Soja und seine inneren Werte
Sojabohnen sind die Hülsenfrüchte mit dem höchsten Proteingehalt: Gekocht bestehen sie zu etwa 15 Prozent aus Eiweiß. Der Proteinanteil von Kichererbsen liegt im Vergleich bei neun Prozent, bei Bohnen, Erbsen und Linsen bewegt er sich zwischen zehn und knapp 13 Prozent. Im Sojaeiweiß liegen alle unentbehrlichen Aminosäuren vor, die wir zum Aufbau von körpereigenen Eiweißen als Bestandteil unserer Zellen benötigen. Lediglich eine von ihnen – Methionin – liegt in vergleichsweise geringeren Mengen vor.
Gekochte Sojabohnen haben einen Fettanteil von acht Prozent. Dieser ist reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Beim Kohlenhydratanteil liegt die gekochte Sojabohne mit rund drei Prozent unter dem Wert anderer Hülsenfrüchte, die ein Vielfaches an Stärke enthalten. Ballaststoffe machen etwa zehn Prozent der verzehrfertigen Sojabohne aus. Außerdem finden sich in Soja Vitamine wie B1, B2 und B6 sowie Mineralstoffe wie Eisen, Kalium und Magnesium.
Besonders an Sojabohnen ist ihr hoher Gehalt an Isoflavonen, die zu den sekundären Pflanzenstoffen gehören und in ihrem Aufbau dem Hormon Östrogen ähneln. Darüber hinaus enthält Soja Substanzen, die in roher Form für den Menschen schädlich wären, weshalb es vor dem Verzehr immer erhitzt wird.
Brauchen wir einen Fleischersatz und eignet sich Soja dafür?
In Asien wird die Sojabohne als das „Fleisch des Feldes“ bezeichnet. Wer Soja statt einer Fleisch-Portion auf den Speiseplan setzt, schlägt also gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Er oder sie isst mehr Gemüse, von dem wir durchschnittlich zu wenig am Teller haben und weniger Fleisch, dessen Konsum im Schnitt bis zu dreimal so hoch ist wie die Österreichische Gesellschaft für Ernährung empfiehlt.
Der Ruf von Soja, eine geeignete Fleischalternative zu sein, liegt unter anderem an seinem Eiweißgehalt, dem „Umami-Geschmack“ fermentierter Sojaprodukte, der dem Geschmack tierischer Lebensmittel ähnelt, und an der günstigen Aminosäurezusammensetzung im Sojaeiweiß. Dieses ist für den Menschen vergleichbar gut verwertbar wie Eiweiß aus tierischen Quellen.
Hier ist die bekannteste Bewertung der Eiweißqualität die biologische Wertigkeit. Sie besagt, wie gut das Eiweiß aus einem Lebensmittel in körpereigenes Eiweiß umgewandelt werden kann. Hühnerei wird mit 100, also der besten biologischen Wertigkeit, gleichgesetzt, was jedoch nicht bedeutet, dass 100 Gramm Hühnerei in 100 Gramm körpereigenes Eiweiß umgewandelt werden. Soja liegt bei 81 und damit etwas unter Schweinefleisch, aber über Geflügel, Rind und Milch sowie anderen Hülsenfrüchten wie Bohnen.
Eine andere Möglichkeit, die Qualität von Nahrungsproteinen zu bewerten, ist der PDCAAS (Protein Digestibility Corrected Amino Acid Score). Er gilt als „Gold-Standard“ unter den Methoden zur Ermittlung der Proteinqualität. Der PDCAAS berücksichtigt den Gehalt an Aminosäuren im Vergleich zum menschlichen Bedarf und zusätzlich, wie gut die verschiedenen Eiweißbestandteile verdaubar sind. Reines Sojaeiweiß schneidet hier mit dem höchsten erreichbaren Wert von 1,0 ab. Je nach Verarbeitungsgrad und der daraus folgenden Verdaulichkeit kann dieser etwas variieren. Damit ist Soja vergleichbar mit Milch oder anderen tierischen Eiweißlieferanten.
Günstig ist auch die Fettzusammensetzung von Soja verglichen mit Fleisch. Mehrfach ungesättigte Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren statt vorwiegend gesättigter Fettsäuren, wie sie im Fleisch vorliegen, machen die Sojabohne zu einer hochwertigen Fettsäurequelle. Zudem sind Sojaprodukte meist fettärmer als Fleisch und Fleischprodukte. Sogar was den Eisengehalt angeht, scheint Soja auf den ersten Blick eine gute Alternative zu Fleisch zu sein: Vergleicht man die Werte der Nährwerttabelle, wird ersichtlich, dass 100 Gramm Tofu mehr Eisen enthalten als 100 Gramm mageres Rindfleisch.
Für den Körper verwertbar ist dieses pflanzliche Eisen aber weniger gut als tierisches Eisen. Zusätzlich erschwert wird seine Aufnahme von der Phytinsäure in Sojabohnen, denn diese kann die Eisen-Aufnahme hemmen.
