darm, Magen oder Bauchspeicheldrüse – zu einem deutlich reduzierten Verlangen nach Nahrung führen. Außerdem kann der Appetit mit steigendem Alter abnehmen.
Warum verspüren wir manchmal Heißhunger?
Heißhunger ist ein besonders starkes Verlangen, bestimmte Lebensmittel zu konsumieren. Er tritt dann auf, wenn dem Körper Nährstoffe wie Fette, Kohlenhydrate, Eiweiß oder andere wesentliche Nahrungsbestandteile fehlen. Da der Mensch zum Überleben Nahrung braucht, ist Hunger an sich ein sinnvolles Signal des Körpers, das auf einen akuten Mangel hinweist. Im Gegensatz zum normalen Hunger kann Heißhunger hingegen auch durch strenges Diäthalten oder stark gezügeltes Essverhalten hervorgerufen werden und Essanfälle auslösen – was leicht in einen Teufelskreis führen kann.
Beim sogenannten „gezügelten Essen“ wird die Nahrungsaufnahme weniger durch Hunger- oder Appetitsignale gesteuert, sondern vielmehr durch ständige bewusste Kontrolle. Beim gezügelten Essen geht es oft darum, das Gewicht zu halten – es handelt sich also um eine Art dauerhafte Diät oder Einschränkung. Je stärker diese Kontrolle ausgeprägt ist, desto höher scheint das Risiko für Essanfälle zu sein, die häufig durch emotionale Auslöser angeregt werden. Emotionen können dazu führen, dass diese innere Kontrolle kurzzeitig nachlässt und vermehrt Essen aufgenommen wird.
Was im Körper bei Heißhunger passiert, ist oft ein schnell sinkender Blutzuckerspiegel. Dadurch wird weniger Insulin ausgeschüttet und das Hungerhormon Ghrelin wird produziert. Dann verlangt das Gehirn nach Energie.
Ein weiterer Grund können hormonelle Veränderungen, wie sie etwa vor der Menstruation stattfinden, sein. Manche Hormone haben eine appetitanregende oder -reduzierende Wirkung. Es kann aber auch sein, dass der Körper vor der Periode einen leicht erhöhten Stoffwechsel hat, wodurch auch leicht verstärkter Hunger auftritt. Auch Schlafmangel kann übrigens ein hormonelles Ungleichgewicht herbeiführen, das wiederum zu verstärktem Hunger oder sogar Heißhunger führt.
Auch Einflüsse auf das Belohnungszentrum im Gehirn können Heißhunger fördern. Wenn wir uns etwa mit Essen belohnen wollen oder dies sogar so erlernt haben, steigt der Appetit darauf – und kann im Heißhunger enden. Wie bereits erwähnt können Schlafmangel und Stress den Appetit steigern, Langeweile hingegen führt oft dazu, dass wir aus Gewohnheit nach Essen greifen. Es wird auch vermutet, dass die Lust auf Süßes und Fettiges in stressigen Phasen in uns verankert ist – damit wir Energie einlagern können, um für anspruchsvolle Zeiten gewappnet zu sein.
Wie wirkt sich Stress auf unser Essverhalten aus?
Stress ist eine natürliche Reaktion des Organismus auf herausfordernde Situationen und kann sowohl positiv als auch negativ empfunden werden. War er ursprünglich ein lebenswichtiger Mechanismus in Bedrohungssituationen, hat Stress heute oft negative Folgen für Körper und Psyche. Stress hat einen klaren Einfluss auf das Essverhalten und kann sich unterschiedlich auf den Appetit auswirken. Während bei intensivem Stress der Appetit gedämpft sein kann und Essen weniger gut schmeckt, kann bei anhaltendem oder chronischem Stress die Motivation zu essen steigen. Essen wird dann zu einem Mittel, um sich zu beruhigen und den Stress kurzfristig zu lindern.
Während intensiver, akuter Stress den Appetit hemmt, da Adrenalin die Verdauung zugunsten der "Kampf-oder-Flucht"-Reaktion unterdrückt, wirkt sich chronischer Stress anders aus: Da Cortisol Insulin hemmt und Energie eher als Fett gespeichert wird, steigert ein dauerhaft erhöhter Cortisolspiegel die Lust auf Zucker und Fett. Zudem fördert Essen kurzfristig die Ausschüttung von Glückshormonen wie Dopamin, was die Motivation zu essen bei anhaltendem Stress weiter erhöht. Viele kennen dann den Drang, nach bestimmten Lebensmitteln zu greifen. Diese Zwischenmahlzeiten können oft rasch Glücksgefühle auslösen und innere Anspannung reduzieren. Im Umkehrschluss bedeutet dies allerdings, dass Stress zum Auslöser veränderter Essgewohnheiten werden kann.
Aus evolutionstheoretischer Sicht erfüllt Stress zwei entscheidende Funktionen: Er bereitet den Körper einerseits darauf vor, auf Bedrohungen zu reagieren, und soll andererseits das Überleben sichern. Stressreaktionen dienen aus evolutionsbedingter Sicht also dazu, Menschen in Sekundenbruchteilen auf Kampf oder Flucht einzustellen. Dafür mobilisiert der Körper gezielt Energie und richtet seine gesamte Aufmerksamkeit auf die Gefahrensituation.
Um optimal auf die Herausforderung, etwa den Angriff eines wilden Tieres, vorbereitet zu sein, aktivierte der Körper das Muskelsystem, das Herz-Kreislauf-System sowie den Stoffwechsel. Auch Denk- und Aufmerksamkeitsprozesse laufen dann auf Hochtouren. Während die Atemfrequenz steigt, nimmt die Atemtiefe ab. Herzschlag und Muskelspannung nehmen zu und die Körpertemperatur sinkt leicht ab. Alles, um den Körper maximal auf die Reaktion auf den Stressor vorzubereiten.
Chronischer Stress verstärkt also einerseits die Vorliebe für energiereiche Lebensmittel mit viel Zucker und Fett. In Stressphasen kann aber auch die Essgeschwindigkeit zunehmen oder die Bissen können größer werden. Beides kann wiederum die abdominale Fetteinlagerung fördern. Damit ist das viszerale Bauchfett gemeint, das sich um die inneren Organe ansammelt und potenziell gesundheitsschädlich sein kann.
Das subkutane Bauchfett hingegen findet sich direkt unter der Haut. Fett- und kohlenhydratreiche Lebensmittel aktivieren nämlich das Belohnungssystem im Gehirn. Dieser Effekt verstärkt sich, wenn Fett und Kohlenhydrate zusammen konsumiert werden. Da Belohnungssignale stärker sind als Sättigungssignale, kann dies zu Übersättigung und damit in weiterer Folge zu Übergewicht führen. Zucker liefert schnelle Energie, Fett längerfristige. Die Kombination von Süßem und Fettigem verbindet der Körper mit Stressabbau und Wohlgefühl.