Stammbaum eines Mastschweins
90 Prozent der in Ober- und Niederösterreich aufgezogenen Ferkel haben diesen Stammbaum und werden als ÖHYB-Ferkel bezeichnet. ÖHYB steht für “Österreich Hybrid”. Man spricht von einer Drei-Rassen-Kreuzung. In der Steiermark wird üblicherweise eine Zwei-Rassen-Kreuzung aus Edelschwein und Pietrain verwendet. Seit den 1970er-Jahren werden in Österreich diese Rassen gekreuzt, davor verwendete man eine Universalrasse. Heute werden bestimmte Elternlinien gekreuzt, daher trifft hier die Bezeichnung “Hybrid” zu. Das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet frei übersetzt “gemischt, von zweierlei Herkunft”. Nur die Generation der ÖHYB-Ferkel hat jene Eigenschaften, die ein Mastschwein haben sollte. Auch die Bio-Landwirtschaft verwendet großteils Schweine mit diesem Stammbaum. Nur wenige kleinere Schweinehalter, meist Direktvermarkter und Freilandhalter, setzen auf andere Rassen.
Im Bio-Bereich gibt es bezüglich der verwendeten Genetik keine zusätzlichen Auflagen. Die Mutter der Mastferkel muss schon auf einem Bio-Betrieb geboren worden sein, außer wenn die Rasse nicht ausreichend am Markt verfügbar ist, was aber nur selten vorkommt. Der Vater der Bio-Mastferkel kann auf einer konventionellen Besamungsstation stehen. Hier profitiert die Bio-Landwirtschaft vom aufwändigen österreichischen Standard-Züchtungssystem. Eine eigene Bio-Besamungsstation wäre unwirtschaftlich.
Genetik aus dem eigenen Land
Über Züchtung kann man die Eigenschaften von Tieren oder Pflanzen beeinflussen, zum Beispiel die Futterverwertung eines Mastschweins oder die Wurfgröße einer Muttersau. In der modernen Landwirtschaft kommt der Großteil der Nutztiere von internationalen Zuchtunternehmen, nicht so beim Schwein und beispielsweise auch nicht im Rinderbereich. Aktuell kommen, mit wenigen Ausnahmen, österreichische Schweine aus österreichischer Züchtung. Ein kleiner Teil der benötigten Mastferkel kommt aus dem Ausland. Außerdem braucht man hin und wieder einzelne Einträge aus anderen Ländern, um einen entsprechend breiten Genpool zu haben. Der große Vorteil der Züchtung im eigenen Land ist, dass die heimischen Verbände eigene Zuchtziele verfolgen können und damit einen Kernbereich der Schweinehaltung selbst mitbestimmen können.
Dennoch dürfen ökonomische Aspekte nicht außer Acht gelassen werden. Heißt beispielsweise in der Praxis: Die Anzahl der Ferkel pro Wurf wird nicht kompromisslos in die Höhe getrieben, dennoch ist eine gewisse Wurfgröße für das wirtschaftliche Überleben der heimischen Ferkelproduzenten wichtig. Die Züchtung im eigenen Land ist keineswegs selbstverständlich. Sollten eines Tages immer mehr Bauern auf ausländische Genetik zurückgreifen, könnte die österreichische Züchtung zusammenbrechen und verschwinden. Einzelne Betriebe haben in den vergangenen Jahren auf ausländische Genetik gewechselt. Aktuell setzen die Erzeugergemeinschaften und fast alle Bauern auf die heimische Züchtung.
Das österreichische System der Herdebuchzüchtung ist in der internationalen Schweineproduktion eine Besonderheit. Nur wenige Regionen in Europa haben ein ähnliches System. Herdebuchzüchtung bedeutet, dass man bei jedem Schwein weiß, wer die Eltern und Großeltern sind. Die Zuchtbetriebe entscheiden selbst, wer die Elterntiere ihrer Schweine sind. Der österreichischen bäuerlichen Schweinezüchtung steht damit eine Informationsfülle bereit, mit einer Vielzahl an Leistungs- und Verwandtschaftsinformationen. Mit dieser Informationsfülle und der verwendeten IT-Technologie können sie neben der internationalen Konkurrenz bestehen.
14 bis 18 Zitzen hat eine Sau, egal wie viele Ferkel sie zur Welt bringt. Im Jahr bekommt eine österreichische Sau im Schnitt 25 Ferkel, aufgeteilt auf gut zwei Würfe. Das geht sich insgesamt so aus, dass keine Sau mehr Ferkel säugen kann, als sie Zitzen hat. Dass die Sau möglichst ihre eigenen Ferkel aufzieht, sollte weiterhin das Ziel der österreichischen Züchtung sein, wie wir von Entscheidungsträgern erfahren. In Dänemark, einem der wichtigsten Ferkelproduktionsländer weltweit, bekommt eine Sau im Schnitt über 20 Ferkel pro Jahr. Das kann zu untergewichtigen Ferkeln führen. Zudem muss mit Ammen gearbeitet werden, um die Ferkel groß zu ziehen.
Zuchtziele: Was die Mastschweine können müssen
Fleischbeschaffenheit, Magerfleischanteil, Futterverwertung, Fruchtbarkeit, Robustheit, Fitness, Stressresistenz und einheitliche Schlachtkörper - diese und weitere Zuchtziele verfolgen Österreichs Schweinezüchter. Die Zuchtziele werden letztendlich vom Markt und somit von den Konsumenten bestimmt. Sie werden nur über Selektion und Kreuzungszucht erreicht, Genmanipulation kommt nicht zum Einsatz. Die Herausforderung für die Züchter liegt darin, mehrere Ziele auf einmal zu verfolgen. Jene Schweine werden für die Vermehrung herangezogen, die die gewünschten Eigenschaften in Summe am besten verkörpern. Die Eltern und Großeltern der Mastschweine sollen zudem spezielle Eigenschaften aufweisen, die sie für die Zucht geeignet machen.
Eine der Erfolgsgeschichten der Züchtung ist die Eliminierung der Stressempfindlichkeit von Zuchtebern der Rasse Pietrain, die wegen ihrer Fleischfülle eingekreuzt werden. Diese führte bei Belastungen wie Umstallen, Rangkämpfen und Transport zum Schlachthof zu einer Überhitzung des Körpers. Das konnte im Extremfall bis zum Verenden einzelner Schweine führen, bei Schlachttieren zu schlechter Fleischanfälligkeit. Der Züchtung ist es gelungen, dass es heute keine Pietrain-Eber mit diesem Stoffwechseldefekt gibt und dass dieser auch nicht mehr vererbt wird. Das hat große Vorteile für den Bauern, die Schlachthof-Mitarbeiter und die Schweine selbst.
Etwa 50 österreichische Betriebe züchten reinrassige Schweine der Rassen Pietrain, Edelschwein und Landrasse. Sie verkaufen die Tiere an Besamungsstationen und an etwa 110 Vermehrungsbetriebe, die Muttersauen produzieren. Diese kommen zu den Ferkelproduzenten. Erst dort werden jene Schweine geboren, die nur mehr zur Mast dienen.