Inhaltsstoffe von Getreide und Mehl
Getreide zählt zu den bedeutendsten Energie- und Kohlenhydrat- und Ballaststofflieferanten weltweit. Getreidekörner sind sehr nährstoffdicht. Die meisten Nährstoffe wie Vitamine, Mineralstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe sind in der Aleuronschicht enthalten. 100 Gramm Mehl liefern, abhängig von der Getreidesorte, durchschnittlich 300 bis 350 Kalorien. Weißmehl hat im Vergleich zu Vollkornmehl weniger Ballaststoffe und dadurch etwas mehr Kalorien. Getreide besteht mit 60 bis 70 Prozent aus Kohlenhydraten. Je nach Getreideart liefert es 8 bis 15 Prozent Eiweiß, essenzielle Aminosäuren sind besonders in der Aleuronschicht und im Keimling zu finden. Im Mehlkörper befindet sich vor allem das Klebereiweiß Gluten. Somit ist Getreide nach Fleisch und Fleischprodukten mengenmäßig betrachtet der zweitwichtigste Eiweißlieferant. Es hat nur wenig Fett und liefert sehr viele Ballaststoffe, Vitamine und Mineralstoffe.
Von den Inhaltsstoffen der einzelnen Getreidesorten variiert am meisten der Ballaststoffgehalt zwischen 4 und 14 Prozent. Besonders in den Randschichten des Getreidekorns befinden sich nennenswerte Mengen an Vitaminen wie Vitamin E, B1, B2, B6, Folsäure und Niacin sowie Mineralstoffe und Spurenelemente wie Magnesium, Kalium, Eisen und Zink. Der Gehalt jener schwankt je nach Klima, Boden, Düngung und Sorte. Der Mineralstoffgehalt spiegelt sich zudem in der Angabe der Mehltype wider. Je höher die Zahl der Type, umso höher der Mineralstoffgehalt des Mehls. Je abwechslungsreicher man die Getreideauswahl trifft, umso mehr profitiert man von den unterschiedlichen Inhaltsstoffen.
Durch den Mahlvorgang des Getreides zu Mehl verändern sich allerdings die Inhaltsstoffe, abhängig vom Ausmahlungsgrad. Da vor allem die Randschichten, der Keimling und die Aleuronschicht eines Getreidekorns reich an Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralstoffen sind, liefern Vollkornmehle, Schrote und Produkte daraus deutlich mehr davon als Weißmehl. Das innere des Getreidekorns, der Mehlkörper, der den Großteil des Getreidekorns einnimmt, enthält dagegen vor allem Kohlenhydrate und wenig Mikronährstoffe.
Gluten heißt aus dem Lateinischen übersetzt „Leim“ bzw. „Kleber“ und ist ein natürliches Eiweiß, das in den Getreidesorten Weizen, Roggen und Gerste sowie deren Abstammungen und Kreuzungen wie Triticale, Dinkel, Grünkern, Kamut, Einkorn und Emmer vorkommt. Durch Wasserzugabe zum Mehl im Teig entsteht durch Gluten eine gummiartige, elastische Masse. Es hat für die Backeigenschaften von Mehl eine zentrale Bedeutung. Gluten führt bei Menschen mit Zöliakie zu einer entzündlichen Erkrankung der Darmschleimhaut. Nur aus Mehlen mit Gluten kann Brot in Form eines Laibes gebacken werden. Die Glutenmenge ist für die Backfähigkeit von Weizenmehlen ausschlaggebend. Gluten ist dehnbar und sorgt im Weizenteig dafür, dass das Gebäck aufgehen kann. Im fertigen Gebäck sorgt Gluten dafür, dass das Gebäck seine Form behält.
Wie viel Getreide und Mehl sollten wir pro Tag essen?
Wir sollten pro Tag vier Portionen Getreide, Brot, Nudeln, Reis oder Kartoffeln essen, empfehlen die Österreichische Gesellschaft für Ernährung und die Ernährungspyramide. Für sportlich Aktive und Kinder liegt die Empfehlung bei fünf Portionen. Eine Portion entspricht dabei 1 bis 1,5 Scheiben Brot mit 50 bis 70 Gramm, 5 bis 6 Esslöffel Getreideflocken, 50 bis 60 Gramm Getreide roh, 65 bis 80 Gramm Nudeln roh oder drei bis vier mittelgroßen Kartoffeln. Eine explizite Empfehlung für Mehl gibt es nicht, da es zu anderen Speisen wie Brot, Gebäck und Nudeln weiterverarbeitet wird.
Ist Vollkornmehl gesünder?
Wenn man vom Gesundheitswert des Mehls spricht, hat Vollkornmehl die Nase vorne. Bei Vollkornmehl wird, wie der Name schon sagt, das volle und ganze Korn vermahlen. Somit sind alle Inhaltsstoffe des Korns im Mehl enthalten. Es liefert im Vergleich zu Weißmehl mehr Vitamine, Mineralstoffe und Ballaststoffe. Da Ballaststoffe primär in den Randschichten, im Keimling und der Aleuronschicht eines Getreidekorns vorhanden sind, weist Vollkornmehl mehr davon auf, als Weißmehl. So kann Weizenvollkornmehl mit zwölf Gramm Ballaststoffe pro 100 Gramm Mehl punkten, während Weizenweißmehl nur 3 Gramm pro 100 Gramm enthält, also viermal so wenig. Weißmehl hat dafür etwas mehr Kalorien pro 100 Gramm. Ballaststoffe sind nicht hitzeempfindlich und auch nach dem Backen noch in derselben Menge enthalten.
