Verarbeitung im Winter
Die Zuckerfabriken verarbeiten ausschließlich im Herbst und Winter Rüben. Die 120 bis 140 Tage der Verarbeitung werden als “Kampagne” bezeichnet. In dieser Zeit wird 24 Stunden täglich und an sieben Tagen in der Woche gearbeitet. In Österreich gibt es zwei Standorte zur Zuckerrübenverarbeitung, in Tulln und Leopoldsdorf. Diese beiden Fabriken erzeugen mehr Zucker, als ganz Österreich in einem Jahr konsumiert. Im Frühjahr und Sommer werden die Fabriken gewartet und gereinigt. Die Verpackung läuft mit Zucker aus den Silos weiter.
Rübentransport über durchschnittlich 80 Kilometer
Tulln liegt mitten im Rübenanbaugebiet, Leopoldsdorf im Marchfeld. Obwohl es nur diese beiden Verarbeitungsstandorte gibt, sind die Transportwege überschaubar. Im Schnitt wird eine österreichische Zuckerrübe über 80 Kilometer transportiert. Etwa die Hälfte der Rüben kommt per LKW, die andere Hälfte per Bahn. In der Nacht und am Wochenende transportiert wegen des LKW-Fahrverbots nur die Bahn. Bei der Ankunft im Werk oder noch auf einem Rübensammelplatz werden die Rüben stichprobenartig auf Qualität und Zuckergehalt überprüft.
Wie wird aus der Rübe Zucker?
Die Verarbeitung der Zuckerrübe umfasst viele Schritte, wir fassen sie stark vereinfacht zusammen. Die Zuckerfabrik bedient sich zahlreicher physikalischer und mechanischer Prozesse, um aus der Rübe Zucker und die vielen verwertbaren Nebenprodukte zu gewinnen.
Die Güterzüge werden von Mitarbeitern entladen, die einen Wasserstrahl auf die Rüben lenken und damit lockern. Dann schwimmen sie aus dem Waggon. LKWs kippen ihre Ladung auf ein Förderband. Die ersten Schritte der Verarbeitung sind das Aussortieren von Steinen und das Waschen der Rüben. Dann wird die Rübe mitsamt der Schale von einer Schneidemaschine zerkleinert. Es entstehen Streifen, die so genannten Rübenschnitzel.
Fast alle Rübenbestandteile, die nicht Zucker sind, werden in anderer Form verwertet. Sogar die bei der ersten Reinigung anfallende Erde wird gelagert und kommt später auf landwirtschaftliche Felder zurück. Steine, die von der Erntemaschine am Feld aufgenommen wurden, werden ebenfalls gesammelt und für den Bau von Wegen eingesetzt. Die Zuckerrübe ist im Schnitt 770 Gramm schwer und enthält rund 20 Prozent Zucker. Aus gut sechseinhalb Zuckerrüben kann also ein Kilo Zucker gewonnen werden. Die restliche Rübenmasse wird weiter verarbeitet. Es entstehen Düngemittel und Viehfutter. Selbst das enthaltene Wasser wird wiederverwendet, zum Waschen weiterer Rüben.
Die Schnitzel werden mit Wasser auf über 70 Grad erhitzt, dabei platzen die Zellwände und der Zucker wird im Gegenstrom aus den Schnitzeln herausgelöst. Es entsteht der Rohsaft. Er enthält etwas weniger Zucker als die Rübe, um die 16 Prozent.
Der Rohsaft durchläuft einige weitere Verarbeitungsschritte. Unter anderem wird er gereinigt und gefiltert. Stoffe wie Kalkmilch - in Wasser gelöschter Kalk - und Kohlensäure werden hinzugefügt, der pH-Wert wird immer wieder verändert. Dadurch werden Substanzen abgesondert, etwa Carbokalk, das als pH-Wert stabilisierender Bodendünger zurück auf die Felder kommt. Der entstehende Dünnsaft kommt in die Verdampfstation. Der Wassergehalt nimmt ab, der Zuckergehalt nimmt zu. Es entsteht Dicksaft.
