Essstörungen und Ernährungsfehlverhalten
Die Inhalte rund ums Thema Essen & Psyche auf dieser Website dienen zur allgemeinen Information und sind kein Ersatz für professionelle medizinische Beratung, Diagnose oder Therapie. Essstörungen wie Anorexie, Bulimie, Binge-Eating-Störung oder andere Formen von gestörtem Essverhalten sind ernstzunehmende psychische Erkrankungen, die eine individuelle Betreuung durch qualifizierte Fachkräfte erfordern. Wenn du oder jemand, den du kennst, mit Essstörungen zu kämpfen hat, suche bitte umgehend Unterstützung bei einer Ärztin oder einem Arzt, einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten oder einer spezialisierten Beratungsstelle. Eine multiprofessionelle Behandlung, bei der Fachleute aus unterschiedlichen Bereichen wie Medizin, Psychotherapie und Diätetik zusammenarbeiten, ist oft besonders sinnvoll, um die komplexen Aspekte von Essstörungen ganzheitlich zu behandeln.
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Unter Essstörungen versteht man Verhaltensstörungen im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme, die auf eine Kombination verschiedener Ursachen (multifaktoriell) zurückzuführen sein können. Psychische Faktoren spielen dabei oft eine zentrale Rolle, können jedoch durch biologische, soziale und kulturelle Einflüsse verstärkt oder ergänzt werden. Sie zählen zu den schwerwiegendsten psychischen Erkrankungen und können lebensbedrohliche Folgen haben.
Bei Erwachsenen sind Essstörungen eine der häufigsten chronischen psychischen Störungen. In den meisten Fällen findet sich ihr Ursprung im Jugendalter, ihre Folgen können ein Leben lang anhalten. Essstörungen, insbesondere Magersucht, treten vor allem im frühen Jugendalter bis hin ins junge Erwachsenenalter auf, wobei Mädchen häufiger betroffen sind als Burschen. Auch ältere Menschen können jedoch an einer Essstörung erkranken.
Betroffene befassen sich bei allen Essstörungen übermäßig häufig und intensiv mit dem Thema Essen. Ihre Gedanken kreisen den Großteil der Zeit um das Thema Essen. Dabei kann es einerseits um die Nahrung selbst, aber auch um das Reduzieren oder Verweigern sowie um ein Übermaß an Essen, wie beim Binge Eating, gehen. Diese Gedanken sind Folge von psychosozialen Störungen und beinhalten auch, dass Betroffene den eigenen Körper oft stark verzerrt wahrnehmen.
Typische Formen wie Magersucht (Anorexie), Ess-Brech-Sucht (Bulimie) oder die Binge-Eating-Störung zeigen, wie vielseitig die Problematik ist. Essstörungen sind komplexe Erkrankungen mit multifaktoriellen Ursachen, weshalb in der Diagnose und Behandlung stets systemorientiert vorgegangen werden muss. Das bedeutet, dass neben psychischen auch biologische, kulturelle und weitere Einflussfaktoren berücksichtigt werden müssen, da diese in einem wechselseitigen Zusammenspiel die Entstehung und Aufrechterhaltung der Erkrankung begünstigen können.
Davon abzugrenzen sind die vermeidenden oder einschränkenden Essstörungen, die nun in die neuen Richtlinien als eigenständige Diagnose aufgenommen wurden und in den nächsten Jahren auch in Österreich Anwendung finden werden.
So wird etwa Adipositas, also Fettleibigkeit, nicht als Essstörung klassifiziert, sondern fällt unter die Kategorie der Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten. Weltweit – und damit auch in Österreich – sind immer mehr Menschen davon betroffen. Im Vergleich zu normalgewichtigen Personen leiden adipöse Menschen häufiger an psychischen Erkrankungen, da körperliche Belastungen wie chronische Entzündungen und hormonelle Veränderungen oft mit psychischen Beschwerden einhergehen.
Welche Essstörungen gibt es?