Die Österreichische Gesellschaft für Ernährung empfiehlt mindestens 30 Gramm Ballaststoffe pro Tag zu konsumieren. Österreicher essen aktuell um ein Drittel zu wenig Ballaststoffe. Ballaststoffe senken den Cholesterinspiegel, halten lange satt und regulieren den Blutzuckerspiegel. Vor allem der Ballaststoff Beta-Glucan im Hafer wirkt nachweislich cholesterinsenkend. Zudem senkt eine ballaststoffreiche Ernährung das Risiko für Übergewicht, sowie wahrscheinlich das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Typ 2, Fettstoffwechselstörungen und möglicherweise das Risiko für Dickdarmkrebs und Brustkrebs. Neben Vollkornprodukten wie Vollkornmehl, Flocken und Kleie stellen auch Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte eine wichtige Ballaststoffquelle dar.
Vollkornmehl bringt aber auch Nachteile mit sich. Ist man eine ballaststoffreiche Ernährung nicht gewöhnt, so können zu Beginn Blähungen und ein Völlegefühl auftreten. In diesem Fall sollte man die Menge langsam steigern. Außerdem sollte man ausreichend trinken, damit keine Verstopfungsgefahr besteht. Auch das Koch- und Backergebnis ist möglicherweise nicht zufriedenstellend, da Vollkornmehl aufgrund des geringeren Gehalts an Kleberweiß eine schlechtere Backfähigkeit aufweist, als Weißmehl. Man kann Vollkornmehl mit Weißmehl mischen wie zum Beispiel beim Kuchen backen. So verbessert sich die Backfähigkeit.
Sind Dinkel und Urgetreide gesünder?
Weizenmehl stellt die Basis unseres Getreides dar und ist ein wichtiges Grundnahrungsmittel für die menschliche Ernährung. Immer wieder hört man von dem Verdacht, alte Getreidesorten wie Emmer und Einkorn, das meist als Urgetreide bezeichnet wird sowie Dinkel seien gesünder für uns, da Weizen überzüchtet sei. Dinkel ist kein Vorfahre des Weizens, sondern stammt aus der Kreuzung von Emmer und Weizen. Sowohl Weizen, als auch Einkorn, Emmer und Dinkel haben im Laufe der Zeit züchterische Maßnahmen erfahren, die in Hinblick auf den Stellenwert von Getreide in der Welternährung, der Ertragssteigerung und Ertragssicherung dienen.
Der heutige Weizen unterscheidet sich also in seiner Zusammensetzung von den alten Formen, da in Richtung einer guten Brotbackqualität gezüchtet wurde. Der Eiweißgehalt ist dadurch gestiegen und die Eiweiße wurden den Backqualitäten angepasst. In Summe hat aber ein neuer Brotweizen im Vergleich zu altem Brotweizen nicht mehr Gluten, jedoch ein anderes Gluten, das laut aktueller Studienlage weniger für Unverträglichkeiten oder andere Erkrankungen verantwortlich gemacht werden kann. Das Klebereiweiß Gluten ist in „Urgetreide“ und Dinkel in unterschiedlichen Mengen genauso vorhanden wie in Weizen. Immer wieder zu anderen Getreidesorten zu greifen, ist dennoch sinnvoll. Wenn man die Vielfalt nutzt, kommt es durch mehr Auswahlmöglichkeiten zu einer geschmacklichen Abwechslung am Speiseplan. Weizen, Dinkel, Emmer und Einkorn weisen zwar aufgrund ihrer botanischen Verwandtschaft ähnliche Inhaltsstoffe auf, jede Sorte hat allerdings ihre Besonderheiten. Einkorn und Emmer zeichnen sich durch einen hohen Gehalt an Selen aus. Einkorn liefert einen sechs- bis zehnmal höheren Luteingehalt als Weichweizen. Lutein ist ein Carotinoid, das als Schutzpigment für die menschliche Augennetzhaut dient. Emmer hat einen höheren Gehalt an B-Vitaminen als seine Verwandten. Dinkel hat dafür mehr Eisen. Weizen hingegen liefert am meisten wertvolle Ballaststoffe.
Kann man rohes Mehl essen?
Der Verzehr von rohem Mehl und rohem Teig kann zu Bauchschmerzen und Durchfall führen. Das liegt daran, dass der Hauptbestandteil von Getreide und Mehl Kohlenhydrate in Form von Stärke sind und diese Stärke vor Verzehr gekocht werden soll, damit sie überhaupt erst verdaulich wird. Isst man größere Mengen rohes Getreide oder Mehl, besteht die Gefahr von Bauchschmerzen und Durchfall, da die Stärke nicht richtig vom Körper aufgenommen werden kann. Es haben sich dadurch Technologien wie das Brotbacken oder die Zubereitung von Getreide in Form von Nudeln entwickelt.
Wer bei Müsli an rohes Getreide denkt, liegt nicht ganz falsch. Die meisten Flockenhersteller behandeln die Flocken nach dem Zerquetschen des Korns allerdings mit Dampf, sodass die Stärke schon zum Teil aufgeschlossen wird und Müsli dadurch verdaulich wird. Auch sogenannte Knuspermüslis haben bereits eine Erhitzung erfahren. Dennoch sollten Flocken stets in Flüssigkeit eingeweicht oder erhitzt werden, wie es zum Beispiel bei Porridge der Fall ist, um Verdauungsbeschwerden vorzubeugen.
