Fruchtfolge folgt (auch) ökonomischen Überlegungen
Am Beispiel des heimischen Kartoffelanbaus lassen sich Konflikte zwischen ökologischen und ökonomischen Zielen der Nachhaltigkeit schön illustrieren. Die allermeisten Landwirte in Österreich sehen sich hier alljährlich aufs Neue herausgefordert, wenn es darum geht ihren Anbauplan zu erstellen. Josef Neumayr, ein junger Bauer im Einzugsgebiet von Wien, baut etwa alle vier bis sechs Jahre Erdäpfel auf demselben Acker an. Wie er uns im Filminterview wissen lässt, zielt dies vor allem darauf ab den Acker nicht zu überfordern. Den Boden nicht durch einseitigen Nährstoffentzug zu ermüden bzw. Krankheiten und Schädlinge, die durch die Kartoffel angelockt wurden, wieder aus dem Boden raus zu bringen, so ließe sich das Ziel des Bauern vereinfacht umschreiben.
Aus diesem Grund also baut Josef vor und nach der Kartoffel Getreide oder auch Mais an. Diese ökologischen Überlegungen werden überlagert von ökonomischen. Josef muss seine Ernte schließlich auch zu einem Preis verkaufen können, der es ihm erlaubt, langfristig wirtschaftlich zu überleben. Welche Abnahme-Verträge er bekommt, beeinflusst seine Gesamtkalkulation als Kleinunternehmer wesentlich und spricht ein gewichtiges Wörtchen im Anbauplan mit. So kann es durchaus sein, dass eine aus ökologischer Sicht optimale Fruchtfolge, etwa eine Ausweitung um eine Kultur, die dem Boden gut tun würde, an ökonomischen Überlegungen scheitert. Hier einen langfristig gangbaren Kompromiss zu finden, darin liegt die Herausforderung an den Ökologen und Ökonomen im Landwirt.
Hohe Kartoffelpreise in der Vergangenheit auf dem Bio-Markt, gestützt durch eine konstante Nachfrage aus Deutschland, hätten dazu geführt, dass einige Landwirte der Verlockung des schnellen Geldes erlegen wären und zu häufig Kartoffeln auf derselben Fläche angebaut hätten. Zu häufig oder auch auf weniger geeigneten Äckern, wodurch die vor allem im Bio-Bereich notwendige Basis der gesunden Böden gefährdet worden sei. Auch ökonomisch erwies sich die zu starke Ausrichtung auf den deutschen Exportmarkt als kurzsichtig, da mittlerweile auch der Bio-Markt unseres nördlichen Nachbarn stärker auf regionale Ware setzt. Mit dieser selbstkritischen Einschätzung überrascht uns im Zuge unserer Dreharbeiten Johann Ackerl, Geschäftsführer des größten heimischen Bio-Kartoffelvermarkters “pur” in Waidhofen an der Thaya. Inzwischen habe man hier erfolgreich gegensteuern können und richte sein Hauptaugenmerk wieder klar auf den heimischen Markt. Dieser stelle sich gerade im “Drahtwurmjahr 2018” auch im Bio-Bereich ohnehin als sehr herausfordernd dar. Etwas, womit - weil eher ungewohnt - Bio erst lernen müsse umzugehen, so Ackerl weiter. Die Strategie des Lebensmitteleinzelhandels gegenüber den Bio-Kartoffellieferanten sei dabei, sich zu ändern. Es wehe ein zunehmend rauerer Wind und auch das bisherige Liebkind Bio müsse sich zukünftig wärmer anziehen, so zeichnet abschließend Johann Ackerl das gegenwärtige Stimmungsbild in der Bio-Kartoffelbranche.
Bio groß und größer?
