Weltweit einzigartig: gentechnikfreie Hühnerfleischproduktion
Die heimische Geflügelbranche hat sich 2012 entschieden, Hühnerfleisch gentechnikfrei zu produzieren. Österreich nimmt damit eine international beachtete Vorreiterrolle ein. Die Einhaltung der Gentechnikfreiheit unterliegt strengen Kontrollen. Der Verein "Arbeitsgemeinschaft für Gentechnik-frei erzeugte Lebensmittel" (kurz: ARGE Gentechnik-frei) wacht darüber. Er versteht sich als unabhängige Plattform von Mitgliedsunternehmen aus dem Lebensmittelhandel, der Lebensmittelherstellung und der Futtermittelproduktion, sowie von Organisationen aus den Bereichen Umweltschutz, Konsumentenschutz und Bauernvertretungen.
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Der Verzicht auf gentechnisch veränderte Futtermittel gilt als wichtiges ökologisches Signal. Es betrifft insbesondere Soja und Mais aus Monokulturen, wie sie in Südamerika und den USA im großen Stil angebaut werden. Sogenannte “Grüne Gentechnik”, wie sie in der landwirtschaftlichen Pflanzenproduktion angewandt wird, ist vor allem in Europa äußerst umstritten. Kritisiert wird, dass internationale Konzerne wie Monsanto so noch mehr Kontrolle über die Vermehrung landwirtschaftlicher Produkte haben. Außerdem gelten die ungewissen Folgewirkungen der Gentechnik als Widerspruch zum in Europa fest etablierten Vorsorgeprinzip. Der europäischen Abhängigkeit in Sachen Soja, dem Eiweißlieferanten Nr. 1, wird auch im Rahmen der ARGE Donausoja entgegen gearbeitet.
> HINTERGRÜNDE: Grüne Gentechnik
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Mit der Umsetzung der landesweiten gentechnikfreien Masthühnerproduktion stellten sich aber gerade für Hühnermäster auch erhebliche Probleme ein. Neben dem Wettbewerbsnachteil aufgrund wesentlich höherer Produktionskosten bedingt durch das teure gentechnikfreie Soja, machte auch den Hühnern selbst die Umstellung zu schaffen. Der Rasse “Ross 308”, die in Österreich wie weltweit die Hühnermast dominiert, bereitete das nicht gentechnisch veränderte Soja nicht geringe Verdauungsprobleme. So beklagte die Branche während einer wirtschaftlich schwierigen Umstellungsphase einen massiven Anstieg an Durchfallerkrankungen und dadurch bedingte Mastausfälle. Die Veränderung einer der wesentlichen Futterkomponenten hat seine Zeit gebraucht und ging zu Beginn vielleicht auch auf Lasten der Tiere so Knut Niebuhr von der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Mittlerweile scheinen die heimischen Futtermittelhersteller dieses Problem weitgehend im Griff zu haben.
“Tierwohl” im Zeichen von Zuchtfortschritt oder “Qualzucht”
Weltweit beherrschen drei große Zuchtfirmen etwa 80 Prozent der Hühnerproduktion. Die Hybridrasse “Ross 308” gilt zur Zeit als eines der leistungsstärksten Masthühner überhaupt. Auch Österreichs konventionelle Mäster vertrauen auf die Genetik aus dem Haus Aviagen, einer Tochter der niedersächsischen EW Group. Viele Experten aus der Geflügelbranche auch in Österreich sehen in der züchterischen Konzentration die logische Folge aus dem Anspruch der Konsumenten an leistbarem Fleisch bei gleichzeitig hohen Ansprüchen an Tiergesundheitsparametern wie Robustheit, Fertilität und Krankheitsresistenz. Diese Ansicht bleibt von Seiten kritischer Konsumenten und NGOs nicht unwidersprochen. Hier fällt dann schon auch mal das Wort “Qualzucht”.
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Von Seiten der Verfechter einer “leistungsbetonten” Zucht wird hier gerne auf die extrem gute Futterverwertung des Hybridhuhns und die geringe Ausfallsrate (also Tiere, die während der Mast verenden) im niedrigen einstelligen Prozentbereich verwiesen. Da Ross 308 nur etwa 1,6 kg Futter benötige, um ein 1 kg Fleisch anzusetzen, ergebe sich daraus eine im Fleisch-Kontext unschlagbar gute Ressourcenverwertung. Sowohl Schwein und Rind, aber auch langsamer wachsende Bio-Hybridrassen, zu schweigen von alten Hühnerrassen oder so genannten Zweinutzungstieren, blieben weit dahinter zurück. Alle diese genannten Tiere benötigten also vergleichsweise weitaus mehr Futter, was sich natürlich auch auf die Produktionskosten niederschlage. Aus diesem Grund biete Hühnerfleisch eine relativ billige und ressourcenschonende Variante des “Luxusartikels” Fleisch.