Essstörungen werden in drei Hauptformen unterschieden: Anorexie, Bulimie und Binge-Eating-Störung. Oftmals lassen sich die Symptome nicht eindeutig einer der Hauptformen zuordnen, und es können auch Kombinationen auftreten. Diese Mischformen erschweren die Diagnose und Behandlung zusätzlich.
Anorexia nervosa
Anorexie, häufig als Magersucht bezeichnet, ist eine Essstörung, bei der Betroffene bewusst weniger Essen zu sich nehmen, als ihr Körper benötigt. Das führt mitunter bis zu einem gefährlich niedrigen Körpergewicht. Oft erkennen sie selbst nicht, wie ernst es um ihren gesundheitlichen Zustand bestellt ist. Obwohl die Erkrankten untergewichtig sind, haben sie starke Angst vor einem „dicken“ Körper und einer „schlaffen“ Körperform und unternehmen alles, um weiterhin abzunehmen.
Das Körpergewicht kann unter anderem durch die Vermeidung hochkalorischer Speisen, selbstinduziertes Abführen oder exzessive körperliche Aktivität gezielt niedrig gehalten werden. In den meisten Fällen liegt eine Unterernährung verschiedenen Schweregrades vor, die zu Funktionsstörungen führen kann. Der Selbstwert anorektischer Personen hängt stark von ihrem Gewicht und ihrer optischen Erscheinung ab. Häufig nehmen sich Betroffene selbst als deutlich fülliger wahr, als sie tatsächlich sind.
Der Body Mass Index (BMI) ist ein häufig verwendetes Maß zur Beurteilung des Körpergewichts, das das Verhältnis von Körpergröße und -gewicht berücksichtigt. Der BMI wird nicht als alleiniges Diagnosekriterium für Magersucht verwendet, dient jedoch häufig als objektives Maß für Untergewicht. Bei Kindern und Jugendlichen erfolgt die Bewertung anhand von Perzentilen.
Zur Berechnung des BMI wird folgende Formel verwendet: BMI = Körpergewicht (in kg) geteilt durch Körpergröße (in m) zum Quadrat.
Einteilung Untergewicht laut BMI:
• mildes Untergewicht: BMI zwischen 17 bis 18,4 kg/m²
• moderates Untergewicht: BMI zwischen 16 bis 16,9 kg/m²
• starkes Untergewicht: BMI unter 16 kg/m²
• extremes Untergewicht: BMI unter 15 kg/m²
Bulimia nervosa
Bulimie ist eine Essstörung, die von wiederholten Essanfällen gekennzeichnet ist, allerdings ohne signifikante Gewichtsveränderung auftreten kann. Dabei wird in kurzer Zeit eine große Menge an Nahrung aufgenommen, teilweise bis hin zum Kontrollverlust. Um in Folge dieses Überessens einer Gewichtszunahme entgegenzuwirken, greifen Erkrankte zu extremen Maßnahmen – darunter erzwungenes Erbrechen, Abführmittel, Fasten oder übermäßiger Sport. Diese Verhaltensweisen treten regelmäßig und über mehrere Monate auf, meist mindestens einmal pro Woche. Auch bei dieser Erkrankung hängt der Selbstwert der Betroffenen stark von Gewicht und ihrem äußeren Erscheinungsbild ab. Manche Betroffene sorgen sich verstärkt um die eigene Körperform, auch, wenn nicht zwingend Gewichtsveränderungen bemerkbar sein müssen.
Häufig lassen sich bei bulimischen Personen vorherige Episoden einer Anorexia nervosa nachweisen. Die Übergänge sind fließend, sodass sich beispielsweise Magersucht in Bulimie oder eine Binge-Eating-Störung verwandeln kann. Oftmals lassen sich die Symptome nicht eindeutig einer der Hauptformen zuordnen, und es können auch Kombinationen auftreten.
