Für 100 Liter Bier braucht man 20 bis 21 Kilo Braugerste. Ergibt 100 Gramm Braugerste für eine Halbe Bier. Bei durchschnittlichen Erträgen erntet man in Österreich dreieinhalb bis fünf Tonnen pro Hektar. Um Braugerste für 1,5 Liter oder drei Halbe Bier zu erzeugen, braucht man ungefähr einen Quadratmeter Gerstenacker.
Jedes Bundesland baut Sommergerste an. Der Großteil der Sommerbraugerste wird im nordöstlichen Flach- und Hügelland und im Waldviertel angebaut. Winterbraugerste kommt ebenfalls zum Großteil aus Niederösterreich. Weitere Anbaugebiete gibt es in der Steiermark, in Oberösterreich und im Burgenland.
Entspricht das Wetter über eine Anbausaison halbwegs der Normalität, ist der Großteil der Sommergerste zum Bier brauen verwendbar. Dann wird sie als „Braugerste“ bezeichnet. Diese darf maximal 12 Prozent Protein enthalten, besser jedoch 11 Prozent oder weniger. Spielt die Witterung während der Anbausaison nicht mit, akzeptieren die Brauereien auch höhere Proteinwerte. Die Körner müssen gleichmäßig dick sein, um nicht ungleich zu keimen. Dickere Körner bedeuten, dass mehr des für die Brauerei wertvollen Extraktes enthalten ist. Die Bäuerin bzw. der Bauer erfährt erst bei der Anlieferung der geernteten Gerste, ob auf seinem Feld Braugerste geerntet wurde und er den höheren Preis dafür bekommt. Erfüllt die Gerste die erforderlichen Eigenschaften nicht, wird sie als Futtergerste an Nutztiere verfüttert und der Verdienst für die Landwirtin oder den Landwirt ist geringer. Für die Herstellung von Mehl und Brot oder anderen Lebensmitteln ist Gerste nicht geeignet. 2018 waren 30 Prozent der Sommergerste braufähig, in den Jahren vor 2017 über zwei Drittel bis 100 Prozent der Ernte.
Warum überhaupt Gerste?
Bier wird weltweit nicht nur aus Gerste erzeugt. Auch Reis, Mais und andere Getreidearten werden dafür verwendet. Für die Bierproduktion entscheidend ist die Stärke, die in den jeweiligen Rohstoffen enthalten ist. Gerste ist besonders gut geeignet, weil sie einen hohen Stärkeanteil hat und der äußere Teil des Kornes, den man Spelze nennt, für einen bestimmten Schritt im Brauprozess notwendig ist. Am Feld braucht Gerste vergleichsweise wenig Dünger und wenig Pflanzenschutzmittel. Auch der Arbeitsaufwand für die Bäuerin oder den Bauern ist gering.
Beide werden ab Juni geerntet, obwohl die eine ein halbes Jahr früher angebaut wird. Sommergerste wird ab Ende Februar und bis Anfang April ausgesät, Wintergerste ab Mitte September bis Mitte Oktober des Vorjahres. Sommergerste steht nur vom Frühjahr bis in den Hochsommer am Feld, Wintergerste darf schon im Herbst wachsen. Das ist möglich, weil Wintergerstensorten darauf gezüchtet sind, den Winter am Feld zu überstehen. Für sie sind Kälte und Schnee kein Problem. Erst wenn die Temperaturen für eine längere Zeit unter minus 15 bis minus 20 Grad fallen, wird es auch der Wintergerste zu kalt. Die Gefahr, dass die Gerste erfriert, ist dann sehr hoch. Sommer- und Wintergerste haben jeweils ihre Vor- und Nachteile. Sommergerste wird hauptsächlich für die Bierproduktion angebaut, Wintergerste bislang hauptsächlich als Tierfutter. Durch neue Züchtungen wird die Wintergerste für die Brauereien aber immer attraktiver.
Klimawandel setzt der Sommergerste zu
Österreich ist eines der südlichsten Länder, in denen Sommergerste angebaut wird. Der Klimawandel könnte unsere Breitengrade bald zu trocken und zu heiß dafür machen. Die Hoffnung der Bäuerinnen und Bauern sowie Brauereien ist die Winterbraugerste. War die Verwendung von Wintergerste für die Bierbrauereien vor einigen Jahren noch unvorstellbar, wächst ihr Anteil beim Malz jährlich. Noch setzen die Brauereien nicht zu 100 Prozent auf sie, doch das könnte sich ändern.