Ein weiterer Grund, Mehl nicht roh zu essen, ist die Gefahr von krankmachenden Mehlschädlingen. Diese treten heute nicht mehr häufig auf. Sie sind aber nicht immer auf den ersten Blick erkennbar und können bei Verzehr zu Verdauungsbeschwerden oder anderen Krankheiten führen. Ein Erhitzen durch Kochen oder Backen tötet Mehlschädlinge und sonstige krankmachenden Keime ab.
Ist frisch und selbst vermahlenes Mehl gesünder?
Prinzipiell spricht nichts gegen das Mahlen zu Hause, sofern gereinigtes und auf Getreidepilze und Mutterkorn kontrolliertes Getreide verwendet wird. Das Backergebnis bei Brot und anderen Teigen ist besser, wenn das Mehl Zeit hatte, zwei bis drei Wochen zu ruhen und zu reifen. Kauft man Mehl, dann hat es diese Reifezeit bereits hinter sich und man kann es sofort verwenden. Das gilt vor allem für Weißmehle, da sich die Enzymaktivität, die schlussendlich das Volumen des Brotes und Gebäcks bestimmt, durch die sogenannte Mehlreife, verbessert. Mahlt man Mehl zu Hause mit einer Getreidemühle, kann man es dennoch gleich weiterverwenden, da man in diesem Fall ohnehin nur Vollkornmehl herstellen kann und dies keine Reifezeit benötigt. Dabei sollte man beachten, dass die Getreidemühle oder andere Geräte zum Mahlen auf keinen Fall eine zu hohe Temperatur erreichen. Erstens sind Vitamine im Vollkornmehl hitzeempfindlich und reduzieren sich dadurch, andererseits führt Hitze zu einem schnelleren Ranzigwerden des Fetts, das in Vollkornmehl durch den Keimling enthalten ist.
Was darf Mehl zugesetzt werden?
Zusatzstoffe, die dem Mehl zugesetzt werden, nennt man Mehlbehandlungsmittel. 35 Gramm L-Ascorbinsäure, also Vitamin C, pro 100 Kilogramm dürfen Mehl beispielsweise zur Beschleunigung der Mehlreife, zur Verlängerung der Haltbarkeit und zur Verbesserung der Backeigenschaften zugesetzt werden. Eine Mehlbehandlung mit Ascorbinsäure muss auf der Zutatenliste erkennbar sein, wobei bei Haushaltsmehlen üblicherweise kein Zusatz stattfindet. Viel mehr ist das bei Mehlen für Bäcker oder Konditoren der Fall. Da Ascorbinsäure beim Backprozess zersetzt wird, wird sie beim Kochen und Backen weitgehend zerstört. Daher muss am fertigen Produkt wie zum Beispiel am Semmerl keine Ascorbinsäure mehr in der Zutatenliste angeführt werden. Die Wirkung der Ascorbinsäure entfaltet sich im Mehl, nicht aber mehr im Produkt, das daraus hergestellt wird. Genauso wie Vitamin C als Nahrungsergänzungsmittel, sind auch für Ascorbinsäure in Mehl keine gesundheitlich bedenklichen Wirkungen bekannt. Bei Bio-Mehl wird statt Ascorbinsäure meist auf das Vitamin C-reiche Acerolakirschpulver zurückgegriffen.
Getreideeigene Inhaltsstoffe wie Malzmehl dürfen in konzentrierter Form ohne Ausweisung hinzugefügt werden, sowohl im Mehl, als auch im weiteren Produkt.
Auch Malzmehle, Malzextrakte, Enzympräparate und die Aminosäuren Cystin und Cystein sind als Zusätze erlaubt. Sie verbessern den enzymatischen Zustand des Mehls und helfen bei der weiteren Verarbeitung.
Bleichende oder aufhellende Zusatzstoffe wie Chlor, die die natürliche Farbe der Mehle verändern, dürfen in österreichischen Mehlen nicht angewendet werden.
> Mehlbehandlung und Mehlzusatzstoffe
Anreicherung von Mehl mit Vitaminen und Mineralstoffen
Es gibt Lebensmittel, die ganz selbstverständlich mit Vitaminen oder Mineralstoffen versetzt werden. Ein typisches Beispiel ist die Jodanreicherung von Speisesalz. Auch Mehl kann angereichert werden, sogar gesetzlich verpflichtend. In Österreich ist das aber nicht der Fall und wird aktuell auch nicht angedacht. Mehl aus österreichischer Produktion wird nur dann angereichert, wenn es in ein Land exportiert wird, in dem das vorgeschrieben ist. In unseren Breiten hat man die Möglichkeit, sich ausgewogen zu ernähren und sich bei einem erhöhten Vitaminbedarf ausreichend zu informieren, sodass eine verpflichtende Anreicherung aktuell als unnötig empfunden wird. Es gibt aber viele Länder, in denen vitamin- und mineralstoffreiche Lebensmittel wie Vollkornprodukte, Obst und Gemüse nur begrenzt verfügbar oder erschwinglich sind und Mangelerscheinungen, besonders bei Frauen und Kindern, stark verbreitet sind. Entwicklungs- und Wachstumsstörungen, Behinderungen, eine schlechte Immunabwehr und erhöhte Sterblichkeit können die Folgen sein.