Binge Eating-Störung
Charakteristisch für die Binge-Eating-Störung (BES) sind wiederholte Essanfälle, bei denen Betroffene sehr große Nahrungsmengen in unkontrollierter Weise zu sich nehmen. Typisch sind schnelles Essen, Essen bis zum unangenehmen Völlegefühl oder Essen ohne körperlichen Hunger. Diese Episoden sind oft mit negativen Gefühlen wie Scham, Ekel oder Schuld verbunden. Im Gegensatz zur Bulimia nervosa folgen auf die Essanfälle keine kompensatorischen Maßnahmen wie Erbrechen oder Fasten, was häufig zu Gewichtszunahme führt. Wie alle Essstörungen kann auch die Binge Eating-Störung mit erheblichem Leidensdruck einhergehen und die Lebensqualität der Betroffenen stark beeinträchtigen.
Vermeidend restriktive Essstörung
Bei dieser Form der Essstörung schränken Menschen ihre Nahrungsaufnahme ein. Anders als bei bisher erwähnten Erkrankungen haben Betroffene allerdings kein verzerrtes Bild von ihrem Körper. Vielmehr fokussiert sich diese Form, die kurz auch ARFID (englisch: avoidant-restrictive food intakte disorder) genannt wird, auf ein sehr wählerisches Essverhalten. Das kann sowohl die Textur, den Geruch, die Farbe aber auch den Geschmack betreffen. In manchen Fällen zeigen Betroffene komplettes Desinteresse an Lebensmitteln oder haben Angst vor möglichen negativen Folgen von bestimmten Speisen.
Zu diesen ARFID zählt etwa die Orthorexie. Lateinisch Orthorexia nervosa genannt, beschreibt sie ein zwanghaftes Streben nach gesunder Ernährung. Dabei geht es allerdings nicht um das Erfüllen der allgemeinen Ernährungsempfehlungen, sondern um das Essen oder Nicht-Essen gewisser Lebensmittel, die von den Betroffenen individuell als gesund oder ungesund betrachtet werden. Das kann im schlimmsten Fall zu einer starken Mangelernährung führen, weil Betroffene Personen Lebensmittel aus ihrem Speiseplan ausschließen, deren Nährstoffe der Körper eigentlich braucht. Außerdem kann es zu Einschränkungen im sozialen Leben kommen.
Obwohl die Orthorexie bisher nicht im internationalen Klassifikationssystem für Krankheiten (ICD-10) gelistet und damit keine offiziell anerkannte Diagnose ist, kann die Orthorexie eine Vorstufe oder Begleiterscheinung anderer Essstörungen sein. Betroffene setzen sich strenge Ernährungsvorschriften und schränken ihre Lebensmittelauswahl immer weiter ein. Frauen sind von Orthorexie häufiger betroffen als Männer. Da Betroffene ihre Essgewohnheiten als gesund ansehen, wird das problematische Verhalten zunächst oft übersehen. Da negative Folgen in der ersten Zeit meist ausbleiben, wird medizinische Hilfe oft erst dann gesucht, wenn körperliche Beschwerden wie Mangelerscheinungen, Erschöpfung oder Hautprobleme auftreten.
ICD-10 und ICD-11 sind Klassifikationssysteme für Erkrankungen und andere medizinische Diagnosen. Sie dienen der einheitlichen Codierung von Diagnosen und werden zur Erfassung von Krankheitsdaten im Gesundheitswesen genutzt. Seit 2022 wird auf Initiative der WHO (World Health Organisation) im ICD-11 jedoch die Kategorie der vermeidenden oder einschränkenden Essstörungen (ARFID) geführt. Dazu zählt auch Orthorexie im engeren Sinne. Als eigenständige Diagnose gilt sie allerdings weiterhin nicht, sondern als eine Störung mit Vermeidung oder Einschränkung der Nahrungsaufnahme. Einige Länder nutzen bereits das ICD-11, während in Österreich aber etwa auch Deutschland nach wie vor mit der ICD-10 gearbeitet wird, da die Integration des neuen, komplexeren Systems in das Gesundheitssystem noch nicht abgeschlossen ist.