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Die Kritik am “Zuchtfortschritt” und der auch im Fleischbereich einzigartigen Konzentration der Züchtung auf einige wenige Zuchtunternehmen sieht hingegen große Fragezeichen hinter dieser züchterischen “Leistungsexplosion”. Die quasi Monopolstellung der wenigen dominierenden Zuchtfirmen sei in jedem Fall problematisch. Genetische Einengung berge unabsehbare Risiken für die Zukunft. Vor allem aber wird die Auswirkung der Zucht auf Hochleistung auf das einzelne Tier selbst kritisiert. Das schnelle Wachstum, zudem die überproportionale Zunahme des Brustfleisches bereite den Tieren große Probleme. Die Kritik reicht dabei von “jedenfalls nicht artgerecht” bis hin zu “Qualzucht”. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA gibt in einer Studie an, die Genetik der schnell wachsenden Linien führe zu eingeschränktem Tierwohl. Die genetisch mitbedingten häufigsten Gesundheitsprobleme seien Fehlbildungen des Skeletts, Hauterkrankungen, Flüssigkeitsansammlungen in der Bauchhöhle und plötzlicher Tod.
Hanna Zedlacher vom Verein Vier Pfoten spricht in diesem Zusammenhang dabei vor allem die Konsumenten an. Weder Bauern, noch Schlachthöfe, Brütereien oder irgendein anderer österreichischer “Player” in der Geflügel-Wertschöpfungskette könne sich hier von der Abhängigkeit der global agierenden Zuchtunternehmen lösen. Eine wünschenswerte Veränderung müsse vom bewusst wählenden und sich entsprechend artikulierenden Konsumenten ausgehen. Hier könnte sich die Konzentration in der Züchtung auch potentiell als positiv erweisen, nämlich dann, wenn entsprechende Konsumentenwünsche züchterisch rasch und konzentriert umgesetzt würden.
Reizthema multiresistente Keime: lückenloses Gesundheitsmonitoring bringt Transparenz
Die Diskussion rund um multiresistente Keime und deren Zusammenhang mit Antibiotikaeinsatz im Nutztierbereich hat heute eine breite Öffentlichkeit erreicht. Vereinfacht gesagt, liegt das Problem darin, dass durch vermehrten Antibiotikaeinsatz sowohl in der Human- als auch in der Tiermedizin sich gehäuft Resistenzen in den zu bekämpfenden Bakterienstämmen bilden und so eine notwendige Behandlung erschweren. Dies hat insbesondere für bereits immungeschwächte Personen (ältere Menschen, Kranke) gravierende, immer öfter auch tödliche Folgen. Alarmierende Befunde etwa aus Deutschland haben es bis auf die Titelseite so renommierter Blätter wie “Die Zeit” oder “Der Spiegel” gebracht. Das Thema ist hochkomplex und wird entsprechend innerhalb der Wissenschaft heftig debattiert. Das Problem wird auch von hochrangigen Vertretern der Geflügelbranche, wie etwa der Tierärztin und ehemaligen Obfrau des Anerkannten Geflügelgesundheitsdienstes, Martina Glatzl als relevant angesehen. Gleichzeitig betont sie, dass Österreich hier einen sehr erfolgversprechenden Weg zur Minimierung dieser Gefahr eingeschlagen habe.
Durch das lückenlose Tiergesundheits-Monitoring, wie es die QGV-Datenbank gewährleistet, konnte der Antibiotikaeinsatz in den vergangenen Jahren halbiert werden. Generell betont die Geflügelbranche, dass der Eintrag von Antibiotikarückständen durch die Hühnermast, im Vergleich zum von der Humanmedizin verursachten, gering sei. Direkte Antibiotikarückstände im Fleisch, das zum Verzehr freigegeben wird, seien völlig ausgeschlossen. Der Anerkannte Geflügelgesundheitsdienst hat als Reaktion auf Salmonellenfälle vor ca. 15 Jahren eine Datenbank geschaffen. Mit dem Ziel zunächst die Salmonellenbefälle von Herden lückenlos zu erfassen und so eine gezielte Ursachenbekämpfung zu ermöglichen. Diese kann als vollständig gelungen bezeichnet werden. Die einmal erstellte Datenbank wurde dann schrittweise ausgebaut, um den Weg der Hühner mit allen Kontrollen, Behandlungen und Salmonellenproben aufzuzeichnen. Jedes Brutei, Küken, lebende und geschlachtete Huhn wird heute erfasst, auch jene Tiere, die vorzeitig verenden. Tierärzte tragen alle Impfungen und Behandlungen mit Medikamenten ein.