Pflanzenschutz: Was ist notwendig und worauf kann/muss verzichtet werden?
Die Zwiebel schmeckt nicht nur dem Menschen. Eine ganze Reihe von vor allem Insekten und Pilzen bedrohen den Ernteerfolg oder erschweren die Lagermöglichkeiten. Die dem konventionellen Anbau dagegen zur Verfügung stehenden Mittel werden je nach Blickwinkel unterschiedlich bewertet. Bis eine Zwiebel geerntet und entweder als Frischware sofort auf den Markt oder ins Lager kommt, hat sie bereits eine ganze Reihe von Pflanzenschutzmaßnahmen hinter sich.
Die (chemische) Palette, aus der dabei geschöpft werden kann, wird durch Pestizidreduktionsprogramme, wie sie die Zulassungsbehörden aber auch die großen Lebensmitteleinzelhändler vorgeben, immer kleiner. Eine Herausforderung für die Bauern, die von diesen zwar notgedrungen angenommen, aber nicht ausnahmslos nur willkommen geheißen wird, wie uns etwa Jungzwiebelproduzent Peck im Filminterview wissen lässt. Dieser hatte 2017 beispielsweise schwere Ernteverluste aufgrund des Drahtwurms zu beklagen. Diesen Schädling mit den bis dahin zulässigen Mitteln zu bekämpfen, war ihm nicht länger möglich. Ein Pestizidreduktionsprogramm, dem er sich als Lieferant angeschlossen hatte, strich ihm nämlich die Verwendung eines bestimmten Wirkstoffes. Pestizidreduktionsprogramme des Einzelhandels zielen auf eine weitere Reduzierung von Pflanzenschutzmittelrückständen in den Endprodukten ab und sehen noch schärfere Auflagen als die gesetzlich erlaubten vor. Aufgrund der Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel - es gibt nur vier namhafte Abnehmer in Österreich - stellen die Vorgaben des Abnehmers in gewisser Weise eine Zwickmühle für den Bauern dar.
Da es aber für den gefürchteten Pilz, den Falschen Mehltau, keine guten Bekämpfungsmöglichkeiten gibt, muss der Bio-Bauer mit etwa 50 Prozent weniger Ertrag pro Hektar rechnen, wie uns Bio-Bauer Johann Lugmayer im Filminterview mitteilt. Andererseits hat der Bio-Anbau mit seinem geforderten Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel auch schon mal als Ideengeber für die konventionellen Kollegen gewirkt. So berichtet der konventionelle Zwiebelproduzent Reinhard Bauer, dass er nach dem Beispiel der Bio-Zwiebel-Bauern nicht mehr chemisch gegen den häufigen Schädling Thrips vorgehe. Diese Arbeit überlässt er erfolgreich den natürlichen Gegenspielern. Dazu musste er umlernen und die im konventionellen Anbau üblichen Schadschwellen missachten lernen. Denn erst eine gewisse Anzahl von Thripsen ruft die Raubthripse auf den Plan.
> HINTERGRÜNDE: Chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel
Gebeiztes Saatgut
Unter “gebeiztem Saatgut” versteht man mit diversen chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln ummanteltes Saatgut. Das soll dem Saatkorn entwachsenen zarten Zwiebelpflänzchen das Überleben in der ersten kritischen Phase unter der Erde erleichtern, wo es bereits von fresslustigen Insekten bedroht wird. Die Anwendung von Insektiziden als Beizmittel erlaubt es dem Landwirt dafür später weniger Spritzmittel gegen Insekten einzusetzen. Das Beizmittel verbleibt in der Erde, wo es aber unter Umständen auch Nichtzielorganismen schädigen kann. Außerdem wirkt es in den ganzen Pflanzenorganismus hinein (= systemischer Pflanzenschutz), weshalb es im Verdacht stand, auch anfliegende Nützlinge (Bienen und andere Bestäuber) zu schädigen. Beizmittel aus der Klasse der Neonicotinoide sind daher seit 2019 nicht mehr zugelassen.
Umstrittene Maleinsäure als Keimhemmungsmittel
Zwiebeln werden oft chemisch behandelt, um die vorzeitige Keimung der neuen Blätter der Zwiebel im Lager zu vermeiden und damit die Lagerfähigkeit zu verlängern. Dazu wird der Wirkstoff Maleinsäurehydrazid angewendet. Der Stoff kann akute oder chronische Gesundheitsgefahren auslösen. Er ist gewässergefährdend und er steht im Verdacht, genetische Defekte zu verursachen. Haut, Atemwege und insbesondere Augen können gereizt werden. Manche Lebensmittelketten verbieten daher diese Form der Keimhemmung.
Laut Global2000 ist der Wirkstoff Maleinsäurehydrazid seit ca. zehn Jahren in Österreich als Keimhemmungsmittel bei konventionell produzierten Zwiebeln und seit 2010 auch bei Kartoffeln zugelassen und wird immer bereits am Feld angewendet. Der Zwiebelproduzent Thomas Blatt verweist im Filminterview auf die Notwendigkeit hin, Maleinsäurehydrazid einzusetzen, wenn heimische Zwiebeln möglichst das ganze Jahr über verfügbar sein sollen. Wobei es immer auf die jeweiligen Witterungsbedingungen im Freiland und auf die zu erwartenden Lagerzeiten ankomme, ob der Stoff überhaupt zum Einsatz kommt, oder ob darauf verzichtet werden kann. Blatt ist, eine sachgerechte Anwendung vorausgesetzt, auch von der Unbedenklichkeit dieses Stoffes überzeugt, der seit vielen Jahrzehnten weltweit in der Zwiebellagerung breite Anwendung findet.