Die Ernährungspsychiatrie („Nutritional Psychiatry“) erforscht den Zusammenhang zwischen Ernährung und psychischer Gesundheit und nutzt nährstoffbasierte Ansätze zur Prävention und Behandlung psychischer Erkrankungen. Eine internationale Studie mit rund 1.000 Psychologinnen und Psychologen, Psychiaterinnen und Psychiatern sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten aus über 50 Ländern zeigte, dass nur 0,8 % gut über dieses Fachgebiet informiert waren. Über zwei Drittel gaben an, in ihrer Ausbildung keinen Bezug zwischen Ernährung und psychischen Erkrankungen vermittelt bekommen zu haben.
Wie hängen Adipositas und die Psyche zusammen?
Adipositas beschreibt starkes Übergewicht, das auf verschiedene Ursachen zurückgehen kann. Eine der häufigsten Gründe ist die Aufnahme von zu viel energiereicher Nahrung. Wenn der Körper diese Energie nicht verbraucht, wird sie in Form von Fett gespeichert. Das überschüssige Fettgewebe wirkt sich negativ auf den Körper aus und begünstigt eine Reihe von Erkrankungen. Dazu gehören unter anderem Diabetes mellitus Typ 2, die Verengung von Blutgefäßen durch Ablagerungen sowie Bluthochdruck. Zusätzlich schränkt das hohe Gewicht die Bewegungsfreiheit ein und belastet die Gelenke erheblich.
Auch die seelische Gesundheit kann unter Übergewicht leiden. Adipositas wird in verschiedene Schweregrade unterteilt, die häufig anhand des Body-Mass-Index (BMI) bestimmt werden. Der BMI setzt das Körpergewicht in Relation zur Körpergröße und gibt Auskunft darüber, ob das Gewicht im Normalbereich liegt. Bei Erwachsenen gilt ein BMI von über 25 als Übergewicht, ab einem Wert von 30 spricht man von Adipositas.
Beim BMI werden keine Unterschiede in Bezug auf Geschlecht oder den individuellen Körperbau einbezogen. Im Gegensatz zu Perzentilen, die bei Kindern zur Einschätzung des Gewichts herangezogen werden und Wachstumsveränderungen beachten, ignoriert der BMI Faktoren wie Alter, Geschlecht, die Verteilung des Körperfetts sowie den individuellen Körper. Deshalb liefert er oft ein unvollständiges Bild der körperlichen Gesundheit. Der Taille-Hüft-Quotient, im Englischen WHR, kurz für “waist to hip ratio”, hat eine stärkere Aussagekraft über den Fettanteil, da er den Fettanteil im Bauchbereich berücksichtigt und als Indikator für viszerales Fett dient.
Adipositas ist keine klassische Essstörung, sondern eine chronische und zugleich behandelbare Erkrankung. In Österreich tritt sie immer öfter auf – zuletzt waren rund 17 Prozent der Bevölkerung ab 15 Jahren betroffen. Obwohl die Adipositas im Vergleich zu Anorexie und Co. keine psychische oder psychiatrische Störung ist, gibt es oft psychische Faktoren, die zur Aufrechterhaltung des Übergewichts beitragen. Auch hormonelle Ursachen, genetische Faktoren und ein Mangel an Bewegung können Übergewicht fördern.
Auffallend ist, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen wie Angststörungen und Depressionen häufiger an Adipositas leiden. Man spricht dann von Begleiterkrankungen, die im Fachjargon auch Komorbidität genannt werden. Das bedeutet, dass Betroffene neben ihrer Grunderkrankung auch an einer oder mehreren weiteren Erkrankungen leiden. Diese sogenannte Komorbidität zeigt sich besonders oft bei Patientinnen und Patienten in psychiatrischen Einrichtungen, wo ein Großteil der Betroffenen übergewichtig ist.