Im Gegensatz zur Vergangenheit konnte Österreich in den letzten Jahren seinen Bedarf an Sommerbraugerste nicht mehr selbst decken. Die Jahre waren zu trocken und zu heiß. Die Sommergerste hat im Gegensatz zur Wintergerste nur drei Monate Zeit, um sich vom Samenkorn zur erntereifen Pflanze zu entwickeln. Durch den Klimawandel verlängern sich jene Perioden, in denen Warm- oder Kaltluft aus Nord oder Süd nach Österreich verfrachtet wird. Daher steigt die Wahrscheinlichkeit für längere Trockenperioden. Fällt in diesen drei Monaten zu wenig Niederschlag, sinken die Erträge extrem und die Proteinwerte steigen auf ein für Bierbrauereien unbrauchbares Maß. So erntet die Bäuerin oder der Bauer viel zu wenig, und die Ernte kann nur mehr als Futtergerste verwendet werden. Immer weniger Bäuerinnen und Bauern wollen das Risiko eingehen. 2022 wurde auf 26.000 Hektar Sommergerste angebaut – ein historischer Tiefstand und zu wenig, um Österreich zu versorgen.
Hoffnung auf Winterbraugerste
Die Wintergerste hat den Vorteil, dass sie die feuchteren Monate der kalten Jahreszeit ausnutzen kann und weniger stark auf Regen im Frühjahr angewiesen ist. Außerdem hat sie ein besseres Wurzelsystem. Bereits seit einigen Jahrzehnten versuchen Züchter die Winterbraugerste braufähig zu machen, mit steigendem Erfolg. Viele Brauereien sind aber noch skeptisch, ob sie mit Winterbraugerste dieselbe Qualität und Produktionsmenge erzielen können. Derzeit kommen etwas über 40 Prozent des Malzes aus Wintergerste. Auch 100 Prozent dürfte langfristig möglich sein, da sich die Qualität nicht mehr unterscheidet, lediglich in der Ausbeute liegt die Winterbraugerste um wenige Prozent hinter der Sommerbraugerste. So gilt die Wintergerste als Hoffnungsträger, dass es trotz Klimawandel weiterhin ausreichend Getreide aus Österreich für Bier aus Österreich gibt. Ein weiterer Versuch zur Steigerung der Selbstversorgung mit heimischem Braugetreide ist, Sommerbraugerstensorten, die weniger frostempfindlich sind, schon im Herbst anzubauen.
Im Braugerstenanbau spielen Hybridsorten keine Rolle. Das heißt, die Bauern können einen Teil der Ernte als Saatgut für das nächste Jahr verwenden. Dennoch hat es Vorteile, das Saatgut beim Züchter zu kaufen, der ein gesundes Saatgut und bestmögliche Qualität garantiert. Winterbraugerste, die in Österreich wächst, wird zu 40 Prozent im Inland gezüchtet. Für Sommerbraugerste gibt es in Österreich keine erfolgreichen Züchter, die Sorten kommt hauptsächlich aus Frankreich und Deutschland. Das Saatgut wird in Österreich vermehrt. Der Vorteil heimischer Züchtungen liegt darin, dass sie besser an die österreichischen Klimabedingungen und die Besonderheiten der Anbauregionen angepasst sind.
Schaderreger und Pflanzenschutz
Auf Gerstenfeldern werden Pflanzenschutzmittel nicht vorbeugend eingesetzt. Das ist nicht bei allen Nutzpflanzen so. Die Schaderreger sind vielfältig, Insekten verursachen in normalen Jahren keine allzu großen Schäden und werden daher selten chemisch bekämpft. Pilzkrankheiten müssen auf einem Teil der Felder mit Fungiziden behandelt werden. Vorsicht ist vor allem in feuchteren Regionen geboten.
Bio-Bäuerinnen und -Bauern dürfen keine chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel ausbringen. Zugelassen sind Mittel, die aus der Natur kommen. Normalerweise bringen Bio-Betriebe nichts aus, außer bei starkem Befall durch einzelne Schaderreger. Dann können beispielsweise Natur-Pyrethroide helfen. Das sind Mittel, die aus Chrysanthemen – bunten, giftigen Blumen – gewonnen werden. Gegen den Echten Mehltau hilft Schwefel. Bio-Bäuerinnen und -Bauern sind aber allgemein im Pflanzenschutz stärker eingeschränkt als ihre konventionellen Kolleginnen und Kollegen. Besonders in feuchten Jahren mit starkem Pilzbefall wirkt sich das negativ auf die Bio-Erträge aus.