Da Grundnahrungsmittel wie Mehl, Reis oder Mais zwar als Kalorienspender dienen, aber nur wenig Vitamine und Mineralstoffe liefern, wurde als Reaktion darauf 2002 von den Vereinten Nationen die Anreicherung von Grundnahrungsmitteln vorgeschlagen, was von aktuell rund 80 Ländern befolgt und gesetzlich verankert wurde. So werden Mehle in Teilen Asiens, Lateinamerikas, Nordamerika, Afrika und Ozeanien mit Vitamin A, B1, B2, B6, B12, Folsäure, Niacin, Eisen, Zink und/oder Calcium angereichert. Studien deuten auf einen positiven Effekt hin. So hat sich beispielsweise die Anzahl an Neuralrohrdefekten bei Neugeborenen durch eine Folsäureanreicherung in Entwicklungsländern reduziert.
Im europäischen Raum findet in Großbritannien, im Kosovo und in Moldawien eine gesetzlich vorgeschriebene Mehlanreicherung, meist mit Folsäure und Eisen, statt. Manche Mühlen in Ungarn, Polen und Irland reichern ihre Mehle freiwillig an. Eine Anreicherung mit Vitaminen und Mineralstoffen muss immer in der Zutatenliste ersichtlich sein.
Schimmelpilzgifte in Getreide und Mehl?
Getreide und somit auch Mehl kann mit Schimmelpilzgiften, sogenannten Mykotoxinen, verunreinigt sein. Man sieht sie nicht immer auf den ersten Blick und auch durch Erhitzen bleiben sie hartnäckig bestehen. Schimmelpilzgifte können bereits am Acker auftreten, aber auch erst beim Transport oder bei der Lagerung entstehen. Ist ein offensichtlicher Schimmel am Produkt zu Hause erkennbar, sollte man es in jedem Fall entsorgen.
Da Schimmelpilze zu den stärksten in der Natur vorkommenden Giften zählen, wird sowohl Nahrungs- als auch Futtergetreide besonders streng kontrolliert, sodass sie heute keine akute gesundheitliche Bedrohung mehr darstellen. Für verschiedene Lebensmittel wie Getreide wurden Höchstwerte definiert. Werden diese überschritten, wird das Lebensmittel aus dem Verkehr gezogen. Der Verzehr von unkontrolliertem und nicht gereinigtem Getreide sollte daher unbedingt vermieden werden. Früher waren Vergiftungen, also Mykotoxikosen, eine häufige Krankheitsursache. Mykotoxine können Krebs verursachen und das Erbgut schädigen. Langfristig sind Nieren- und Leberschäden möglich.
Mutterkorn in Getreide und Mehl
Der Mutterkornpilz, der besonders bei Roggen auftritt, ist extrem giftig und schon wenige Gramm sind tödlich. Das wusste man im Mittelalter noch nicht und so traten Vergiftungen oft als Epidemie auf. Das liegt mitunter daran, dass Roggen die wichtigste Getreideart in Mitteleuropa darstellte. Die letzte bekannte Massenvergiftung trat 1951 auf - 300 Franzosen fielen dem Mutterkorn zum Opfer. Mutterkorn befällt besonders die Roggenähre und zwar dann, wenn es während der Blüte regnet und feucht ist. Da Roggen ein sogenannter Fremdbefruchter ist und um fremde Pollen zu erreichen besonders lange blüht, ist die Gefahr einer Infektion mit Schimmelpilzgiften bei schlechter Witterung besonders hoch. Bei Pilzbefall eines Roggenkorns entwickelt sich ein sehr dunkles, überdurchschnittlich großes Korn in der Roggenähre, das optisch gut erkennbar ist. Dank moderner Mühlentechnologien mit entsprechender Reinigungsverfahren und Farberkennung wird Mutterkorn aus dem Getreide entfernt. Somit stellt der Pilz heute keine akute gesundheitliche Gefahr mehr dar.
Für den Schimmelpilz gibt es gesetzlich definierte Grenzwerte. Unverarbeitetes Getreide darf maximal 0,5 Gramm Mutterkornpilz pro Kilogramm enthalten, davon ausgenommen sind Mais und Reis. Für Futtermittel, die ausgemahlenes Getreide enthalten, gilt ein Grenzwert von ein Gramm pro Kilogramm. Der Verzehr von unkontrolliertem und nicht gereinigtem Getreide, insbesondere von Roggen, sollte unbedingt vermieden werden. Auch bezeichnet als Antoniusfeuer, Ergotisumus oder Kribbelkrankheit, führt eine Vergiftung zu Krampfanfällen, Darmstörungen, Gefäßverengungen, Halluzinationen und Gewebstod der Extremitäten. Heute weiß man zudem, dass die Schimmelpilzgifte des Mutterkorns erbgutschädigend und krebsauslösend wirken können. Der Name Mutterkorn weist übrigens auf die Beziehung der Pflanze zur Gebärmutter hin, da die Inhaltsstoffe wehenanregend und blutstillend wirken können. Wie so oft gilt, die Dosis macht das Gift. So wurde das sehr giftige Mutterkorn früher tatsächlich in kleinen Mengen in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe eingesetzt. Mutterkorn lieferte zudem die Ausgangsbasis für die Herstellung der Droge Lysergsäurediethylamid (LSD).