Der Saft besteht nun schon zu einem großen Teil aus Zucker. Durch Hitze verdampft nach und nach Wasser, bis sich Zuckerkristalle bilden. Die entstehende Masse besteht je zur Hälfte aus Kristallen und aus Flüssigkeit. Die entstehende Masse kommt in einen Behälter, der sich sehr schnell dreht. Durch die Drehung werden die Kristalle von der Flüssigkeit getrennt. Übrig bleibt Melasse. Das ist ein zäher Sirup, der aber noch Zucker enthält. Aus der Melasse wird weiterer Zucker gewonnen. Die verbleibende Melasse wird hauptsächlich in der Hefe- und Bioethanolproduktion verwendet oder als Viehfutter-Bestandteil verkauft. Die Zuckerkristalle werden getrocknet, gekühlt und im Silo gelagert. Ein Bleichen des Zuckers ist nicht notwendig, weil nach Durchlaufen aller Verarbeitungsschritte ohnehin nur die schneeweißen Zuckerkristalle übrig bleiben.
Der größte und weithin sichtbare Silo der Tullner Zuckerfabrik ist 52 Meter hoch und fasst 70.000 Tonnen Kristallzucker. Das wären etwa acht Kilo pro Österreicher und würde, wenn man den Pro-Kopf-Verbrauch heranzieht, reichen, um Österreich für vier Monate mit Zucker zu versorgen. Insgesamt hat der Standort Tulln eine Zucker-Lagerkapazität von über 180.000 Tonnen, in Leopoldsdorf können insgesamt 122.500 Tonnen gelagert werden.
Je nach Bedarf wird der Zucker aus den Silos entnommen und kommt in ein Gebäude mit Verpackungsmaschinen. Um die verschiedenen Zuckerarten, etwa Staubzucker, herzustellen, erfolgen weitere Verarbeitungsschritte. In der Verpackungshalle wird der Zucker in die unterschiedlichen Verpackungen abgefüllt, für den Haushalt gibt es 500-Gramm- und Ein-Kilo-Packungen. Für Unternehmen, die Zucker verarbeiten, wird in wesentlich größeren Verpackungseinheiten verpackt, bis hin zu ganzen LKW-Ladungen. Ein LKW transportiert bis zu 25 Tonnen Zucker. Am Standort Leopoldsdorf werden ausschließlich große Einheiten abgefüllt, in Tulln auch Kleinpackungen. Beide Werke gehören zur AGRANA Zucker GmbH, Österreichs einzigem Zuckerhersteller.
> Zuckerarten
Die AGRANA verkauft etwa 80 Prozent des Zuckers an Unternehmen, die ihn zu Süß- und Backwaren, zu Getränken oder sonstigen Produkten verarbeiten. Ein Großkunde ist der Energy-Drink-Hersteller Red Bull. 20 Prozent werden im Einzelhandel verkauft, kommen also ohne weitere Verarbeitung zum Konsumenten. Vor der Auslieferung werden die Zuckerpackungen optional in einem Hochregallager aufbewahrt.
Unterschiede zwischen Rüben- und Rohrzucker
Rein chemisch gesehen gibt es keinen Unterschied zwischen Rüben- und Rohrzucker. Beides ist zu 100 Prozent Saccharose, also Zucker, und hat keine weiteren Bestandteile, die eine chemische Unterscheidung möglich machen. Brauner Zucker, egal ob Rohr- oder Rübenzucker, hat hingegen in minimalen Anteilen weitere Inhaltsstoffe, etwa Mineralstoffe. Biologisch und aus landwirtschaftlicher Sicht gibt es jedoch große Unterschiede zwischen Rübe und Rohr.
> Versuch eines Vergleichs der FUßabdrücke von Zuckerrübe und Zuckerrohr
Der Pro-Kopf-Verbrauch in Österreich nimmt ab. In den 30 Kilo Pro-Kopf-Verbrauch ist auch jener Zucker enthalten, den wir in verarbeiteten Lebensmitteln wie Limonaden und Kuchen trinken oder essen.