Jahresverlauf der Sommergerste
Vor dem Anbau von Sommergerste säen die bäuerlichen Betriebe auf dem dafür vorgesehenen Feld im Herbst üblicherweise eine Begrünung. Diese schützt den Boden über den Winter und bindet den freien Stickstoff im Boden, der über den Winter verloren gehen würde, in den Pflanzen. Stickstoff ist ein Nährstoff, den die Sommergerste braucht. Die Begrünung stirbt ab und der Stickstoff steht im Frühling der Gerste zur Verfügung.
Der Anbau der Sommergerste erfolgt ab März, wenn der Boden nicht mehr gefroren ist. Gerste braucht vergleichsweise wenig Dünger. Sie soll nicht so viel Protein enthalten, damit sie fürs Bierbrauen geeignet ist. Die Bäuerinnen und Bauern düngen überhaupt nur einmal während der Anbausaison. Pflanzenschutzmaßnahmen setzt die Bäuerin oder der Bauer nach Bedarf. Vor dem Anbau beseitigt sie/er das Unkraut. Danach führt sie/er eine bis zwei Behandlungen gegen Schaderreger und Krankheiten mit der Feldspritze durch. Die vergleichsweise wenigen Arbeitsschritte erfordern nur etwa 5 bis 15 Arbeitsstunden pro Hektar Sommergerste. Im Vergleich dazu braucht man für Kartoffeln fast 30 Arbeitsstunden pro Hektar.
Gerste wird geerntet, wenn sie ganz reif ist. Die Landwirtinnen und Landwirte erkennen den Erntezeitpunkt daran, dass das Korn goldgelb und ganz hart ist und die Ähren Richtung Boden hängen. Als Erntemaschine dient ein Mähdrescher. Da sich nicht alle bäuerlichen Betriebe einen solchen leisten können oder wollen und sich ein eigener Mähdrescher der Kleinstrukturiertheit wegen nur auf wenigen Bauernhöfen auszahlt, schaffen sich üblicherweise mehrere Betriebe gemeinsam einen Mähdrescher an oder ein Besitzer erntet die Getreideflächen anderer Landwirte gegen Bezahlung. Die Erntemengen schwanken stark von Jahr zu Jahr. 2017 und 2018 waren beispielsweise für die Sommergerste sehr schlechte Jahre, weil es zu wenig regnete. Erst bei der Anlieferung der geernteten Gerste erfährt die Bäuerin bzw. der Bauer, ob die Gerste dann auch als Braugerste geeignet ist oder er sie als Futtergerste verkaufen muss und einen geringeren Preis dafür bekommt.
Aus Gerste wird Malz
Gerste wird zu Malz verarbeitet. Dieser Schritt ist notwendig, damit sich im Korn Enzyme bilden, die später im Brauprozess Stärke in Zucker umwandeln. Die Gerstenkörner werden in der Mälzerei kontrolliert gekeimt, wie es die Körner von Natur aus am Feld machen würden. Dazu werden die Gerstenkörner zwei Tage eingeweicht, der Wassergehalt erhöht sich von 12 auf 40 Prozent. Dann kommen sie in einen Keimkasten mit 100 Prozent Luftfeuchtigkeit. Anschließend werden sie mit Luft getrocknet. Bei über 70 Grad färben sich die Körner bräunlicher, je nachdem, welche Bierfarbe man haben will. Die Keime selbst werden vom Korn abgetrennt und als Viehfutter verkauft.
Insgesamt dauert das Mälzen sechs bis neun Tage. Aus 100 Kilo Gerste werden 80 Kilo Malz. Früher hat jede Brauerei ihr eigenes Malz hergestellt. Heute gibt es noch eine große und drei kleinere Mälzereien in Österreich. In anderen Ländern, etwa in den USA, in Südamerika und in osteuropäischen Ländern und in Brasilien, sparen sich Brauereien Geld, indem sie unvermälztes Getreide verwenden und technische Enzyme einsetzen, die Stärke in Zucker umwandeln. Andere internationale Brauereien verwenden Maissirup als Stärkequelle. Dieser muss ebenfalls nicht gemälzt werden, man spart Energie. In Österreich ist das nicht erlaubt.
Weiter zu
> Hopfen