“Es ist bekannt, dass viele Patientinnen und Patienten auf psychiatrischen Krankenstationen von Übergewicht beziehungsweise Adipositas betroffen sind. Meiner Einschätzung nach sind circa 80 bis 90 Prozent der Patienten übergewichtig. Hier gibt es eine sehr hohe Komorbidität.”
Research Prof.in Priv.-Doz.in Dr.in med.univ. Dr.in scient.med. Sabrina Leal Garcia
Adipositas ist eine komplexe und multifaktorielle Erkrankung, die durch das Zusammenspiel verschiedener Einflüsse entsteht und je nach betroffener Person unterschiedlich ausgeprägt ist. Psychische Faktoren spielen dabei eine bedeutende Rolle, da viele Menschen Essen nutzen, um unangenehme Emotionen wie Traurigkeit, Ärger oder Einsamkeit zu bewältigen. Dieses sogenannte Essen zur Emotionsregulierung kann zwar kurzfristig Stress reduzieren, führt aber langfristig häufig zu einer Gewichtszunahme. Auch Essstörungen wie die Binge-Eating-Störung, die durch unkontrollierte Essanfälle gekennzeichnet ist, begünstigen die Entwicklung von Adipositas.
Aber auch soziokulturelle und lebensstilbedingte Einflüsse können zu einer Adipositas-Erkrankung beitragen. Der moderne Alltag ist heute häufig bewegungsarm, sei es durch sitzende Tätigkeiten oder geringe körperliche Aktivität in der Freizeit. Gleichzeitig bietet der Lebensmittelmarkt zahlreiche energiereiche Produkte mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt bereit, die vor allem in hochverarbeiteten Lebensmitteln zu finden sind und eine übermäßige Gewichtszunahme begünstigen können. Darüber hinaus spielen auch körperliche und medizinische Faktoren eine Rolle. Stoffwechselstörungen, hormonelle Ungleichgewichte und die Nebenwirkungen bestimmter Medikamente können es erschweren, ein gesundes Gewicht zu halten.
Studien zeigen, dass es Zusammenhänge zwischen Adipositas und bestimmten psychischen Erkrankungen gibt, jedoch ist die Beziehung zwischen den beiden komplex und multifaktoriell. Ein erhöhter Insulinspiegel, wie er bei Insulinresistenz auftreten kann, wird etwa mit einem erhöhten Risiko für psychische Beschwerden in Verbindung gebracht.
Es ist wichtig zu betonen, dass sowohl Adipositas als auch psychische Erkrankungen stets durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst werden. Beide Erkrankungen können auf komplexe Weise miteinander verknüpft sein, ohne dass klar bestimmt werden kann, was zuerst war und was danach ausgelöst wurde. Der Zusammenhang zwischen diesen Erkrankungen kann vielmehr als ein Teufelskreis verstanden werden.
Interessanterweise wurde bei Jugendlichen mit starkem BMI-Anstieg in der Pubertät ein erhöhtes Risiko für Depressionen festgestellt, jedoch keine Verbindung zu psychotischen Störungen. Damit sind Veränderungen in der Wahrnehmung und im Empfinden gemeint, bei denen teilweise Halluzinationen auftreten.
Wie wirken Diäten auf Körper und Psyche?