„Wir müssen weg von dem hohen Fleischkonsum, wir müssen mehr in Richtung pflanzliche Ernährung“, sagt Kurt Widhalm, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde und Präsident des Österreichischen Akademischen Instituts für Ernährungsmedizin – nicht nur unserer Gesundheit, sondern auch der Umwelt zuliebe. Dabei muss es nicht der völlige Verzicht auf Fleisch sein, aber jedenfalls eine deutliche Reduktion. Seiner Ansicht nach können beziehungsweise sollen Sojaprodukte sogar wesentlicher Bestandteil einer solchen pflanzenbasierten Ernährung sein.
Kombinieren statt verlieren
Neun der 20 Aminosäuren gelten als unentbehrlich. Im Gegensatz zu den elf entbehrlichen Aminosäuren kann der Körper die unentbehrlichen nicht selbst herstellen. Sie müssen daher über die Nahrung aufgenommen werden. Früher wurden sie als essenzielle Aminosäuren bezeichnet. Lebensmittel tierischen Ursprungs enthalten in der Regel alle dieser für die Gesundheit unentbehrlichen Aminosäuren. In pflanzlichen Produkten liegen manche von ihnen nur vermindert vor. Bei Soja – wie auch in anderen Hülsenfrüchten – ist es das Methionin, das nur in geringer Menge enthalten ist. Als am wenigsten vorhandene Aminosäure limitiert es die Aufnahme aller anderen.
Hier hilft die gezielte Kombination mit anderen Eiweiß-Lieferanten, um die Aufnahme zu verbessern und die Aminosäuren auszugleichen: Besonders gut eignen sich dafür Getreideprodukte, da sie viel Methionin enthalten, aber auch tierische Eiweißlieferanten wie Milch, Eier und Käse. Diese enthalten zwar ebenfalls kaum Methionin, erhöhen aber dennoch in Kombination mit Soja die Menge an Eiweiß, die in körpereigenes Protein umgewandelt werden kann.
Was den Eiweißgehalt betrifft, ist Sojadrink jene gängige pflanzliche Milchalternative, die am besten mit Milch vergleichbar ist: Er beträgt wie bei Milch rund drei Gramm pro 100 Gramm Flüssigkeit. Um einen vergleichbaren Kalziumgehalt wie Milch zu erreichen, wird Kalzium in konventionellen Sojadrinks angereichert. Bei Bio-Produkten ist dies, wie auch die Vitaminanreicherung, nicht erlaubt. Dort ist der Kalziumgehalt vernachlässigbar gering. Die in Soja enthaltene Phytinsäure kann die Kalziumaufnahme noch zusätzlich verringern.
Ebenfalls in Sojadrinks natürlicherweise nicht in nennenswerten Mengen enthalten sind die in Milch vorhandenen Vitamine B12 und B2, die immer öfter angereichert werden. Darüber hinaus sind Sojadrinks oft gezuckert – daher lohnt sich ein genauer Blick auf die Zutatenliste, wenn man ein ungesüßtes Produkt möchte. Was spricht also für einen Konsum von ungezuckerten Sojadrinks als Milchalternative? Zum Beispiel, dass sie weniger Fett und kaum gesättigte Fettsäuren, keine Laktose, etwas Ballaststoffe und kein Cholesterin enthalten. Personen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, finden in Sojadrinks im Unterschied zu Getreidedrinks eine gute alternative Eiweißquelle.
Warum man Soja nicht roh essen kann
Wie andere Hülsenfrüchte auch sind Sojabohnen roh nicht genießbar. Sie enthalten verschiedene für die Gesundheit ungünstige Stoffe, wie etwa Protease-Inhibitoren (z. B. Trypsin-Inhibitoren), die die Verdauung von Eiweiß hemmen. Diese Substanzen kommen in rohen Sojabohnen vor, werden aber durch Erhitzen deaktiviert, aber auch beim Keimen der Sojasprossen teilweise abgebaut.
Lektine, die neben Sojabohnen auch in anderen Hülsenfrüchten oder rohen Fisolen vorhanden sind, können zum Verklumpen der roten Blutkörperchen führen. Hitze macht auch diese „antinutritiven Stoffe“, die auch die Nährstoffaufnahme behindern könnten, unschädlich.
Saponine kennt jeder, der schon einmal Hülsenfrüchte gekocht hat: Die Bitterstoffe bilden auf der Wasseroberfläche einen Schaum. Zwar können Saponine die roten Blutkörperchen schädigen, dass die Schadstoffe ihr Gefahrenpotenzial jedoch nicht voll entfalten, liegt zum einen daran, dass der Magen-Darm-Trakt Saponine nur in geringer Menge aufnimmt, zum anderen auch hier wieder am Erhitzen von Soja vor dem Verzehr.
Ein weiterer, ebenfalls in Soja und Vollkornprodukten enthaltener Stoff ist die Phytinsäure. Sie hemmt die Aufnahme von Eisen, Zink, Kalzium und Magnesium. So weicht man Haferflocken traditionell vor dem Verzehr ein oder bäckt Vollkornbrot mit Sauerteig, um die Phytinsäure zu vermindern. Ein Effekt, der bei Soja mit Einweichen oder Fermentieren erreicht werden kann. Dass die Phytinsäure auch eine positive Wirkung haben kann, legen Studien nahe, die einen Zusammenhang zwischen Phytinsäure und der Herz-Kreislaufgesundheit vermuten.