Ungesunder Weizen durch Pflanzenzüchtung?
Die scheinbar steigende Anzahl an Menschen mit Unverträglichkeiten und das Krankheitsbild Weizensensitivität hat besonders die moderne Weizenzüchtung in Verruf gebracht. Als (Mit)verursacher für die Sensitivität gegenüber Gluten werden oft moderne Weizensorten und unterschiedliche Inhaltsstoffe des Weizenkorns diskutiert. Im Weizenkorn sind unterschiedliche Eiweiße enthalten, den größten Teil davon macht das Klebereiweiß Gluten aus. Gluten kommt neben Weizen auch in Roggen, Gerste sowie Triticale, Dinkel, Grünkern, Kamut, Einkorn und Emmer vor. Weizenmehl hat die beste Eiweißzusammensetzung für lockere und voluminöse Brote und Gebäcke. Der Glutengehalt im Weizen hat sich in den letzten fünfzig Jahren aber insgesamt eher verringert. Die züchterisch wenig bearbeiteten Getreidesorten wie Einkorn und Dinkel enthalten bei gleichen Wachstumsbedingungen gleich viel oder sogar mehr Gluten als neuere Weichweizensorten. Während Brotweizen im Durchschnitt 8,3 Gramm Gluten pro 100 Gramm aufweist, sind in Emmer 10,1 Gramm und in Einkorn 9,4 Gramm pro 100 Gramm enthalten. Was sich im Laufe der Züchtung sehr wohl verändert hat, ist die Proteinzusammensetzung.
Gluten besteht wiederum aus Gliadin, das für die Formbarkeit von Brot und Gebäck verantwortlich ist und Glutenin, das die Dehnbarkeit und Elastizität des Teiges bestimmt. Das Verhältnis aus Gliadin und Glutenin bestimmt über die Verarbeitungsmöglichkeiten von Teigen. Der Anteil der Gliadine hat im Laufe der Jahre bei Weizen abgenommen, der Anteil der Glutenine zu. Diese etwas andere Zusammensetzung sorgt zum einen für einen härteren Kleber, mit dem die maschinellen Backprozesse besser zurechtkommen. Zum anderen führt sie vermutlich zu einer besseren Verträglichkeit von Gluten. Das Gliadin-Glutenin-Verhältnis ist abhängig von der Sorte, der Düngung und von Umwelteinflüssen. Andere Eiweiße in Getreidesorten sind sogenannte Amylase-Trypsin-Inhibitoren, kurz ATI. Sie stehen im Verdacht, eine Rolle bei der Weizensensitivität und der Entstehung von Darmentzündungen zu spielen. Sie schützen die Getreideähre vor Schädlingen, Parasiten und Pilzen und auch ihr Gehalt hat sich im Laufe der Zeit nicht verändert. So gibt es alte Weizensorten mit einem hohen ATI-Gehalt und daneben Einkorn-Sorten, die nahezu ATI-frei sind. Laut aktueller Studienlage können sowohl alte als auch neue Sorten zu Unverträglichkeiten führen. Dinkel ist nicht automatisch besser verträglich als Weizen. Auf ATI-Gehalte hat die Teigherstellung allerdings keinen Einfluss.
Neben den Weizen-Inhaltsstoffen sind in dieser Diskussion auch veränderte Ernährungsgewohnheiten, andere Technologien in der Herstellung, das Darmmikrobiom und bessere Möglichkeiten in der Krankheitsdiagnostik zu nennen.
Glutenfreie Ernährung – sinnvoll und gesund?
Wirft man einen Blick ins Supermarktregal, so findet man immer mehr Produkte, die als glutenfrei ausgelobt werden. Es gibt Krankheiten, wie die Zöliakie, Weizensensitivität oder Weizenallergie, die einen Verzicht auf bestimmte Getreidesorten bzw. auf Gluten erfordern. In diesem Fall sind glutenfreie Produkte ein Segen für Betroffene, um eine abwechslungsreiche Ernährung zu ermöglichen. So gibt es glutenfreie Mehle zum Backen von Brot, Gebäck oder süßen Backwaren sowie bereits fertig gebackene glutenfreie Produkte. Leidet man nicht nachweislich an einer dieser Krankheiten, so bietet der Glutenverzicht allerdings keine gesundheitlichen Vorteile und auch keine Vorbeugung gegen etwaige Krankheiten.
Dr. Regine Schönlechner, Ernährungswissenschaftlerin an der Universität für Bodenkultur Wien, fasst es im Filminterview mit Land schafft Leben zusammen: „Von Natur aus glutenfreie Kohlenhydratlieferanten wie Kartoffeln, Hirse oder Buchweizen sind für eine abwechslungsreiche Ernährung natürlich zu empfehlen. Glutenfreie Produkte wie glutenfreies Brot, glutenfreie Nudeln oder glutenfreie Backwaren sind aufgrund der aufwändigeren Produktion meist um einiges teurer. Sie bestehen zudem häufig aus Weißmehl wie Mais- oder Reismehl und haben dadurch eine niedrige Nährstoffdichte und wenig Ballaststoffe. Als gesünder sind sie in keinen Fall zu bezeichnen, in vielen Fällen sogar als ungesünder.“ Da glutenfreie Produkte kein backfähiges Klebereiweiß enthalten, können Emulgatoren oder Verdickungsmittel dazu beitragen, eine Backfähigkeit zu ermöglichen.