Wenn Essgewohnheiten das Ziel verfolgen, das Körpergewicht zu halten beziehungsweise zu reduzieren, spricht man von „gezügeltem Essverhalten“ oder umgangssprachlich einer „Diät“. Eine Diät ist noch keine Essstörung, sondern vielmehr ein gezieltes, oft zeitlich begrenztes Verhalten, um das Essverhalten zu kontrollieren. Problematisch wird es, wenn eine Diät extrem strikt wird und das gesamte Essverhalten dominiert. In solchen Fällen kann sie ein Anzeichen oder aber der Beginn für eine Essstörung sein. Unterschieden werden verschiedene Arten von gezügeltem Essverhalten, darunter:
- Kalorien zählen
- Vermeiden bestimmter Lebensmittel(gruppen)
- Bevorzugen von kalorienarmen Lebensmitteln
- Reduktion von Portionsgrößen
- Auslassen von Mahlzeiten oder Komponenten von Mahlzeiten
Bei der Begriffsdefinition „Diät“ sind zwei unterschiedliche Bedeutungen zu unterscheiden: Zum einen bezeichnet „Diät“ eine abgestimmte Ernährungsweise für die Bedürfnisse von Kranken, Übergewichtigen oder ähnlichem, wie sie etwa in Spitälern oder Ernährungstherapien praktiziert wird. Zum anderen bezieht sich „Diät“ auch auf eine Ernährungsweise, die zum Zweck der Gewichtsreduktion eingehalten wird. Der Ursprung des Begriffs liegt im Lateinischen „diaeta“, das wiederum auf das Griechische „díaita“ zurückgeht und „Lebensweise“ bedeutet.
Bei einer Diät wird die Zufuhr von Nahrung nicht durch Hunger, sondern durch kognitive, also gedankliche, Kontrolle geleitet. Je strenger diese Kontrolle abläuft, desto größer die Chance, dass negative Folgeerscheinungen auftreten. Darunter fallen etwa Heißhungeranfälle und der explizite Hunger auf Süßes. Gezügeltes Essverhalten kann in Verbindung mit Anorexie und Bulimie außerdem zu Essanfällen führen.
Etwas gegen Übergewicht unternehmen zu wollen, ist aus gesundheitlicher Sicht grundsätzlich eine gute Entscheidung. Statt jedoch kurzfristige, extreme Diäten zu verfolgen, ist es ratsamer, das Essverhalten langfristig und nachhaltig zu ändern. Eine gesunde Gewichtsabnahme erfolgt am besten durch eine dauerhafte Anpassung der Ernährungsgewohnheiten und eine Steigerung der körperlichen Aktivität. Mithilfe einer professionellen Ernährungsberatung bzw. -therapie kann diese Anpassung nachhaltig unterstützt werden.
Während einer Reduktionsdiät, wie eine bewusst reduzierte Aufnahme von Kalorien auch genannt wird, passt sich der Körper an die geringere Kalorienzufuhr an: Er senkt seinen Energieverbrauch. Damit benötigt der Körper weniger Energie, um seine grundlegenden Funktionen aufrechtzuerhalten – er arbeitet sozusagen im „Sparmodus“.
Um eine ausgewogene Energiebilanz zu erreichen, reicht eine geringere Nahrungsaufnahme aus. Kehrt man nach der Diät jedoch zu alten Essgewohnheiten zurück, reagiert der Körper darauf: Überschüssige Kalorien werden dann bevorzugt als Fett gespeichert. Gleichzeitig wird der Energieverbrauch wieder erhöht, da der Körper versucht, eine neue Balance zwischen Kalorienaufnahme und -verbrauch herzustellen. Dieser Prozess führt oft dazu, dass das Gewicht wieder auf das ursprüngliche Niveau oder darüber hinaus ansteigt – der sogenannte Jojo-Effekt. Die erneute Gewichtszunahme führt häufig direkt in die nächste Diät.
Da das Essverhalten durch ständige Einschränkung und Verbote beeinflusst wird, entsteht unweigerlich ein verstärkter Kontrollzwang. Dieser kann in Folge zu einer Reihe an negativen Auswirkungen führen, nicht nur einer späteren Gewichtszunahme. Denn egal welche Diät eingehalten wird, Diäten setzen den Körper immer unter Stress. Eine Diät kann zu Stress führen, der wiederum die Ausschüttung von Cortisol anregt. Dieses Stresshormon fördert die Speicherung von Fett und kann gleichzeitig den Appetit auf schnell verfügbare Energie, wie kalorienreiche, fettreiche und zuckerreiche Lebensmittel, steigern.