Mit einem Flächenanteil von 15,9 Prozent ist Bio im Kartoffelanbau bereits gut vertreten. Auf die Eingangsfrage “Warum Bio?” im Zuge unserer Dreharbeiten zur Kartoffel antwortet Martin Böltner, der im Waldviertel auf einer Fläche von 50 Hektar Bio-Kartoffeln anbaut: “Das Waldviertel ist für die Bio-Kartoffelproduktion aufgrund seiner klimatischen Voraussetzungen gut geeignet. Bei entsprechender Größe ist die auch im Bio-Bereich mittlerweile notwendige Schlagkraft zu erzielen mit relativ gesehen hohen Deckungsbeiträgen.” Der wichtigste Abnehmer seiner Bio-Industriespeisekartoffeln befinde sich mit dem Stärkewerk der AGRANA ebenfalls im Waldviertel. Das Argument von der notwendigen Schlagkraft durch entsprechende Größe führt im Filminterview auch Robert Harmer an, dessen Demeter-Betrieb mit 1600 Hektar noch einmal eine Größenordnung darüber angesiedelt ist.
Nur durch entsprechend hohe Erntemengen komme er mit seinen Kartoffeln, die nach den innerhalb der Bio-Branche strengsten Demeter-Richtlinien produziert werden, in den heimischen Lebensmittelhandel und das sei sein Ziel. Bio erhebe heute den Anspruch auch weiteren Konsumentenkreisen hochwertige Produkte zum Kauf anzubieten und habe den Sprung aus der Nische der kleinen Bio-Märkte in den Supermarkt und Discounter geschafft. Dazu musste aber in der Produktion die Gleichung Bio = Klein und überschaubar hinterfragt werden.
100 Prozent Bio?
Zur Zeit unserer Filmdrehs zur Kartoffel wurde eine im Rahmen des ORF-Schwerpunktes “Mutter Erde” in Auftrag gegebene Studie publik und sofort heftig diskutiert, die der Frage nachging, ob die gesamte heimische Landwirtschaft auf Bio umstellen könne. Laut dieser Studie sei dies sehr wohl möglich bei entweder gleichzeitiger Reduktion des Fleischkonsums um zehn Prozent oder bei einer Reduzierung des vermeidbaren Lebensmittelabfalls um ein Drittel. Wir nahmen diese aktuelle Studie zum Anlass, einige führende Experten des heimischen Kartoffelanbaus damit zu konfrontieren.
Wobei wir die Frage “Komplettumstieg auf Bio” gedanklich einmal nur auf die Kartoffelproduktion beschränkten. Die Antworten fielen erwartungsgemäß recht unterschiedlich aus. Anita Kamptner, Kartoffelexpertin der Landwirtschaftskammer NÖ meint, dass “Alles Bio” in guten Jahren durchaus funktionieren würde. Aber, ergänzt sie, es würde wohl auch Jahre geben, wo ab Jänner, Februar keine heimische Kartoffel am Markt zu finden wäre. Ertragsschwankungen fielen unvermeidbar im Bio-Bereich höher aus, dies zeige die langjährige Erfahrung.
Felix Fuchs, der im Waldviertel als Geschäftsführer der Niederösterreichischen Saatzucht seit vielen Jahren die heimische Kartoffelzüchtung federführend betreibt, meint auf dieselbe Frage: “Natürlich müsste man die Fläche erhöhen, um zu denselben Bruttoerträgen zu kommen.” Prinzipiell hält er es für möglich, verweist aber auf den preissensiblen Konsumenten. Abschließend meint er mit einem vielsagenden Lächeln: “Das wäre ein interessantes Experiment.” Johann Ackerl schließlich, der über sein ebenfalls im Waldviertel beheimatetes Unternehmen “pur” einen großen Teil der heimischen Bio-Kartoffel-Produktion vermarktet, gibt auf die Frage “Alles Bio bei Kartoffeln - ist das möglich?”, ebenso schnell wie kurz und unmissverständlich zur Antwort, dass dies nicht nur möglich, sondern höchst an der Zeit sei.