Wenn Getreide krank macht
Vor ungefähr 10 000 Jahren begann der Mensch in unseren Breiten Getreide zu konsumieren und damit das Klebereiweiß Gluten zu verstoffwechseln. Im Zuge dessen wurde das menschliche Immunsystem vor die Herausforderung gestellt, eine bis zu dieser Zeit kaum konsumierte Eiweißquelle zu akzeptieren und zu vertragen. Während bei einem großen Teil der Bevölkerung diese Immuntoleranz gegenüber Gluten erfolgreich gelang, stellt für einen kleinen Teil der Konsum von glutenhaltigem Getreide tatsächlich ein Problem dar. Man unterscheidet dabei zwischen verschiedenen Krankheitsbildern: der Zöliakie, der Weizensensitivität und der Weizenallergie. Jede dieser Krankheiten tritt unterschiedlich häufig auf, ruft unterschiedliche körperliche und psychische Symptome hervor und erfordert unterschiedliche Speisepläne.
Zöliakie – das Chamäleon in der Medizin
Bei Zöliakie handelt es sich um eine chronische Erkrankung des Dünndarms, die sich durch eine Unverträglichkeit gegenüber Gluten, einem Getreideeiweiß in Weizen, Roggen und Gerste sowie deren Abstammungen und Kreuzungen wie Triticale, Dinkel, Grünkern, Kamut (Khorasan-Weizen), Einkorn und Emmer äußert. Hafer an sich ist glutenfrei, da er kein Weizenverwandter ist. Herkömmliche Haferprodukte wie Haferflocken sind aber häufig aufgrund des Anbaus, der Ernte, Lagerung und Verarbeitung mit Gluten kontaminiert, sodass bei Zöliakie unbedingt auf geprüfte, glutenfreie Haferprodukte zugegriffen werden soll. Schätzungen zufolge ist ein Prozent der Weltbevölkerung von Zöliakie betroffen. Zumindest gilt das für Länder, in denen glutenhaltige Lebensmittel wie Weizen am täglichen Speiseplan stehen. Studien aus anderen Ländern wie Finnland sprechen sogar von einer Häufigkeit von drei Prozent. Es handelt sich somit um eine der häufigsten gastroenterologischen Erkrankungen in Mitteleuropa. Neun von zehn Betroffenen wissen nicht einmal, dass sie Zöliakie haben. Sie kann in jedem Alter auftreten und eine genetische Häufung ist zu beobachten. So sind ca. 10 bis 15 Prozent aller Geschwister, Eltern oder Kinder von Betroffenen selbst auch betroffen.
Der Konsum von Gluten schädigt bei Zöliakie die Oberfläche des Dünndarms. Dort befinden sich zahlreiche kleine Vorwölbungen, die sogenannten Dünndarmzotten, die die Aufgabe haben, Nährstoffe aufzunehmen. Sind diese geschädigt, so ist die Funktion des Dünndarms beeinträchtigt und Nährstoffe wie Kalorien aus Kohlenhydraten, Fetten und Eiweiß sowie Vitamine und Mineralstoffe können nicht mehr oder nur mehr bedingt über den Dünndarm ins Blut aufgenommen werden. Die dadurch entstehenden Symptome sind sehr unterschiedlich. „Man sagt die Zöliakie ist das Chamäleon in der Medizin. Es kann alle möglichen Farben und Schattierungen annehmen. Das macht es schwierig“, erzählt Univ. Prof. Dr. Harald Vogelsang, Facharzt für Innere Medizin am AKH Wien im Filminterview mit Land schafft Leben. Die Beschwerden reichen von Verdauungsbeschwerden wie Durchfall, Völlegefühl, Übelkeit, Blähungen, Erbrechen, abnorme Stühle über Gewichtsverlust, Vitamin- und Mineralstoffmängel, Muskel- und Gelenksschmerzen bis hin zu Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen. Ein Zehntel der Betroffenen leidet zudem an juckenden Bläschen auf der Haut, an den Ellbogen, Knien und Gesäßbacken, was auch als Dermatitis Herpetiformis Duhring bezeichnet wird.
Zöliakie ist im Blut sowie durch eine Magenspiegelung, bei der kleine Gewebsproben schmerzlos aus dem Dünndarm entnommen werden und Dünndarmzotten untersucht werden, erkennbar. Das macht eine medizinische Abklärung unbedingt erforderlich und von einer Selbstdiagnose ist in jedem Fall abzuraten. Wichtig ist, dass vor Beginn mit einer glutenfreien Ernährung, eine genaue Diagnostik stattfindet. Nach einigen Wochen glutenfreier Ernährung kann die Diagnose meist nicht mehr eindeutig gestellt werden.
„Eine glutenfreie Ernährung ist für jene Personen wichtig, die es wirklich benötigen. Ein Verzicht bei gesunden Menschen bringt keine gesundheitlichen Vorteile“ betont Vogelsang. Zöliakie ist aktuell nicht heilbar, aber eine der wenigen chronischen Autoimmunerkrankungen, die allein durch eine Ernährungsumstellung behandelbar ist, sodass man beschwerdefrei leben kann. Die geschädigte Dünndarmschleimhaut erholt sich dadurch wieder, sogar innerhalb weniger Tage, und der Allgemeinzustand verbessert sich. Hält man sich nicht oder nur ungenau an diese Empfehlung, können schwerwiegende Langzeitfolgen wie Osteoporose oder Dünndarmkrebs eintreten. Bei Frauen treten Fehlgeburten durch Vitamin- und Mineralstoffmängel häufiger auf.