Psychisch ist so eine Diät aus verschiedenen Gründen belastend: Einerseits kreisen die Gedanken verstärkt um die selbst auferlegten Essens-Regeln. Aber auch aus evolutionsbiologischen Gründen ist es sehr schwierig, mit Diäten abzunehmen. Das liegt daran, dass Stress immer schon gleichbedeutend mit Gefahr war. Und in Gefahrensituationen hatte der Körper nicht das Ziel, an Gewicht zu verlieren. Ganz im Gegenteil wollte er dann Energie speichern, um den Körper leistungsfähig zu halten.
Nicht zu vergessen: Wird die Nahrungszufuhr über längere Zeit stark reduziert, kann es auch zu einem Mangel an den Makronährstoffen Fett, Eiweiß und Kohlenhydraten sowie an wichtigen Mikronährstoffen kommen. Das belastet nicht nur den Körper, sondern auch das zentrale Nervensystem. In Folge kann dies zu psychischen Beeinträchtigungen führen, die den Teufelskreis zusätzlich verstärken.
Wohin kann man sich wenden, um ein Ernährungsfehlverhalten zu ändern?
In Österreich gibt es eine Vielzahl an Hilfsangeboten für Menschen, die mit Essstörungen aller Art zu kämpfen haben – sowohl für Kinder als auch für Jugendliche und Erwachsene. Um sich den teilweise sehr ernsthaften Auswirkungen auf die körperliche und psychische Gesundheit zu widmen, bieten zahlreiche Einrichtungen Hotlines sowie Unterstützung vor Ort an.
Die Palette reicht von professionellen Beratungsdiensten über spezialisierte Therapeutinnen und Therapeuten bis hin zu Anlaufstellen für Akuthilfe. Betroffene, aber auch Angehörige, sollten sich nicht scheuen, diese Angebote in Anspruch zu nehmen. Hilfe ist immer verfügbar, und der erste Schritt zur Besserung beginnt oft mit dem Mut, sich Unterstützung zu suchen.
Beratungsstelle
- Österreichische Gesellschaft für Essstörungen hat eine Liste für Beratungsstellen und auch Informationen zur Selbsthilfe, sowie Hotline-Angebote: Österreichische Gesellschaft für Essstörungen - Ambulante und stationäre Einrichtungen
Hotline
- Hotline für Essstörungen | WiG Wiener Gesundheitsförderung: Hotline für Essstörungen der Wiener Gesundheitsförderung
- Telefon-Hotline des Netzwerk Essstörungen: Hotline – Netzwerk Essstörungen
Spezielle Einrichtungen bei Essstörungen
- Spezialambulanz für Essstörungen im Kindes- und Jugendalter bietet ambulante und (teil-) stationäre Versorgung für Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen: Essstörungen und Assoziierte Krankheitsbilder | MedUni Wien
- intakt-Therapiezentrum für Menschen mit Essstörungen in Wien: intakt - Intakt
- Kompetenzzentrum für Menschen mit Essstörungen in Wien, Mödling und St. Pölten: Sowhat
- Wohngruppe Kaya (Diakonie Zentrum Spattstraße) für junge Menschen mit Essstörungen in Linz: Anorexie, Bulimie, Essstörungen, Therapie Wohngruppen KAYA - Diakonie
- AMEOS Klinikum Bad Aussee: Essstörungen sind mehr als nur stark verändertes Essverhalten | AMEOS Klinikum Bad Aussee
- Diakonie Essstörungsklinik Feldkirchen: Diakonie Essstörungsklinik - Stationäre Behandlung bei Magersucht, Bulimie und Binge Eating für Betroffene ab 16 Jahren - Diakonie
Darüber hinaus gibt es auch psychosomatische Ambulanzen in Kliniken und Krankenhäusern, wie die Landeskrankenhäuser und Universitätskliniken, sowie Psychotherapeutinnen und -therapeuten mit Spezialisierung auf Essstörungen, die gezielte professionelle Unterstützung bieten.