Fall der Zuckerquote bringt den befürchteten Preisverfall
Als letzte geschützte Bastion der GAP (Gemeinsame Agrarpolitik der EU) regelte die europäische Zuckermarktordnung, kurz Zuckerquote, die Rahmenbedingungen für Europas Rübenbauern. Preis- und Abnahmegarantien für eine begrenzte Menge sowie ein Außenhandelsschutz für Zucker hielten die Binnenpreise auch bei Schwankungen auf dem Weltmarkt stabil. Seit September 2017 ist die Zuckerquote Geschichte und mit der europäischen auch die heimische Zuckerproduktion dem freien Weltmarkt ausgesetzt.
Wie von vielen Brancheninsidern vermutet, führte dies innerhalb kürzester Zeit zu einem Preissturz und wie Ernst Karpfinger, Präsident der Österreichischen Rübenbauern, im Filminterview meint, zu einer großen Verunsicherung innerhalb seiner Kollegenschaft.
Karpfinger sieht die Situation zurzeit weniger von Vernunft als von dessen Gegenteil geprägt. Unvernünftig sei etwa der Umstand, dass die größten europäischen Zuckerproduzenten Frankreich und Deutschland mit dem Fall der Quote ihre Produktion hinaufgeschraubt und die Anbaufläche um bis zu 20 Prozent erhöht hätten, was den innereuropäischen Preisdruck noch erhöht habe. Ungesundes Konkurrenzdenken mit teils leicht erkennbaren Verdrängungsstrategien hält er für den falschen Weg. Das kleine Österreich spiele dabei für den Weltmarkt gar keine und für die innereuropäische Situation nur eine sehr bescheidene Rolle. Nichtsdestotrotz setzt er sich bei seinen europäischen Kollegen für eine planvolle und aus seiner Sicht vernünftige Vorgangsweise ein. Diese werde aber teils von nationalen Interessen unterlaufen, etwa auch in Form von großzügig gewährten Stützungsbeiträgen aus EU-Mitteln, wie sie vor allem in zentral- und osteuropäischen Ländern als Reaktion auf den Quotenfall den dortigen Rübenbauern bezahlt werden. Österreich habe seine Produktion nicht ausgedehnt und es erscheint Karpfinger unwahrscheinlich, dass den heimischen Rübenbauern ähnlich wie ihren polnischen oder spanischen Kollegen staatliche Unterstützung zuteil wird. Die wirtschaftliche Situation für die etwa 5500 Rübenbauern, welche Karpfinger vertritt, sei jedenfalls angespannt und es werden sich laut seiner Einschätzung wohl einige vom Rübenanbau zurückziehen und auf andere Kulturen setzen.
Gleichwohl glaubt Karpfinger nicht daran, dass Österreichs über hundertjährige Zuckerrübentradition ganz verloren gehen wird. Dieses Worst-Case-Szenario, so Karpfinger weiter, würde letztlich einen großen Verlust auch für den heimischen Konsumenten und die Industrie, und was den zentralen Rohstoff Zucker anlangt, eine potentielle Abhängigkeit von den internationalen Märkten bedeuten. Österreichische Produktionsverhältnisse seien aber nun einmal sowohl in ökologischer als auch sozialrechtlicher Hinsicht weit nachhaltiger ausgerichtet und deshalb mit höheren Produktionskosten verbunden. Nichtsdestotrotz scheint sich der Markt nun wieder ein wenig zu stabilisieren, und auch die 38.000 Hektar Anbaufläche, die es bei durchschnittlichem Ertrag braucht, um die Auslastung der zwei heimischen Zuckerfabriken zu gewährleisten, sind seit 2021 wieder erreicht.