Bis vor wenigen Jahren war die Einhaltung einer glutenfreien Ernährung noch recht kompliziert, heute findet man ein großes Angebot an glutenfreien Produkten im Supermarktregal. „Es gibt heutzutage für fast jedes herkömmliche glutenhaltige Lebensmittel eine glutenfreie Alternative. Beginnend vom glutenfreien Bier, über die glutenfreie Pizza bis zu glutenfreien Fertigprodukten. Erkennbar sind glutenfreie Produkte am schnellsten am Internationalen Glutenfrei-Symbol, einer durchgestrichenen Getreideähre“, berichtet Fr. Hertha Deutsch, Vorsitzende der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft Zöliakie. Das Symbol und die darunter stehende internationale Registrierungsnummer gewährleisten, dass jedes Produkt mit den gleichen strengen Qualitätskriterien überprüft wurde, wie z.B. die Einhaltung des internationalen Grenzwertes für "glutenfrei" mit der entsprechenden im Codex-Standard vorgeschriebenen Analysenmethode, denn unterschiedliche Methoden ergeben unterschiedliche Resultate. Ein Grenzwert wird deshalb bestimmt, weil "Null" nicht messbar ist. Der Grenzwert für "glutenfrei" beträgt 20 ppm, also 20 Teilchen von einer Million, die unter Berücksichtigung von Messungenauigkeiten bei so geringen Mengen auch sicher überprüfbar sind. Auch von Natur aus glutenfreie Mehle aus Mais, Buchweizen, Reis oder Soja müssen auf Glutenfreiheit überprüft werden, da es vor allem durch die Vermahlung und Abfüllung zu hoher Kontamination mit glutenhaltigen Getreidesorten kommen kann. Deshalb sind geprüfte Produkte die sicherste Wahl bei Zöliakie.
Findet man das Symbol auf der Verpackung nicht, ist ein weiterführender Blick auf die Zutatenliste empfehlenswert. „Werden glutenhaltige Zutaten in der Rezeptur verwendet, müssen diese immer hervorgehoben deklariert werden, z.B. in fetter Schrift oder in Blockbuchstaben“, so Fr. Deutsch. Eine Schwierigkeit für Betroffene stellt die Spurendeklaration auf den Lebensmittelverpackungen dar („Kann Spuren von Gluten enthalten“). Dabei handelt es sich in vielen Fällen um eine rechtliche Absicherung des Herstellers. Vor allem wenn im selben Betrieb die Verarbeitung glutenhaltiger Lebensmittel stattfindet, ist das Kontaminationsrisiko hoch. Ob nun tatsächlich eine Kontamination mit Gluten stattgefunden hat oder nicht weiß man allerdings nicht. Für Betroffene bietet die Österreichische Arbeitsgemeinschaft Zöliakie ausführliches Informationsmaterial sowie ein Handbuch mit einer Auflistung von mehr als 10.000 glutenfreien Lebensmitteln, die in Österreich erhältlich sind.
Weizenallergie
Eine Weizenallergie ist eine Überreaktion des Immunsystems auf Weizen. Was sie von der Zöliakie unterscheidet: Andere glutenhaltige Lebensmittel wie Roggen oder Gerste werden meist gut vertragen und müssen individuell getestet werden. Man erkennt die Weizenallergie im Blut, aber nicht im Darm. Vor allem im Kindesalter zählt Weizen zu jenen Lebensmitteln, die am häufigsten eine Nahrungsmittelallergie auslösen. Bis zum Schul- oder Erwachsenenalter „wächst“ sich die Allergie meist wieder aus. Die Weizenallergie zeigt sich meist direkt nach dem Weizenkonsum und oft reichen bereits kleinste Mengen, also wenige Brotbrösel oder Mehlstaubpartikel, für starke allergische Reaktionen. Diese zeigen sich durch Hautsymptome wie Juckreiz und Nesselsucht, durch Atemsymptome wie Atemnot, durch Symptome im Verdauungstrakt wie Krämpfe, Übelkeit, Erbrechen, Blähungen und Durchfall und durch Symptome im Mundbereich wie Juckreiz, Schwellungen in Mund und Rachen. Eine Diagnose erfolgt über einen Blut- und Hauttest sowie durch eine Nahrungsmittelprovokation.
Therapiert wird die Allergie durch einen strengen Verzicht auf Weizen. Urformen des Weizens wie Dinkel, Einkorn oder Emmer werden von vielen Weizenallergikern nicht vertragen, da die Allergene sehr ähnlich sind. Eine individuelle Verträglichkeit muss hier durch eine sogenannte "Provokation" vomn Arzt abgeklärt werden. Andere Getreidesorten, auch glutenhaltige, können meist problemlos gegessen werden. In vielen Lebensmitteln, in denen man Weizen nicht vermutet, wie beispielsweise Roggenbrot oder Dinkelkekse, kann Weizen enthalten sein. Daher ist das Lesen der Zutatenliste unbedingt empfehlenswert. Glutenfreie Produkte sind zudem nicht automatisch weizenfrei, da sie glutenfreie Weizenstärke enthalten können und für Allergiker ungeeignet sind.
