Marktkonzentration oder bunte Brauereilandschaft?
Die Brauereien der Brau Union Österreich brauen mehr als die Hälfte des insgesamt in Österreich ausgestoßenen Bieres. Als Teil des Heineken-Konzerns, des zweitgrößten Global Players der Brauereiwelt, bedienen sie aber nach wie vor unter den altbekannten Markennamen den heimischen Biermarkt. Die unter dem Dach der Brau Union vereinigten Brauereien sind die einzigen in Österreich in ausländischem Besitz. In anderen EU-Ländern, etwa auch in Deutschland, gibt es mehrere große Gruppen wie die Brau Union.
Sonst sind es hierzulande Familienbetriebe und Genossenschaften ganz unterschiedlicher Größenordnung, die den Bierdurst der Österreicher stillen und in Freistadt gibt es die Besonderheit einer Braucommune. Knapp 300 heimische Brauereien brauen zusammen etwa so viel wie die Brau-Union. Von diesen besitzen aber wiederum nur ungefähr 70 Brauereien tatsächlich Relevanz für den Markt. Die restlichen weit über 200 Klein- und Kleinstbrauereien machen zusammen nur etwa ein Prozent des Bierausstoßes aus.
Jutta Kaufmann-Kerschbaum, die ehemalige Geschäftsführerin des Brauereiverbandes, betont, dass Österreich im internationalen Vergleich eine ausgesprochen bunte und lebendige Brauereilandschaft aufweise: “Wir hatten schon vor dem Craftbeer-Boom sehr viele kleine, regionale Brauereien.” Dies sei essentiell für die Vielfalt der heimischen Bierkultur.
“Aktionitis” beim Bierkauf freut nicht alle
Herr und Frau Österreicher kaufen ihr Bier liebend gerne in Aktion. Mittlerweile fallen 60 Prozent des im Einzelhandel gekauften Bieres auf so genannte Promotionskäufe, bei kontinuierlich steigender Tendenz. Im internationalen Vergleich liegt Österreich hier an der Spitze. Bier in Aktion anzubieten kam in den 1970er-Jahren auf und dient seither als bewährtes Lockmittel, aber auch als Mengenhebel, also als Mittel dazu, große Mengen an Bier kurzfristig abzusetzen. „Aktionen sind Teil des Lebens“, ist daher eine über lange Jahre etablierte Erwartungshaltung der Konsumentinnen und Konsumenten. Viele richten ihr Einkaufsverhalten danach und kaufen Bier immer nur dann, wenn ihre Lieblingsmarken gerade in Aktion zu haben sind.
Promotionen dienen dazu, die Kauflust der Konsumentinnen und Konsumenten zu erhöhen und damit anfallende Mengen vom Markt zu nehmen. Wie sehr Aktionen tatsächlich den Verkauf puschen können, zeigt ein Beispiel, das uns Heinz Huber, Geschäftsführer des Vorarlberger Marktführers Mohrenbräu, im Filminterview gibt: “Bier kostet normalerweise 20 Euro pro Kiste. Da verkaufen wir am Wochenende 2.000 Kisten. In Aktion kostet das Bier 13 Euro pro Kiste, da verkaufen wir am Wochenende 17.000 Kisten!” Diese hohen Produktionsspitzen bei angekündigten Aktionen bringen die Brauereien teils an deren Leistungsgrenzen. Man komme dann mit der Produktion kaum nach und verfüge kurzfristig auch nicht über genügend Leergebinde, weshalb man extra neue Kisten und Flaschen kaufen müsse, wird kritisiert.
Wieviel vom Bier-Topf bleibt dem Bauern?
Folgende Zahlen sollen die Relation in der Wertschöpfungskette illustrieren:
Man nehme für einen Liter Dosenbier einen realistischen Preis von 2,60 Euro an (1,3 Euro für 0,50 Liter). Für die Herstellung von einem Liter Bier sind rund 0,2 Kilo Braugerste nötig. Eine Bäuerin oder ein Bauer bekommt etwa 0,3 Euro pro Kilo. Somit beträgt der Kostenanteil von Braugerste am Bierpreis etwa 2,3 Prozent. Vor etwa vier Jahren lag der Erzeugerpreis für Braugerste deutlich höher, nämlich bei etwa 0,22 Euro pro Kilo. Unter dieser Annahme liegt der Braugersten-Kostenanteil am Supermarktbier bei 2,3 Prozent. Auch interessant: Die Etiketten und der Kronenkorken zusammen machen mehr aus als die Rohstoffkosten beim Bier. Im Einwegbereich kostet zudem sogar die Flasche mehr als der Rohstoff. Der Regalplatz und die sonstigen Kosten im Supermarkt kommen noch dazu.
Biersteuer macht Bier teuer
Jedenfalls teurer als in unseren Nachbarländern, und so beschere die hiesige Biersteuer Österreichs Brauereien einen Wettbewerbsnachteil, laut Jutta Kaufmann-Kerschbaum. Die ehemalige Geschäftsführerin des Brauerei-Verbandes kritisiert dies und rechnet vor: In Österreich beträgt die Biersteuer 2,00 Euro pro Hektoliter (= 100 Liter) je Grad Plato. Für ein 12-grädiges Vollbier ergibt dies eine Biersteuer von 24 Euro pro Hektoliter. In Österreich ist damit die Biersteuer mehr als zweieinhalbmal so hoch wie in Deutschland. Eine Biersteuerermäßigung von maximal 40 Prozent, abnehmend auf 10 Prozent, besteht für Brauereien mit einer Gesamtjahreserzeugung bis 50.000 Hektoliter Bier. Die Biersteuer entrichtet die Brauerei an den Staat.
Die österreichische Brauwirtschaft leide unter der steuerlichen Benachteiligung gegenüber ihren vor allem deutschen und tschechischen Mitanbietern auf dem europäischen Markt. Als Folge davon herrsche seit dem EU-Beitritt aufgrund der wesentlich niedrigeren Bierbesteuerung in Deutschland vor allem in grenznahen Gebieten reger Bierimport durch die Letztverbraucher. Auch die EU-Erweiterungsrunde 2004 brachte aufgrund der niedrigeren Biersteuer in einigen neuen EU-Mitgliedsstaaten wie Tschechien eine weitere Zunahme dieser Kofferraumimporte. Die Steuernachteile führen dazu, dass Bier im Einzelhandel in Österreich um circa 20 Prozent teurer sei als in Deutschland.
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