Kartoffelanbau weltweit noch ausbaufähig
Dass wir in unseren Breiten Hungersnöte nicht mehr vor Augen haben, verdanken wir nicht zuletzt der Kartoffel, die zusammen mit Reis, Weizen und Mais, global gesehen zu den vier wichtigsten Grundnahrungsmitteln zählt. Aufgrund der großen Anpassungsfähigkeit der Kartoffelpflanze wird diese auf fast allen Teilen der Erde angebaut. Während der Anbau in hoch industrialisierten Ländern über die vergangenen zwei Jahrzehnte tendenziell abgenommen hat, war in Schwellen- und Entwicklungsländern, besonders in Asien eine Zunahme zu beobachten. Die Volksrepublik China ist mit knapp 100 Millionen Tonnen weltweit der größte Erzeuger von Kartoffeln, gefolgt von Indien (über 50 Mio. Tonnen) und Russland (knapp 22 Mio. Tonnen).
Gerade in Afrika konnte sich der industrielle Kartoffelanbau aufgrund begrenzter Lagerfähigkeit noch wenig durchsetzen. Mit Ausnahme von Ägypten, das mittlerweile einer der wichtigsten Herkunftsländer für Frühkartoffelimport ist und sich so zu einer ernsthaften Konkurrenz des österreichischen Frühkartoffelanbaus entwickelt hat. Dabei könnte die Kartoffel gerade für den schwarzen Kontinent, wo Unterernährung oder Fehlernährung herrschen, einen entscheidenden Beitrag zur Lösung dieser Probleme leisten, wie sie es historisch gesehen in Europa über Jahrhunderte hinweg getan hat. Die Kartoffel besitzt nämlich im Vergleich zu anderen Kulturen wie Mais oder Reis den höchsten Ernährungswert pro Flächeneinheit.
Andere Länder, anderer Anbau
In ihren ursprünglichen Herkunftsgebieten, also den südamerikanischen Andenregionen wie etwa in Peru, wird die Kartoffel bis heute recht “ursprünglich” angebaut. Das heißt vorwiegend Handarbeit unter Verwendung alter Sorten und zwar mehrerer auf demselben Acker. Dies deshalb, um die Risiken zu streuen, die sich durch das unvorhersehbare Wetter während des Wachstums der Kartoffel ergeben. Eine Sorte kommt dann beispielsweise mit weniger Niederschlag besser zu Rande, während eine andere bessere Resistenzen gegen die Kraut- und Knollenfäule aufweist, die gerade im Fall erhöhten Niederschlags von Vorteil wäre. Die Erträge, die sich mit dieser Art Risikostreuung und vormodernem Pflanzenschutz- und Düngemanagement erwirtschaften lassen, liegen trotz hohem Personaleinsatz mit durchschnittlich 14 bis 15 Tonnen pro Hektar um ein Mehrfaches unter jenen, die in Europa und Nordamerika erzielt werden oder auch in einigen Schwellenländern wie Ägypten, die sich auf den Kartoffelanbau spezialisiert haben.
Ähnlich bescheidene Erträge wie in Südamerika erzielen auch die Bauern in jenen afrikanischen Ländern, wo die Kartoffel schön langsam dabei ist sich zu etablieren. Diese Bauern produzieren auf dieselbe Art wie auch hierzulande noch vor 100 Jahren und im Grunde ”biologisch”. Wie die Praxis zeigt, weniger wohl aus Überzeugung als schlicht aufgrund fehlender Werkzeuge des modernen Landbaus, wie Landmaschinen, synthetische Dünger oder Pflanzenschutzmittel. Wer sich in den armen Ländern diese Hilfsmittel leisten kann, zögert in aller Regel nicht sie anzuwenden. Biologischer Landbau als bewusste Entscheidung, “Bio” als Marke hat in diesen Teilen der Welt praktisch keinen Stellenwert. Hier wird alles getan, um höhere Erträge gegen den allezeit drohenden Hunger zu erwirtschaften.
Der lange Weg der Kartoffel in unsere Küchen
Der Siegeszug der Kartoffel als ein vielseitig verwendbares Gemüse bzw. als günstiger und schmackhafter Energielieferant war historisch gesehen alles andere als vorgezeichnet. Das unscheinbare Nachtschattengewächs aus den südamerikanischen Anden musste vielmehr eine ganze Reihe von Widerständen aus dem Weg räumen auf seinem Weg in die europäischen Küchen und darüber hinaus. Es war übrigens nicht, wie meist zu hören ist, Kolumbus, der die Kartoffel zuerst nach Europa brachte, sondern der Conquistador Francisco Pizarro, der den spanischen Eroberungszug bis zu den Anden vorantrieb, wo er auf diese alteingesessene Pflanze stieß.
Heute ist die Kartoffel, wie viele längst als einheimisch wahrgenommene “Kulturpflanzen mit Migrationshintergrund”, nicht mehr wegzudenken. Längst vergessen ist der Umstand, dass das kulinarische Potential der Kartoffel sich dem europäischen Geist und Magen erst nach und nach erschloss. Davor war es die Nutzung als Zierblume, die der schön blühenden Kartoffelpflanze ihr Überleben über lange Zeiträume hin sicherte.
So richtig an Bedeutung für die Volksernährung gewann die Kartoffel erst dank einiger aufgeklärter absolutistischer Herrscher. So auch der beiden Erzrivalen Friedrich d. Gr. und der Österreichischen Kaiserin Maria Theresia. Letztere war es auch, die die bis heute andauernde Kartoffeltradition im Waldviertel Grund gelegt hat.
Bereits um 1620 erreichte die Kartoffel Österreich. Sie stand hier vor dem gleichen Anfangsproblem wie überall in Europa, dass die einfachen Leute sie nicht als Nahrung akzeptierten. Grün werdende Kartoffeln oder ihre oberirdischen Früchte sind immerhin giftig. Vermutlich lag das Problem vor allem darin, den einfachen Leuten den Umgang mit der Kartoffel beizubringen.
Während der Napoleonischen Kriege etablierte sich schließlich die Kartoffel nicht allein in Österreich, sondern in ganz Europa. Pro Kopf wurden zur damaligen Zeit zwischenzeitlich bis zu 200 Kilo Kartoffeln im Jahr verspeist. Heute sind es für Österreicher noch etwas über 50 Kilo im Jahr. Schon damals waren die Erträge im Vergleich zu anderen Feldfrüchten enorm. Zudem können Kartoffeln mit der richtigen Vorgangsweise lange gelagert werden. Mit Kartoffeln werden von gleicher Fläche wesentlich mehr Menschen satt als mit vielen anderen Konkurrenten aus dem Reich der essbaren Kulturpflanzen.
Diese einfache Feldfrucht war auch im Zweiten Weltkrieg von großer Bedeutung. Die US-Amerikaner schleppten den Kartoffelkäfer ein, der ganze Felder vernichtete und den Kriegswillen im Dritten Reich brechen sollte. Der Kartoffelkäfer ist uns leider noch immer erhalten, und macht vielen Bauern nach wie vor Kopfzerbrechen.
Die unscheinbare Kartoffel hat eine sehr lange Geschichte, sie hat viele Namen wie Erdapfel, Erdbirne oder Grundbirne. In hunderten Sorten wird die Kartoffel weltweit angebaut, für deren Zubereitung es unzählige Rezepte gibt. Kartoffelschmarrn, Erdäpfelkäs oder Nidei sind nur einige für Österreich typische Beispiele. Das alles macht die Kartoffel so wertvoll und auch wohlschmeckend, dass wir sie heute großflächig anbauen, verspeisen und als heimische Kulturpflanze anerkennen.
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