Eine besondere Form der Weizenallergie ist die anstrengungsinduzierte Weizenallergie. Sie tritt auf, wenn Weizen in Verbindung mit körperlicher Anstrengung konsumiert wird. Betroffene können Weizen in Form von Brot, Gebäck, Nudeln und Pizza problemlos essen, wenn ca. 30 Minuten bis zwei Stunden danach keine sportliche Betätigung erfolgt. Wenn aber zuerst ein Frühstückssemmerl gegessen wird und danach eine Joggingrunde erfolgt, kommt es zu einer allergischen Reaktion, unter Umständen sogar zu einer lebensgefährlichen. Neben der körperlichen Anstrengung können auch andere Co-Faktoren wie Medikamente, Alkohol, Stress oder Krankheiten zu einer Reaktion bei gleichzeitigem Weizenverzehr führen.
Auch das Bäckerasthma zählt zu den Weizenallergien und ist eine typische berufsbedingte Krankheit. Ungefähr ein Zehntel aller Müller, Konditoren und Bäcker reagieren beim Einatmen von Mehlstaub mit allergischen Reaktionen, sodass je nach Schweregrad ein Berufswechsel notwendig sein kann.
Weizensensitivität – die Menge und Verarbeitung macht‘s
Im Gegensatz zur Zöliakie und Weizenallergie, die eindeutig diagnostiziert werden kann und schon lange in der Medizin bekannt ist, ist erst seit kurzer Zeit von der sogenannten Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität oder Weizensensitivität die Rede. Hat man nachgewiesenermaßen keine Zöliakie oder Weizenallergie und verspürt dennoch Beschwerden nach dem Genuss von glutenhaltigen Lebensmitteln wie Brot oder Nudeln, so könnte dies eine Weizensensitivität sein. Heute benutzt man diesen Begriff statt "Glutensensitivität". Forscherinnen und Forscher vermuten, dass wahrscheinlich andere Bestandteile als Gluten - sogenannte ATIs - Auslöser für die Beschwerden sind.
Weizensensitivität ist weder im Blut noch im Darm nachweisbar, aber Betroffene fühlen sich besser, wenn sie das Klebereiweiß Gluten meiden. Sehr oft betrifft es Patienten mit der Grunderkrankung Reizdarmsyndrom oder funktionellen Darmbeschwerden. Die Symptome auf Gluten äußern sich in diesem Fall körperlich, psychisch und neurologisch durch Blähungen, Bauchschmerzen, Unterleibsschmerzen, Durchfall, Kopfschmerzen, Migräne, Menstruationsstörungen, extreme Müdigkeit, Gelenks- und Muskelschmerzen, Konzentrationsstörungen oder depressiven Verstimmungen. Die Symptome treten Stunden, aber auch noch Tage nach dem Konsum glutenhaltiger Nahrungsmittel auf. Wie streng der Gluten- bzw. Weizenverzicht praktiziert werden muss, ist sehr von der individuellen Toleranzschwelle abhängig. Eine so strikte glutenfreie Ernährung wie bei Zöliakie ist aber in der Regel nicht notwendig, vielmehr genügt es oft, größere Mengen an Weizen oder Gluten vom Speiseplan zu streichen. Geringe Mengen werden meist vertragen.
Während Zöliakie und Weizenallergie gut erforscht sind, wirft die Weizensensitivität noch viele Fragen auf. „Die ganz genaue Ursache, warum das so ist, kennt man noch nicht. Es ist vieles im Verdacht und vieles in der Forschung. Schätzungen zufolge sind drei bis acht Prozent der Bevölkerung von einer Weizensensitivität betroffen“, berichtet Dr. Schönlechner. Verdächtigt werden unter anderem bestimmte Eiweiße in Pflanzen, die als Amylase-Trypsin-Inhibitoren, also ATI, bezeichnet werden. Sie schützen die Getreideähre vor Schädlingen, Parasiten und Pilzen, im Weizen kommen sie in größeren Mengen vor. Aus diesem Verdacht entstand die Annahme, dass neue, moderne Hochleistungsweizensorten mehr ATIs enthalten als alte Sorten wie Einkorn oder Emmer. Untersuchungen zeigen hier jedoch keinen Zusammenhang. So gibt es alte Weizensorten mit einem hohen ATI-Gehalt und daneben Einkorn-Sorten, die nahezu ATI-frei sind. Dinkel ist nicht automatisch ATI-arm. Das bestätigt auch Dr. Christian Gladysz, Pflanzenzüchter der Saatbau Linz eGen: „Tatsache ist, die Vereinfachung, alte Sorten werden besser vertragen als neue, ist nicht legitim. Laut aktueller Studienlage können sowohl alte als auch neue Sorten zu Unverträglichkeiten führen. Dinkel ist nicht automatisch besser verträglich als Weizen.“ Neben den ATIs spielen vermutlich auch andere Einflussfaktoren eine Rolle wie das Immunsystem, das individuelle Mikrobiom und die Verarbeitung des Lebensmittels. Der Faktor „Zeit“ spielt bei empfindlichen Personen ebenfalls eine zentrale Rolle. So weist ein Brot mit traditionell langer Teigführung, egal ob aus Weizen, Dinkel- oder Roggenmehl, nur mehr einen sehr geringen ATI-Gehalt auf, da die ATIs mit der Zeitabgebaut werden, sodass es für viele Personen mit Weizensensitivität bekömmlicher und verträglicher wird.